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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Nordschleswigs Protcstpartci.

Schulunterricht ein mächtiges Befördcrniigsmittcl des Deutschtums ist, weiß man
im deutschen und im dänischen Lager gleich gut. Vor kurzem äußerte sich Landrat
Schreiber in Hadersleben auf einer Leserversammlung in diesem Sinne. Dennoch
kann man der Regierung nicht den Vorwurf macheu, daß sie die Germanisirung
der Schulen mit zu regem Eifer betreibe. Sie richtet sich lediglich nach dem
Bedürfnis und berücksichtigt möglichst die Wünsche der Schulgemeiude. Man
will nun zwar im dänischen Lager behaupten, dergleichen Wünsche gingen gar
nicht von der Mehrzahl, sondern von einer Minderzahl Deutschgesinnter oder von
anderweitig gewonnenen aus. Wir wüßten nicht, daß das jemals vorgekommen
wäre, und müssen, bis schlagende Beweise dafür beigebracht werden, die Sache
der Petenten gegen dergleichen Verleumdungen in Schutz nehmen. Und selbst
wenn es einmal geschehen wäre, dürfte man den einen Fall nicht auf alle an¬
wenden. Auf einmütiger Wunsch aller Mitglieder einer Schulgemcinde geht
eine solche Petition ja nie ab, verbohrte Querkopfe giebt es überall. Im allge¬
meinen aber wünscht der Nordschleswiger, daß seine Kinder in der Schule Deutsch
lernen sollen, wenn er selber auch dänisch gesinnt ist. Er ist klug genug, ein¬
zusehen, daß seine Kinder später mit dem Deutschen weiter kommen, als mit
dem Dänischen. Wenn sich aber unsre Protestler im allgemeinen über die
Strenge beklagen, mit der sie von deutscher Seite behandelt werden, so liegt
die Schuld an ihnen selbst. Wahrlich, lange genug hat man mit Milde ihren
Wühlereien zugesehen, immer in der Hoffnung, sie dadurch zu gewinnen. Aber
sie haben das Wohlwollen als Schwäche gedeutet und daraus eine Berech¬
tigung ihrer Opposition hergeleitet. Da ist man zu strengern Maßregeln über¬
gegangen, und die Herren Protestier ernten einfach die Früchte ihrer eignen
Aussaat.

Es ist übrigens mit der Strenge hier nicht so schlimm, wenn man bedenkt,
wie die Dänen 1852 bis 1864 in Südschleswig gegen die Deutschen vorgegangen
sind. Und doch war die deutsche Opposition damals in ihrem Rechte, weil
thatsächlich nach dem Tode Friedrichs VII. nach Staatsrecht Schleswig-Holstein
von Dänemark loskommen mußte. Thatsächlich hatte die deutsche Partei damals
ein verbrieftes Recht für sich, während die heutige dänische Partei nnr den
Wunsch, dänisch zu werden, für sich hat. Aber wie gingen die Dänen mit den
verbrieften Rechten um? Nach der Wahlkapitulation vom Jahre 1460, die
man nicht mit Unrecht das Schleswig-holsteinische Staatsgrundgcsetz genannt
hat, sollten Schleswig und Holstein für ewige Zeiten beisammen bleiben --
Dänemark hat über ein Vierteljahrhundert unablässig auf die Trennung Schles¬
wigs von Holstein und die Einverleibung Schleswigs in Dänemark hinge¬
arbeitet. Zu Beamten in Schleswig-Holstein sollten nnr Landeskinder ge¬
nommen werden -- die dänische Regierung hat beharrlich die besten Stellen
mit Dünen besetzt, manchmal unfähigen Subjekten von schlechtem Rufe und zweifel¬
hafter Vergangenheit, eine Ungerechtigkeit, nnter der namentlich Schleswig hat


Nordschleswigs Protcstpartci.

Schulunterricht ein mächtiges Befördcrniigsmittcl des Deutschtums ist, weiß man
im deutschen und im dänischen Lager gleich gut. Vor kurzem äußerte sich Landrat
Schreiber in Hadersleben auf einer Leserversammlung in diesem Sinne. Dennoch
kann man der Regierung nicht den Vorwurf macheu, daß sie die Germanisirung
der Schulen mit zu regem Eifer betreibe. Sie richtet sich lediglich nach dem
Bedürfnis und berücksichtigt möglichst die Wünsche der Schulgemeiude. Man
will nun zwar im dänischen Lager behaupten, dergleichen Wünsche gingen gar
nicht von der Mehrzahl, sondern von einer Minderzahl Deutschgesinnter oder von
anderweitig gewonnenen aus. Wir wüßten nicht, daß das jemals vorgekommen
wäre, und müssen, bis schlagende Beweise dafür beigebracht werden, die Sache
der Petenten gegen dergleichen Verleumdungen in Schutz nehmen. Und selbst
wenn es einmal geschehen wäre, dürfte man den einen Fall nicht auf alle an¬
wenden. Auf einmütiger Wunsch aller Mitglieder einer Schulgemcinde geht
eine solche Petition ja nie ab, verbohrte Querkopfe giebt es überall. Im allge¬
meinen aber wünscht der Nordschleswiger, daß seine Kinder in der Schule Deutsch
lernen sollen, wenn er selber auch dänisch gesinnt ist. Er ist klug genug, ein¬
zusehen, daß seine Kinder später mit dem Deutschen weiter kommen, als mit
dem Dänischen. Wenn sich aber unsre Protestler im allgemeinen über die
Strenge beklagen, mit der sie von deutscher Seite behandelt werden, so liegt
die Schuld an ihnen selbst. Wahrlich, lange genug hat man mit Milde ihren
Wühlereien zugesehen, immer in der Hoffnung, sie dadurch zu gewinnen. Aber
sie haben das Wohlwollen als Schwäche gedeutet und daraus eine Berech¬
tigung ihrer Opposition hergeleitet. Da ist man zu strengern Maßregeln über¬
gegangen, und die Herren Protestier ernten einfach die Früchte ihrer eignen
Aussaat.

Es ist übrigens mit der Strenge hier nicht so schlimm, wenn man bedenkt,
wie die Dänen 1852 bis 1864 in Südschleswig gegen die Deutschen vorgegangen
sind. Und doch war die deutsche Opposition damals in ihrem Rechte, weil
thatsächlich nach dem Tode Friedrichs VII. nach Staatsrecht Schleswig-Holstein
von Dänemark loskommen mußte. Thatsächlich hatte die deutsche Partei damals
ein verbrieftes Recht für sich, während die heutige dänische Partei nnr den
Wunsch, dänisch zu werden, für sich hat. Aber wie gingen die Dänen mit den
verbrieften Rechten um? Nach der Wahlkapitulation vom Jahre 1460, die
man nicht mit Unrecht das Schleswig-holsteinische Staatsgrundgcsetz genannt
hat, sollten Schleswig und Holstein für ewige Zeiten beisammen bleiben —
Dänemark hat über ein Vierteljahrhundert unablässig auf die Trennung Schles¬
wigs von Holstein und die Einverleibung Schleswigs in Dänemark hinge¬
arbeitet. Zu Beamten in Schleswig-Holstein sollten nnr Landeskinder ge¬
nommen werden — die dänische Regierung hat beharrlich die besten Stellen
mit Dünen besetzt, manchmal unfähigen Subjekten von schlechtem Rufe und zweifel¬
hafter Vergangenheit, eine Ungerechtigkeit, nnter der namentlich Schleswig hat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/615>, abgerufen am 01.09.2024.