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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Österreich und der deutsch-französische Krieg.

und die Persönlichkeiten und Dispositionen der Unterhändler in Nikolsbnrg
kannte, der darf wohl Zweifel hegen, ob mau ohne die französische Nachhilfe
fest geblieben wäre." Das Fortbestehen Sachsens als Ganzes beruhte also im
letzten Grunde nicht, wie viele bisher glaubten, auf Österreichs Einspruch gegen
eine Teilung des Landes, auch nicht, wie wir anzunehmen Ursache hatten, darauf,
daß Bismarck eine solche widerriet, weil er im neuen Bunde kein durch Verstüm¬
melung verstimmtes und unzufrieden gemachtes Glied haben wollte, sondern
auf dem Verlangen Frankreichs, einer nichtdeutschen Macht! Wir meinen, daß
man dem Grafen Beust für diese Enthüllung in Dresden jetzt nicht dankbar
sein wird. Wie dem aber auch sei, die Art und Weise, in welcher er seine
Pariser Mission erfüllte, und namentlich der Rat, den er dem Kaiser der
Franzosen bei der Gelegenheit erteilte, war so undeutsch als möglich, obgleich
er sich dabei einen "zu guten Deutschen" nannte.

Ein Beispiel mehr für die undeutsche und franzosenfreundliche Denkweise
Veusts ist folgendes, das von ihm selbst im zweiten Bande S. 357 ff. mitgeteilt
wird. Nachdem er gesagt, er habe 1870, vor Ausbruch des Krieges, sichs an¬
gelegen sein lassen, bei dem Kaiser Napoleon die Illusion zu entfernen, daß
Süddeutschland sich an dem Kriege nicht beteiligen werde, ihn also zu warnen,
was natürlich nicht im Interesse Deutschlands, sondern aus Besorgnis für
Frankreich geschah, erzählt er: "In dieser Zeit war es auch, daß ich eines
Tages an Fürst Metternich schrieb: "Will Gramont mein Rezept? Hier ist
es: Man greife den König von Preußen nicht an, behandle die Angelegenheit
iber Thronkandidatur des Prinzen Leopold) als spanische Frage und lasse, wenn
man in Madrid den Reklamationen nicht Rechnung trägt und eine Flotille ab¬
sendet, um den Prinzen von Hohenzollern in einem Hafen der Nordsee an Bord
M nehmen, von Brest oder Cherbourg ein Geschwader auslaufen, um ihn beim
Kragen zu nehmen (smxoiMm). Wenn Preußen das übel nimmt, so wird es
Mühe haben, den deutschen Süden zu bewegen, daß er marschiren läßt. Wenn
Ihr jaar bemerke das "Ihr," d. h. Metternich und Gramont, die als Ver¬
bündete gedacht werden) dagegen Preußen angreift, so gehört ihm der Süden."
Metternich teilte das dem Herzoge von Gramont mit. Die Antwort war:
"Herr von Beust schickt mir da eine Szene aus der komischen Oper." Es darf
nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich hier weder um eine Depesche, noch
um einen vertraulichen diplomatischen Brief handelte, sondern um einen auf
ein Blättchen Papier hingeworfenen Gedanken. Ms Format war doch gleich-
giltig, wie auch Metternich gedacht haben wird, als er das "Blättchen" wie
"me Depesche dem französischen Minister überreichte.) Daher sind auch Alls¬
drücke wie kmxoiMöi- nicht nach strengem Wortlaute zu nehmen. Den Ge¬
danken selbst aber halte ich noch heute für einen solchen, der sehr beherzigens¬
wert war. Emil Ollivier, mit dem ich einmal gelegentlich eines mir gemachten
Besuches die Sache besprach, war entgegengesetzter Ansicht und meinte, das


Österreich und der deutsch-französische Krieg.

und die Persönlichkeiten und Dispositionen der Unterhändler in Nikolsbnrg
kannte, der darf wohl Zweifel hegen, ob mau ohne die französische Nachhilfe
fest geblieben wäre." Das Fortbestehen Sachsens als Ganzes beruhte also im
letzten Grunde nicht, wie viele bisher glaubten, auf Österreichs Einspruch gegen
eine Teilung des Landes, auch nicht, wie wir anzunehmen Ursache hatten, darauf,
daß Bismarck eine solche widerriet, weil er im neuen Bunde kein durch Verstüm¬
melung verstimmtes und unzufrieden gemachtes Glied haben wollte, sondern
auf dem Verlangen Frankreichs, einer nichtdeutschen Macht! Wir meinen, daß
man dem Grafen Beust für diese Enthüllung in Dresden jetzt nicht dankbar
sein wird. Wie dem aber auch sei, die Art und Weise, in welcher er seine
Pariser Mission erfüllte, und namentlich der Rat, den er dem Kaiser der
Franzosen bei der Gelegenheit erteilte, war so undeutsch als möglich, obgleich
er sich dabei einen „zu guten Deutschen" nannte.

Ein Beispiel mehr für die undeutsche und franzosenfreundliche Denkweise
Veusts ist folgendes, das von ihm selbst im zweiten Bande S. 357 ff. mitgeteilt
wird. Nachdem er gesagt, er habe 1870, vor Ausbruch des Krieges, sichs an¬
gelegen sein lassen, bei dem Kaiser Napoleon die Illusion zu entfernen, daß
Süddeutschland sich an dem Kriege nicht beteiligen werde, ihn also zu warnen,
was natürlich nicht im Interesse Deutschlands, sondern aus Besorgnis für
Frankreich geschah, erzählt er: „In dieser Zeit war es auch, daß ich eines
Tages an Fürst Metternich schrieb: »Will Gramont mein Rezept? Hier ist
es: Man greife den König von Preußen nicht an, behandle die Angelegenheit
iber Thronkandidatur des Prinzen Leopold) als spanische Frage und lasse, wenn
man in Madrid den Reklamationen nicht Rechnung trägt und eine Flotille ab¬
sendet, um den Prinzen von Hohenzollern in einem Hafen der Nordsee an Bord
M nehmen, von Brest oder Cherbourg ein Geschwader auslaufen, um ihn beim
Kragen zu nehmen (smxoiMm). Wenn Preußen das übel nimmt, so wird es
Mühe haben, den deutschen Süden zu bewegen, daß er marschiren läßt. Wenn
Ihr jaar bemerke das „Ihr," d. h. Metternich und Gramont, die als Ver¬
bündete gedacht werden) dagegen Preußen angreift, so gehört ihm der Süden.«
Metternich teilte das dem Herzoge von Gramont mit. Die Antwort war:
»Herr von Beust schickt mir da eine Szene aus der komischen Oper.« Es darf
nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich hier weder um eine Depesche, noch
um einen vertraulichen diplomatischen Brief handelte, sondern um einen auf
ein Blättchen Papier hingeworfenen Gedanken. Ms Format war doch gleich-
giltig, wie auch Metternich gedacht haben wird, als er das „Blättchen" wie
«me Depesche dem französischen Minister überreichte.) Daher sind auch Alls¬
drücke wie kmxoiMöi- nicht nach strengem Wortlaute zu nehmen. Den Ge¬
danken selbst aber halte ich noch heute für einen solchen, der sehr beherzigens¬
wert war. Emil Ollivier, mit dem ich einmal gelegentlich eines mir gemachten
Besuches die Sache besprach, war entgegengesetzter Ansicht und meinte, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/407>, abgerufen am 27.07.2024.