Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das juristische Studium.

in kürzester Zeit gesteuert und sie würden genötigt werden, entweder ebenfalls
zu arbeiten oder die Universitäten zu verlassen, was für diese sowie für die ge¬
samte Studentenschaft kein Schade sein würde. Viertens würden dadurch
wirklich tüchtige Kräfte herangebildet werden und so dem Staate selber der größte
Vorteil erwachsen. Endlich aber würde dadurch bei der Neferendarprüfung
ein weit gerechterer und zuverlässigerer Maßstab dafür gegeben werden, ob der
Betreffende seine Pflicht gethan hat oder nicht. Nach unsern jetzigen Einrich¬
tungen hat der, welcher fünf Semester nichts thut und dann im sechsten sich
"einpauken" läßt, dieselben Aussichten wie der, welcher die ganze Zeit hindurch
treu gearbeitet hat; wenigstens wird man sich hiernach gar nicht weiter richten,
sondern einzig und allein nach der schriftlichen Arbeit und der mündlichen
Prüfung, in der sich der Dreistere, aber Untüchtigere oft viel vorteilhafter zeigt
als der stillere, aber Fleißigere.

Vielleicht wird man mir einwerfen, daß dies ja doch auch ein Zwang sei
und den Studenten noch weit mehr binde als eine Zwischenprüfung. Ein ge¬
wisser Zwang würde allerdings vorliegen, das läßt sich nicht leugnen. Aber
dieser Zwang träfe den Studenten lange nicht so hart wie die Einführung einer
Zwischenprüfung. Während des Semesters selbst würde dem Studenten ja
möglichste Freiheit gewährt. Am Schlüsse des Semesters soll er frei nach
eignem Belieben ein Fach von den gehörten Vorlesungen wählen, das ihm am
meisten Interesse eingeflößt hat. Während der Ferien aber bleibt ihm genug
freie Zeit, um eine solche Arbeit zu machen. Der Zwang wäre also doch nur
ein sehr milder. Dadurch aber, daß man den Studenten von vornherein nötigt,
tüchtig zu arbeiten, kann seine Ausbildung doch nur gewinnen. Durch ein¬
gehendere Beschäftigung aber mit einem von ihm selbst gewählten Stoffe würde
auch zugleich ein tieferes Interesse dafür erwachsen, sodaß sich der Student auch
noch später, wenn er selbständig geworden ist, aus eignem Antriebe, eigner
Neigung diesen ihm liebgewordenen Studien hingeben würde. Außerdem bedenke
man, daß es dem Studenten doch mir förderlich sein kann, durch schriftliche
Arbeiten eine gewisse Gewandtheit im Disponiren und der ganzen Behandlung
eines Stoffes zu erlangen.

So viel ich weiß, ist ein Vorschlag wie dieser bei Erörterung der Frage
über das juristische Studium bisher noch nicht gemacht worden. Ich möchte
ihn daher hiermit der Beachtung weiterer Kreise empfohlen haben.


L. S.


Das juristische Studium.

in kürzester Zeit gesteuert und sie würden genötigt werden, entweder ebenfalls
zu arbeiten oder die Universitäten zu verlassen, was für diese sowie für die ge¬
samte Studentenschaft kein Schade sein würde. Viertens würden dadurch
wirklich tüchtige Kräfte herangebildet werden und so dem Staate selber der größte
Vorteil erwachsen. Endlich aber würde dadurch bei der Neferendarprüfung
ein weit gerechterer und zuverlässigerer Maßstab dafür gegeben werden, ob der
Betreffende seine Pflicht gethan hat oder nicht. Nach unsern jetzigen Einrich¬
tungen hat der, welcher fünf Semester nichts thut und dann im sechsten sich
„einpauken" läßt, dieselben Aussichten wie der, welcher die ganze Zeit hindurch
treu gearbeitet hat; wenigstens wird man sich hiernach gar nicht weiter richten,
sondern einzig und allein nach der schriftlichen Arbeit und der mündlichen
Prüfung, in der sich der Dreistere, aber Untüchtigere oft viel vorteilhafter zeigt
als der stillere, aber Fleißigere.

Vielleicht wird man mir einwerfen, daß dies ja doch auch ein Zwang sei
und den Studenten noch weit mehr binde als eine Zwischenprüfung. Ein ge¬
wisser Zwang würde allerdings vorliegen, das läßt sich nicht leugnen. Aber
dieser Zwang träfe den Studenten lange nicht so hart wie die Einführung einer
Zwischenprüfung. Während des Semesters selbst würde dem Studenten ja
möglichste Freiheit gewährt. Am Schlüsse des Semesters soll er frei nach
eignem Belieben ein Fach von den gehörten Vorlesungen wählen, das ihm am
meisten Interesse eingeflößt hat. Während der Ferien aber bleibt ihm genug
freie Zeit, um eine solche Arbeit zu machen. Der Zwang wäre also doch nur
ein sehr milder. Dadurch aber, daß man den Studenten von vornherein nötigt,
tüchtig zu arbeiten, kann seine Ausbildung doch nur gewinnen. Durch ein¬
gehendere Beschäftigung aber mit einem von ihm selbst gewählten Stoffe würde
auch zugleich ein tieferes Interesse dafür erwachsen, sodaß sich der Student auch
noch später, wenn er selbständig geworden ist, aus eignem Antriebe, eigner
Neigung diesen ihm liebgewordenen Studien hingeben würde. Außerdem bedenke
man, daß es dem Studenten doch mir förderlich sein kann, durch schriftliche
Arbeiten eine gewisse Gewandtheit im Disponiren und der ganzen Behandlung
eines Stoffes zu erlangen.

So viel ich weiß, ist ein Vorschlag wie dieser bei Erörterung der Frage
über das juristische Studium bisher noch nicht gemacht worden. Ich möchte
ihn daher hiermit der Beachtung weiterer Kreise empfohlen haben.


L. S.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203001"/>
          <fw type="header" place="top"> Das juristische Studium.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> in kürzester Zeit gesteuert und sie würden genötigt werden, entweder ebenfalls<lb/>
zu arbeiten oder die Universitäten zu verlassen, was für diese sowie für die ge¬<lb/>
samte Studentenschaft kein Schade sein würde. Viertens würden dadurch<lb/>
wirklich tüchtige Kräfte herangebildet werden und so dem Staate selber der größte<lb/>
Vorteil erwachsen. Endlich aber würde dadurch bei der Neferendarprüfung<lb/>
ein weit gerechterer und zuverlässigerer Maßstab dafür gegeben werden, ob der<lb/>
Betreffende seine Pflicht gethan hat oder nicht. Nach unsern jetzigen Einrich¬<lb/>
tungen hat der, welcher fünf Semester nichts thut und dann im sechsten sich<lb/>
&#x201E;einpauken" läßt, dieselben Aussichten wie der, welcher die ganze Zeit hindurch<lb/>
treu gearbeitet hat; wenigstens wird man sich hiernach gar nicht weiter richten,<lb/>
sondern einzig und allein nach der schriftlichen Arbeit und der mündlichen<lb/>
Prüfung, in der sich der Dreistere, aber Untüchtigere oft viel vorteilhafter zeigt<lb/>
als der stillere, aber Fleißigere.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751"> Vielleicht wird man mir einwerfen, daß dies ja doch auch ein Zwang sei<lb/>
und den Studenten noch weit mehr binde als eine Zwischenprüfung. Ein ge¬<lb/>
wisser Zwang würde allerdings vorliegen, das läßt sich nicht leugnen. Aber<lb/>
dieser Zwang träfe den Studenten lange nicht so hart wie die Einführung einer<lb/>
Zwischenprüfung. Während des Semesters selbst würde dem Studenten ja<lb/>
möglichste Freiheit gewährt. Am Schlüsse des Semesters soll er frei nach<lb/>
eignem Belieben ein Fach von den gehörten Vorlesungen wählen, das ihm am<lb/>
meisten Interesse eingeflößt hat. Während der Ferien aber bleibt ihm genug<lb/>
freie Zeit, um eine solche Arbeit zu machen. Der Zwang wäre also doch nur<lb/>
ein sehr milder. Dadurch aber, daß man den Studenten von vornherein nötigt,<lb/>
tüchtig zu arbeiten, kann seine Ausbildung doch nur gewinnen. Durch ein¬<lb/>
gehendere Beschäftigung aber mit einem von ihm selbst gewählten Stoffe würde<lb/>
auch zugleich ein tieferes Interesse dafür erwachsen, sodaß sich der Student auch<lb/>
noch später, wenn er selbständig geworden ist, aus eignem Antriebe, eigner<lb/>
Neigung diesen ihm liebgewordenen Studien hingeben würde. Außerdem bedenke<lb/>
man, daß es dem Studenten doch mir förderlich sein kann, durch schriftliche<lb/>
Arbeiten eine gewisse Gewandtheit im Disponiren und der ganzen Behandlung<lb/>
eines Stoffes zu erlangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_752"> So viel ich weiß, ist ein Vorschlag wie dieser bei Erörterung der Frage<lb/>
über das juristische Studium bisher noch nicht gemacht worden. Ich möchte<lb/>
ihn daher hiermit der Beachtung weiterer Kreise empfohlen haben.</p><lb/>
          <note type="byline"> L. S.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0224] Das juristische Studium. in kürzester Zeit gesteuert und sie würden genötigt werden, entweder ebenfalls zu arbeiten oder die Universitäten zu verlassen, was für diese sowie für die ge¬ samte Studentenschaft kein Schade sein würde. Viertens würden dadurch wirklich tüchtige Kräfte herangebildet werden und so dem Staate selber der größte Vorteil erwachsen. Endlich aber würde dadurch bei der Neferendarprüfung ein weit gerechterer und zuverlässigerer Maßstab dafür gegeben werden, ob der Betreffende seine Pflicht gethan hat oder nicht. Nach unsern jetzigen Einrich¬ tungen hat der, welcher fünf Semester nichts thut und dann im sechsten sich „einpauken" läßt, dieselben Aussichten wie der, welcher die ganze Zeit hindurch treu gearbeitet hat; wenigstens wird man sich hiernach gar nicht weiter richten, sondern einzig und allein nach der schriftlichen Arbeit und der mündlichen Prüfung, in der sich der Dreistere, aber Untüchtigere oft viel vorteilhafter zeigt als der stillere, aber Fleißigere. Vielleicht wird man mir einwerfen, daß dies ja doch auch ein Zwang sei und den Studenten noch weit mehr binde als eine Zwischenprüfung. Ein ge¬ wisser Zwang würde allerdings vorliegen, das läßt sich nicht leugnen. Aber dieser Zwang träfe den Studenten lange nicht so hart wie die Einführung einer Zwischenprüfung. Während des Semesters selbst würde dem Studenten ja möglichste Freiheit gewährt. Am Schlüsse des Semesters soll er frei nach eignem Belieben ein Fach von den gehörten Vorlesungen wählen, das ihm am meisten Interesse eingeflößt hat. Während der Ferien aber bleibt ihm genug freie Zeit, um eine solche Arbeit zu machen. Der Zwang wäre also doch nur ein sehr milder. Dadurch aber, daß man den Studenten von vornherein nötigt, tüchtig zu arbeiten, kann seine Ausbildung doch nur gewinnen. Durch ein¬ gehendere Beschäftigung aber mit einem von ihm selbst gewählten Stoffe würde auch zugleich ein tieferes Interesse dafür erwachsen, sodaß sich der Student auch noch später, wenn er selbständig geworden ist, aus eignem Antriebe, eigner Neigung diesen ihm liebgewordenen Studien hingeben würde. Außerdem bedenke man, daß es dem Studenten doch mir förderlich sein kann, durch schriftliche Arbeiten eine gewisse Gewandtheit im Disponiren und der ganzen Behandlung eines Stoffes zu erlangen. So viel ich weiß, ist ein Vorschlag wie dieser bei Erörterung der Frage über das juristische Studium bisher noch nicht gemacht worden. Ich möchte ihn daher hiermit der Beachtung weiterer Kreise empfohlen haben. L. S.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/224
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/224>, abgerufen am 27.07.2024.