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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Karl Ludwig Costenoble.

gang wieder von vorn beginnen, also im Kreise verlaufen. Ein freudiges Ja würde
aber ganz nahe liegen, wenn erst der kluge Herr Zeitgeist sich wieder einmal
mehr auf das Ewige besinnen wollte, das zugleich das Uranfängliche ist, wie
es ewig vor uns schwebt, aber auch in uns und unter uns jeden Augenblick
auftreten kann und dann alles in uns und um uns froh beleuchtet.




Karl Ludwig (Lostenoble.
v Moritz Necker. on

MWW
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WD>om 9. Mai 1818 bis zu seinem am 28. August 1837 in Prag
auf der Reise) erfolgten Tode gehörte Karl Ludwig Costenoble,
ein Schüler Schröters und Ifflands, zu den Mitgliedern des
Wiener Hofburgtheatcrs, vom Jahre 1832 ab war er Regisseur
dieser schon damals berühmten Bühne. Schreyvogel, der aus¬
gezeichnete Dramaturg, hatte Costenoble, der in Hamburg sich eines guten Rufes
als Komiker erfreute, nach kurzem Gastspiel 1816 für Wien gewonnen, und
zwar sollte er hier nicht mehr niedrig komische Rollen spielen, sondern das edlere
Fach der Charakterrollen übernehmen. Costeuobles beste Figuren waren die des
Shylock und des Juden Schewa, die des Klosterbruders im "Nathan," des
Narren im "König Lear," des Bankiers Müller in Bauernfelds "Liebesproto¬
koll," des Präsidenten Walther in "Kabale und Liebe" und noch einige Ge¬
stalten in Ifflands und Kotzebues Lustspielen. Ju Hamburg hatte er sich in
plattdeutschen Komödien berühmt gemacht, in Wien lebte er sich sehr rasch in
das volkstümliche Possenspiel der Lokalbühnen ein.

Als Costenoble nach Wien kam, hatte er schon eine reiche Vergangenheit
als Mensch wie als Künstler. Geboren 1769 zu Herford in Westfalen als
Sohn eines Pastors, stand er in seinem neunundvierzigsten Lebensjahre. Das
Wanderleben der damaligen Theatertruppen hatte er mit all seinem Elend und
all seiner Bitterkeit durchgekostet. Als er (durch das Spiel Flecks für die
Schauspielkunst gewonnen) seine künstlerischen Lehrjahre durchmachte, nahm die
Hamburger Bühne unter F. Ludwig Schröters Leitung ihren höchsten Auf¬
schwung gleichzeitig mit dem sogenannten goldenen Zeitalter der deutschen Litte¬
ratur. Dann machte Costenoble in Hamburg die böse Franzosenzeit mit, die das
Theater nicht weniger als das bürgerliche Leben beeinträchtigte. Als er sich
dann endlich in Wien dauernd niederließ, war wieder eine neue Zeit gekommen,
die sich wesentlich von der stürmisch bewegten und von nationaler Begeisterung
erfüllten Zeit, die voranging, unterschied. Es war die Zeit des Metternichschen


Grenzboten IV. 18L3. 34
Karl Ludwig Costenoble.

gang wieder von vorn beginnen, also im Kreise verlaufen. Ein freudiges Ja würde
aber ganz nahe liegen, wenn erst der kluge Herr Zeitgeist sich wieder einmal
mehr auf das Ewige besinnen wollte, das zugleich das Uranfängliche ist, wie
es ewig vor uns schwebt, aber auch in uns und unter uns jeden Augenblick
auftreten kann und dann alles in uns und um uns froh beleuchtet.




Karl Ludwig (Lostenoble.
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WD>om 9. Mai 1818 bis zu seinem am 28. August 1837 in Prag
auf der Reise) erfolgten Tode gehörte Karl Ludwig Costenoble,
ein Schüler Schröters und Ifflands, zu den Mitgliedern des
Wiener Hofburgtheatcrs, vom Jahre 1832 ab war er Regisseur
dieser schon damals berühmten Bühne. Schreyvogel, der aus¬
gezeichnete Dramaturg, hatte Costenoble, der in Hamburg sich eines guten Rufes
als Komiker erfreute, nach kurzem Gastspiel 1816 für Wien gewonnen, und
zwar sollte er hier nicht mehr niedrig komische Rollen spielen, sondern das edlere
Fach der Charakterrollen übernehmen. Costeuobles beste Figuren waren die des
Shylock und des Juden Schewa, die des Klosterbruders im „Nathan," des
Narren im „König Lear," des Bankiers Müller in Bauernfelds „Liebesproto¬
koll," des Präsidenten Walther in „Kabale und Liebe" und noch einige Ge¬
stalten in Ifflands und Kotzebues Lustspielen. Ju Hamburg hatte er sich in
plattdeutschen Komödien berühmt gemacht, in Wien lebte er sich sehr rasch in
das volkstümliche Possenspiel der Lokalbühnen ein.

Als Costenoble nach Wien kam, hatte er schon eine reiche Vergangenheit
als Mensch wie als Künstler. Geboren 1769 zu Herford in Westfalen als
Sohn eines Pastors, stand er in seinem neunundvierzigsten Lebensjahre. Das
Wanderleben der damaligen Theatertruppen hatte er mit all seinem Elend und
all seiner Bitterkeit durchgekostet. Als er (durch das Spiel Flecks für die
Schauspielkunst gewonnen) seine künstlerischen Lehrjahre durchmachte, nahm die
Hamburger Bühne unter F. Ludwig Schröters Leitung ihren höchsten Auf¬
schwung gleichzeitig mit dem sogenannten goldenen Zeitalter der deutschen Litte¬
ratur. Dann machte Costenoble in Hamburg die böse Franzosenzeit mit, die das
Theater nicht weniger als das bürgerliche Leben beeinträchtigte. Als er sich
dann endlich in Wien dauernd niederließ, war wieder eine neue Zeit gekommen,
die sich wesentlich von der stürmisch bewegten und von nationaler Begeisterung
erfüllten Zeit, die voranging, unterschied. Es war die Zeit des Metternichschen


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[0273] Karl Ludwig Costenoble. gang wieder von vorn beginnen, also im Kreise verlaufen. Ein freudiges Ja würde aber ganz nahe liegen, wenn erst der kluge Herr Zeitgeist sich wieder einmal mehr auf das Ewige besinnen wollte, das zugleich das Uranfängliche ist, wie es ewig vor uns schwebt, aber auch in uns und unter uns jeden Augenblick auftreten kann und dann alles in uns und um uns froh beleuchtet. Karl Ludwig (Lostenoble. v Moritz Necker. on MWW »^ WD>om 9. Mai 1818 bis zu seinem am 28. August 1837 in Prag auf der Reise) erfolgten Tode gehörte Karl Ludwig Costenoble, ein Schüler Schröters und Ifflands, zu den Mitgliedern des Wiener Hofburgtheatcrs, vom Jahre 1832 ab war er Regisseur dieser schon damals berühmten Bühne. Schreyvogel, der aus¬ gezeichnete Dramaturg, hatte Costenoble, der in Hamburg sich eines guten Rufes als Komiker erfreute, nach kurzem Gastspiel 1816 für Wien gewonnen, und zwar sollte er hier nicht mehr niedrig komische Rollen spielen, sondern das edlere Fach der Charakterrollen übernehmen. Costeuobles beste Figuren waren die des Shylock und des Juden Schewa, die des Klosterbruders im „Nathan," des Narren im „König Lear," des Bankiers Müller in Bauernfelds „Liebesproto¬ koll," des Präsidenten Walther in „Kabale und Liebe" und noch einige Ge¬ stalten in Ifflands und Kotzebues Lustspielen. Ju Hamburg hatte er sich in plattdeutschen Komödien berühmt gemacht, in Wien lebte er sich sehr rasch in das volkstümliche Possenspiel der Lokalbühnen ein. Als Costenoble nach Wien kam, hatte er schon eine reiche Vergangenheit als Mensch wie als Künstler. Geboren 1769 zu Herford in Westfalen als Sohn eines Pastors, stand er in seinem neunundvierzigsten Lebensjahre. Das Wanderleben der damaligen Theatertruppen hatte er mit all seinem Elend und all seiner Bitterkeit durchgekostet. Als er (durch das Spiel Flecks für die Schauspielkunst gewonnen) seine künstlerischen Lehrjahre durchmachte, nahm die Hamburger Bühne unter F. Ludwig Schröters Leitung ihren höchsten Auf¬ schwung gleichzeitig mit dem sogenannten goldenen Zeitalter der deutschen Litte¬ ratur. Dann machte Costenoble in Hamburg die böse Franzosenzeit mit, die das Theater nicht weniger als das bürgerliche Leben beeinträchtigte. Als er sich dann endlich in Wien dauernd niederließ, war wieder eine neue Zeit gekommen, die sich wesentlich von der stürmisch bewegten und von nationaler Begeisterung erfüllten Zeit, die voranging, unterschied. Es war die Zeit des Metternichschen Grenzboten IV. 18L3. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/273>, abgerufen am 22.07.2024.