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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

Preußen, durch seine Nachsicht eine unvollkommene Ausführung der Reichs¬
gesetze nicht unterstützen dürfe, in der vollen Überzeugung von der Nützlichkeit,
Nothwendigkeit und Unvermeidlichkeit seines Verfahrens, unternahm er es, die
endliche Ausführung des Artikels 33 der Reichsverfassung, die Herstellung eines
einheitlichen Zoll- und Handelsgebietes zu sichern. Im Jahre 1879, also nach
zwölf Jahren vergeblichen Wartens, wandte sich die Reichsregierung an den
Hamburger und Bremer Senat mit der Anfrage, ob sie glaubten, daß in einer
naheliegenden Zeit der Eintritt ihrer Städte in das Zollgebiet zu erwarten
sei. Die Antwort Hamburgs und damit auch Bremens war rundweg ablehnend.
Da war es denn doch wohl an der Zeit, den Gutmütigkeitszugeständnissen ein
Ende zu machen, die man den Hanseaten in der Rechnung gewährt hatte, daß
der Artikel 34 der Verfassung ein Provisorium sei und daß sie freiwillig und
ehrlich dem Reiche mit einem Definitionen entgegenkommen würden, um den
Artikel 33 derselben zur Ausführung zu bringen. Auf die Dauer ward es doch
unerträglich und setzte uns dem Gespött aller Nationen aus, daß ein Reich
mit 45 Millionen Menschen nicht einen einzigen großen Hafenplatz besaß, der
seinen Zollordnungcn bedingungslos unterworfen, dessen Thore seinem Hinter¬
kante zu jeder Zeit geöffnet gewesen wären. Die kleinen Seestädte an der
Ems konnten wegen ihrer Abgelegenheit, wegen der mangelhaften Beschaffen¬
heit ihrer Ankerplätze und wegen der dürftigen Wasserverbindungen nach dem
Innern für die Aufgaben des transatlantischen Verkehrs ebensowenig in
Betracht kommen, als die durch Dänemark abgesperrten Ostseestädte. Die
kleinen Häfen an der Unterelbe und Unterweser waren durch die riesenhafte Über¬
legenheit der Hansestädte zu Zwergen herabgedrückt. Da der natürliche Zollvereins¬
hafen Hamburg-Altona nicht zu heben war, so blieb nichts übrig, als an dem
Platze, der, wenn Hamburg nicht wäre, Hamburg sein würde, wie in dem preußi¬
schen Altona, dessen örtliche und wirtschaftliche Verwachsung der größern
Nachbarstadr außer Zweifel stand, das aber schon 1867 im konstituirenden
norddeutschen Reichstage als Zollvereinshafen gefordert war, einen Hafen für
die nationale Zollgemeinschaft zu schaffen. Nach abermals einem Jahre ver¬
geblichen Wartens beantragte die preußische Negierung beim Bundesrate, die
Stadt Altona und einen Teil der hamburgischen Vorstadt Se. Pauli in die
Zolllinie aufzunehmen.




Grenzboten IV. 1888.öL
Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

Preußen, durch seine Nachsicht eine unvollkommene Ausführung der Reichs¬
gesetze nicht unterstützen dürfe, in der vollen Überzeugung von der Nützlichkeit,
Nothwendigkeit und Unvermeidlichkeit seines Verfahrens, unternahm er es, die
endliche Ausführung des Artikels 33 der Reichsverfassung, die Herstellung eines
einheitlichen Zoll- und Handelsgebietes zu sichern. Im Jahre 1879, also nach
zwölf Jahren vergeblichen Wartens, wandte sich die Reichsregierung an den
Hamburger und Bremer Senat mit der Anfrage, ob sie glaubten, daß in einer
naheliegenden Zeit der Eintritt ihrer Städte in das Zollgebiet zu erwarten
sei. Die Antwort Hamburgs und damit auch Bremens war rundweg ablehnend.
Da war es denn doch wohl an der Zeit, den Gutmütigkeitszugeständnissen ein
Ende zu machen, die man den Hanseaten in der Rechnung gewährt hatte, daß
der Artikel 34 der Verfassung ein Provisorium sei und daß sie freiwillig und
ehrlich dem Reiche mit einem Definitionen entgegenkommen würden, um den
Artikel 33 derselben zur Ausführung zu bringen. Auf die Dauer ward es doch
unerträglich und setzte uns dem Gespött aller Nationen aus, daß ein Reich
mit 45 Millionen Menschen nicht einen einzigen großen Hafenplatz besaß, der
seinen Zollordnungcn bedingungslos unterworfen, dessen Thore seinem Hinter¬
kante zu jeder Zeit geöffnet gewesen wären. Die kleinen Seestädte an der
Ems konnten wegen ihrer Abgelegenheit, wegen der mangelhaften Beschaffen¬
heit ihrer Ankerplätze und wegen der dürftigen Wasserverbindungen nach dem
Innern für die Aufgaben des transatlantischen Verkehrs ebensowenig in
Betracht kommen, als die durch Dänemark abgesperrten Ostseestädte. Die
kleinen Häfen an der Unterelbe und Unterweser waren durch die riesenhafte Über¬
legenheit der Hansestädte zu Zwergen herabgedrückt. Da der natürliche Zollvereins¬
hafen Hamburg-Altona nicht zu heben war, so blieb nichts übrig, als an dem
Platze, der, wenn Hamburg nicht wäre, Hamburg sein würde, wie in dem preußi¬
schen Altona, dessen örtliche und wirtschaftliche Verwachsung der größern
Nachbarstadr außer Zweifel stand, das aber schon 1867 im konstituirenden
norddeutschen Reichstage als Zollvereinshafen gefordert war, einen Hafen für
die nationale Zollgemeinschaft zu schaffen. Nach abermals einem Jahre ver¬
geblichen Wartens beantragte die preußische Negierung beim Bundesrate, die
Stadt Altona und einen Teil der hamburgischen Vorstadt Se. Pauli in die
Zolllinie aufzunehmen.




Grenzboten IV. 1888.öL
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[0505] Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. Preußen, durch seine Nachsicht eine unvollkommene Ausführung der Reichs¬ gesetze nicht unterstützen dürfe, in der vollen Überzeugung von der Nützlichkeit, Nothwendigkeit und Unvermeidlichkeit seines Verfahrens, unternahm er es, die endliche Ausführung des Artikels 33 der Reichsverfassung, die Herstellung eines einheitlichen Zoll- und Handelsgebietes zu sichern. Im Jahre 1879, also nach zwölf Jahren vergeblichen Wartens, wandte sich die Reichsregierung an den Hamburger und Bremer Senat mit der Anfrage, ob sie glaubten, daß in einer naheliegenden Zeit der Eintritt ihrer Städte in das Zollgebiet zu erwarten sei. Die Antwort Hamburgs und damit auch Bremens war rundweg ablehnend. Da war es denn doch wohl an der Zeit, den Gutmütigkeitszugeständnissen ein Ende zu machen, die man den Hanseaten in der Rechnung gewährt hatte, daß der Artikel 34 der Verfassung ein Provisorium sei und daß sie freiwillig und ehrlich dem Reiche mit einem Definitionen entgegenkommen würden, um den Artikel 33 derselben zur Ausführung zu bringen. Auf die Dauer ward es doch unerträglich und setzte uns dem Gespött aller Nationen aus, daß ein Reich mit 45 Millionen Menschen nicht einen einzigen großen Hafenplatz besaß, der seinen Zollordnungcn bedingungslos unterworfen, dessen Thore seinem Hinter¬ kante zu jeder Zeit geöffnet gewesen wären. Die kleinen Seestädte an der Ems konnten wegen ihrer Abgelegenheit, wegen der mangelhaften Beschaffen¬ heit ihrer Ankerplätze und wegen der dürftigen Wasserverbindungen nach dem Innern für die Aufgaben des transatlantischen Verkehrs ebensowenig in Betracht kommen, als die durch Dänemark abgesperrten Ostseestädte. Die kleinen Häfen an der Unterelbe und Unterweser waren durch die riesenhafte Über¬ legenheit der Hansestädte zu Zwergen herabgedrückt. Da der natürliche Zollvereins¬ hafen Hamburg-Altona nicht zu heben war, so blieb nichts übrig, als an dem Platze, der, wenn Hamburg nicht wäre, Hamburg sein würde, wie in dem preußi¬ schen Altona, dessen örtliche und wirtschaftliche Verwachsung der größern Nachbarstadr außer Zweifel stand, das aber schon 1867 im konstituirenden norddeutschen Reichstage als Zollvereinshafen gefordert war, einen Hafen für die nationale Zollgemeinschaft zu schaffen. Nach abermals einem Jahre ver¬ geblichen Wartens beantragte die preußische Negierung beim Bundesrate, die Stadt Altona und einen Teil der hamburgischen Vorstadt Se. Pauli in die Zolllinie aufzunehmen. Grenzboten IV. 1888.öL

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/505>, abgerufen am 24.08.2024.