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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanisches Lisenbcchnmesen.

einschlägigen Verhältnissen vertrauten Bekannten oder in Ermangelung eines
solchen an den Portier seines Hotels zu wenden.

Sind Linie und Bahnhof glücklich festgestellt, so bietet sich die zweite,
dem europäischen Reisenden ebenso unbekannte Schwierigkeit, die Beschaffung
des Billets (tickst,). Bei uns zu Lande löst man es sich einfach vor Abgang
des Zuges an der amtlichen Villetansgabe auf dem Bahnhöfe selbst, und man
erhält ein Kärtchen. das über Preis und Giltigkeit keinerlei Zweifel läßt und
mit Leichtigkeit im Geldtäschchen Platz findet. In Amerika bildet der Kauf der
Billets am Bahnhofsschalter die Ausnahme, und der Fremde thut gut, sich
auf Ausnahmen ans Gründen, die wir noch später vorführen werden, grund¬
sätzlich nicht einzulassen. Dafür giebt es drüben besondre Billetgeschäfte, deren
wir im ganzen drei verschiedne Arten kennen gelernt haben: offizielle, offiziöse
und Winkelngenturen. Die erstern sind die von den Eisenbahngesellschaften
selbst eingerichteten Verkaufsstellen, die letztern verschaffen sich ihr meist zweifel¬
haftes Verkaufsmaterial durch die verschiedenartigsten Handgriffe, insbesondre durch
Massenauflauf bei der sogenannten Schleuderkonkurrenz, d. h. wenn rivalisirende
Gesellschaften aus Konkurrenzrücksichten zeitweise die Fahrpreise aus kaum
nennenswerte Sätze herunterdrücken, sodaß man z. B. von Newyork nach Chi¬
cago für vier anstatt für zwanzig Dollars fahren kann; in der Mitte zwischen
diesen beiden stehen die sozusagen halbamtlichen tiekst^okkoos. Da diese ver¬
schiedenartige" Agenturen äußerlich kaum von einander zu unterscheiden sind
"ut dem Fremden durchweg dieselbe, im amerikanischen Reklamestile gehaltene
Außenseite zeigen, so wird er auch hier gut thun, sich an eine zuverlässige
Adresse weisen zu lassen, wenn er nicht Gefahr laufen will, ein Billet zu er¬
halten, dessen Giltigkeit mitten auf der Fahrt abläuft oder auf gewisse Züge
^schränkt ist.

Die weitere Frage ist: Was für ein Billet nimmt man? ein limitscl oder
mümütvä tiokkt, d. h. ein Billet mit begrenzter oder unbegrenzter Giltigkeits-
dauer? Die letzter" bieten den Vorzug, daß sie bis zu ihrem Gebrauch giltig
bleiben, sodaß sie noch nach Jahr und Tag verwendbar sind, und daß sie die
Unterbrechung der Fahrt an jedem Haltepunkte auf beliebig lange Zeit, auch
die Benutzung aller Züge gestatten. Die andern sind nur für die am Tage
der Lösung abgehenden Züge oder bei längerer Fahrt für eine bestimmte Zahl
von Tagen giltig und geben jene Vorrechte nicht; dafür sind sie erheblich
billiger. So kostet z. B. ein liiniteä tieköt, zwischen Newyork und San Fran-
cisco mir 79.50 Dollars, das müimitöck aber 95.75 Dollars. Für Touristen
wird es sich immer empfehlen, lieber die teuern Billets zu wählen, da man
dann, abgesehen von den obenerwähnten Annehmlichkeiten, auf weitern Strecken
sich nicht bloß die Scherereien des wiederholten Billctkaufens erspart, sondern
auch erheblich billiger wegkommt, als wenn man sich die verschiednen Strecken
einzeln zusammenläuft, vorausgesetzt, daß der Reiseplan endgiltig festgesetzt ist,


Amerikanisches Lisenbcchnmesen.

einschlägigen Verhältnissen vertrauten Bekannten oder in Ermangelung eines
solchen an den Portier seines Hotels zu wenden.

Sind Linie und Bahnhof glücklich festgestellt, so bietet sich die zweite,
dem europäischen Reisenden ebenso unbekannte Schwierigkeit, die Beschaffung
des Billets (tickst,). Bei uns zu Lande löst man es sich einfach vor Abgang
des Zuges an der amtlichen Villetansgabe auf dem Bahnhöfe selbst, und man
erhält ein Kärtchen. das über Preis und Giltigkeit keinerlei Zweifel läßt und
mit Leichtigkeit im Geldtäschchen Platz findet. In Amerika bildet der Kauf der
Billets am Bahnhofsschalter die Ausnahme, und der Fremde thut gut, sich
auf Ausnahmen ans Gründen, die wir noch später vorführen werden, grund¬
sätzlich nicht einzulassen. Dafür giebt es drüben besondre Billetgeschäfte, deren
wir im ganzen drei verschiedne Arten kennen gelernt haben: offizielle, offiziöse
und Winkelngenturen. Die erstern sind die von den Eisenbahngesellschaften
selbst eingerichteten Verkaufsstellen, die letztern verschaffen sich ihr meist zweifel¬
haftes Verkaufsmaterial durch die verschiedenartigsten Handgriffe, insbesondre durch
Massenauflauf bei der sogenannten Schleuderkonkurrenz, d. h. wenn rivalisirende
Gesellschaften aus Konkurrenzrücksichten zeitweise die Fahrpreise aus kaum
nennenswerte Sätze herunterdrücken, sodaß man z. B. von Newyork nach Chi¬
cago für vier anstatt für zwanzig Dollars fahren kann; in der Mitte zwischen
diesen beiden stehen die sozusagen halbamtlichen tiekst^okkoos. Da diese ver¬
schiedenartige» Agenturen äußerlich kaum von einander zu unterscheiden sind
»ut dem Fremden durchweg dieselbe, im amerikanischen Reklamestile gehaltene
Außenseite zeigen, so wird er auch hier gut thun, sich an eine zuverlässige
Adresse weisen zu lassen, wenn er nicht Gefahr laufen will, ein Billet zu er¬
halten, dessen Giltigkeit mitten auf der Fahrt abläuft oder auf gewisse Züge
^schränkt ist.

Die weitere Frage ist: Was für ein Billet nimmt man? ein limitscl oder
mümütvä tiokkt, d. h. ein Billet mit begrenzter oder unbegrenzter Giltigkeits-
dauer? Die letzter» bieten den Vorzug, daß sie bis zu ihrem Gebrauch giltig
bleiben, sodaß sie noch nach Jahr und Tag verwendbar sind, und daß sie die
Unterbrechung der Fahrt an jedem Haltepunkte auf beliebig lange Zeit, auch
die Benutzung aller Züge gestatten. Die andern sind nur für die am Tage
der Lösung abgehenden Züge oder bei längerer Fahrt für eine bestimmte Zahl
von Tagen giltig und geben jene Vorrechte nicht; dafür sind sie erheblich
billiger. So kostet z. B. ein liiniteä tieköt, zwischen Newyork und San Fran-
cisco mir 79.50 Dollars, das müimitöck aber 95.75 Dollars. Für Touristen
wird es sich immer empfehlen, lieber die teuern Billets zu wählen, da man
dann, abgesehen von den obenerwähnten Annehmlichkeiten, auf weitern Strecken
sich nicht bloß die Scherereien des wiederholten Billctkaufens erspart, sondern
auch erheblich billiger wegkommt, als wenn man sich die verschiednen Strecken
einzeln zusammenläuft, vorausgesetzt, daß der Reiseplan endgiltig festgesetzt ist,


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[0439] Amerikanisches Lisenbcchnmesen. einschlägigen Verhältnissen vertrauten Bekannten oder in Ermangelung eines solchen an den Portier seines Hotels zu wenden. Sind Linie und Bahnhof glücklich festgestellt, so bietet sich die zweite, dem europäischen Reisenden ebenso unbekannte Schwierigkeit, die Beschaffung des Billets (tickst,). Bei uns zu Lande löst man es sich einfach vor Abgang des Zuges an der amtlichen Villetansgabe auf dem Bahnhöfe selbst, und man erhält ein Kärtchen. das über Preis und Giltigkeit keinerlei Zweifel läßt und mit Leichtigkeit im Geldtäschchen Platz findet. In Amerika bildet der Kauf der Billets am Bahnhofsschalter die Ausnahme, und der Fremde thut gut, sich auf Ausnahmen ans Gründen, die wir noch später vorführen werden, grund¬ sätzlich nicht einzulassen. Dafür giebt es drüben besondre Billetgeschäfte, deren wir im ganzen drei verschiedne Arten kennen gelernt haben: offizielle, offiziöse und Winkelngenturen. Die erstern sind die von den Eisenbahngesellschaften selbst eingerichteten Verkaufsstellen, die letztern verschaffen sich ihr meist zweifel¬ haftes Verkaufsmaterial durch die verschiedenartigsten Handgriffe, insbesondre durch Massenauflauf bei der sogenannten Schleuderkonkurrenz, d. h. wenn rivalisirende Gesellschaften aus Konkurrenzrücksichten zeitweise die Fahrpreise aus kaum nennenswerte Sätze herunterdrücken, sodaß man z. B. von Newyork nach Chi¬ cago für vier anstatt für zwanzig Dollars fahren kann; in der Mitte zwischen diesen beiden stehen die sozusagen halbamtlichen tiekst^okkoos. Da diese ver¬ schiedenartige» Agenturen äußerlich kaum von einander zu unterscheiden sind »ut dem Fremden durchweg dieselbe, im amerikanischen Reklamestile gehaltene Außenseite zeigen, so wird er auch hier gut thun, sich an eine zuverlässige Adresse weisen zu lassen, wenn er nicht Gefahr laufen will, ein Billet zu er¬ halten, dessen Giltigkeit mitten auf der Fahrt abläuft oder auf gewisse Züge ^schränkt ist. Die weitere Frage ist: Was für ein Billet nimmt man? ein limitscl oder mümütvä tiokkt, d. h. ein Billet mit begrenzter oder unbegrenzter Giltigkeits- dauer? Die letzter» bieten den Vorzug, daß sie bis zu ihrem Gebrauch giltig bleiben, sodaß sie noch nach Jahr und Tag verwendbar sind, und daß sie die Unterbrechung der Fahrt an jedem Haltepunkte auf beliebig lange Zeit, auch die Benutzung aller Züge gestatten. Die andern sind nur für die am Tage der Lösung abgehenden Züge oder bei längerer Fahrt für eine bestimmte Zahl von Tagen giltig und geben jene Vorrechte nicht; dafür sind sie erheblich billiger. So kostet z. B. ein liiniteä tieköt, zwischen Newyork und San Fran- cisco mir 79.50 Dollars, das müimitöck aber 95.75 Dollars. Für Touristen wird es sich immer empfehlen, lieber die teuern Billets zu wählen, da man dann, abgesehen von den obenerwähnten Annehmlichkeiten, auf weitern Strecken sich nicht bloß die Scherereien des wiederholten Billctkaufens erspart, sondern auch erheblich billiger wegkommt, als wenn man sich die verschiednen Strecken einzeln zusammenläuft, vorausgesetzt, daß der Reiseplan endgiltig festgesetzt ist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/439>, abgerufen am 28.07.2024.