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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die Aanzlerknsis und die Freisinnige",

schiedne Ziele, deren Verwirklichung sie von einem großen Kriege erhoffen.
Beiden würde die Heirat des Battenbcrgcrs mit der preußischen Prinzessin einen
willkommenen Vorwund zur Agitation und Kriegshetzc bieten. Dem Kaiser von
Rußland wäre eine neue verzweifelte Aufgabe gestellt, zwischen diesen Parteien
Stand zu halten und ihre kriegerischen Gelüste zurückzudrängen. Ob ihm dies
möglich sein würde, ist sehr fraglich und genauen Kennern der russischen Ver¬
hältnisse unwahrscheinlich. Wir Deutschen fürchten den Krieg nicht, aber wir
suchen ihn auch nicht, und bisher hat man es dem Kanzler zum Lobe angerechnet,
daß er es verstanden hat, den Krieg zu vermeiden. Es ist aber auch sehr
zweifelhaft, ob Prinz Alexander seine Rolle schon ausgespielt hat; in der bul-
garischen Armee hat er noch einen großen Anhang, in der Nation eine bedeu¬
tende Partei. Jeder Krieg kann ihn wieder einmal an die Spitze des Landes
rufen, und dann wäre das Interesse des königlichen Hauses in Preußen
plötzlich mit den Geschicken der bulgarischen Nation verflochten. Denn in Preußen
regiert der König, die auswärtige Politik des Reiches wird vom deutschen Kaiser
gemacht, und so groß ist die Machtfülle des Herrschers, daß die fortlaufende
Leitung der Politik von ihr unmittelbar beeinflußt wird. Bis jetzt besitzt die
königliche Familie kein depossedirtes Mitglied, die geplante Heirat würde ihr ein
solches zuführen und ihr Prestige nicht gerade erhöhen. Für Osterreich war
es eine Demütigung seines Ansehens und eine Schwächung, daß das Kaiserhaus
ruhig zusehen mußte, wie seine nächsten Angehörigen in Italien verjagt, der
eigne Bruder des Herrschers in Mexiko erschossen wurde. Das alles mußte
die Habsburgische Dynastie und ihr Reich über sich ergehen lassen, weil die
Verhältnisse es wollten; dergleichen Gefahren aber sucht man nicht auf, wenn
sie nicht von außen her aufgedrängt werden.

Die freisinnige Partei schlägt diese Gründe in den Wind. Der Prinz
Alexander von Bcittenberg war für sie von jeher ein wertvoller Stein in dem
Schachspiel gegen den Kanzler. Schon bei seiner Vertreibung aus Bulgarien
war sie geneigt, Deutschland in einen Krieg zu verwickeln; sie scheut auch jetzt
vor einem solchen nicht zurück um deu Preis, daß der Kanzler beseitigt werde. Sie
sucht aber auch uoch eine zweite Fliege mit derselben Klappe zu schlagen. Träte
der Fall einer Intervention zu Gunsten des Prinzen ein, dann würde dieselbe
Partei dagegen Front machen und ihren Willen dem Könige aufdrängen, und
dann hätten wir das lauge ersehnte parlamentarische Regiment erreicht. Zu
fadenscheinig ist diese Politik, um nicht erkannt zu werden, und wir sind über¬
zeugt, daß die nächsten Wahlen den Freisinnigen die Antwort nicht ersparen
werden dafür, daß sie mit Frivolität die Gefahr eines Krieges heraufbeschworen
und ihr möglichstes gethan haben, um den Fürsten Bismarck, dessen große Ver¬
dienste um das Reich auch die Freisinnige" nicht werden in den Schatten stellen
könne", zu beseitigen. Doch das ist ihre Sache: Huerri ours psrclör" vult, pun
(lölUVIltiÄt.




Die Aanzlerknsis und die Freisinnige»,

schiedne Ziele, deren Verwirklichung sie von einem großen Kriege erhoffen.
Beiden würde die Heirat des Battenbcrgcrs mit der preußischen Prinzessin einen
willkommenen Vorwund zur Agitation und Kriegshetzc bieten. Dem Kaiser von
Rußland wäre eine neue verzweifelte Aufgabe gestellt, zwischen diesen Parteien
Stand zu halten und ihre kriegerischen Gelüste zurückzudrängen. Ob ihm dies
möglich sein würde, ist sehr fraglich und genauen Kennern der russischen Ver¬
hältnisse unwahrscheinlich. Wir Deutschen fürchten den Krieg nicht, aber wir
suchen ihn auch nicht, und bisher hat man es dem Kanzler zum Lobe angerechnet,
daß er es verstanden hat, den Krieg zu vermeiden. Es ist aber auch sehr
zweifelhaft, ob Prinz Alexander seine Rolle schon ausgespielt hat; in der bul-
garischen Armee hat er noch einen großen Anhang, in der Nation eine bedeu¬
tende Partei. Jeder Krieg kann ihn wieder einmal an die Spitze des Landes
rufen, und dann wäre das Interesse des königlichen Hauses in Preußen
plötzlich mit den Geschicken der bulgarischen Nation verflochten. Denn in Preußen
regiert der König, die auswärtige Politik des Reiches wird vom deutschen Kaiser
gemacht, und so groß ist die Machtfülle des Herrschers, daß die fortlaufende
Leitung der Politik von ihr unmittelbar beeinflußt wird. Bis jetzt besitzt die
königliche Familie kein depossedirtes Mitglied, die geplante Heirat würde ihr ein
solches zuführen und ihr Prestige nicht gerade erhöhen. Für Osterreich war
es eine Demütigung seines Ansehens und eine Schwächung, daß das Kaiserhaus
ruhig zusehen mußte, wie seine nächsten Angehörigen in Italien verjagt, der
eigne Bruder des Herrschers in Mexiko erschossen wurde. Das alles mußte
die Habsburgische Dynastie und ihr Reich über sich ergehen lassen, weil die
Verhältnisse es wollten; dergleichen Gefahren aber sucht man nicht auf, wenn
sie nicht von außen her aufgedrängt werden.

Die freisinnige Partei schlägt diese Gründe in den Wind. Der Prinz
Alexander von Bcittenberg war für sie von jeher ein wertvoller Stein in dem
Schachspiel gegen den Kanzler. Schon bei seiner Vertreibung aus Bulgarien
war sie geneigt, Deutschland in einen Krieg zu verwickeln; sie scheut auch jetzt
vor einem solchen nicht zurück um deu Preis, daß der Kanzler beseitigt werde. Sie
sucht aber auch uoch eine zweite Fliege mit derselben Klappe zu schlagen. Träte
der Fall einer Intervention zu Gunsten des Prinzen ein, dann würde dieselbe
Partei dagegen Front machen und ihren Willen dem Könige aufdrängen, und
dann hätten wir das lauge ersehnte parlamentarische Regiment erreicht. Zu
fadenscheinig ist diese Politik, um nicht erkannt zu werden, und wir sind über¬
zeugt, daß die nächsten Wahlen den Freisinnigen die Antwort nicht ersparen
werden dafür, daß sie mit Frivolität die Gefahr eines Krieges heraufbeschworen
und ihr möglichstes gethan haben, um den Fürsten Bismarck, dessen große Ver¬
dienste um das Reich auch die Freisinnige» nicht werden in den Schatten stellen
könne», zu beseitigen. Doch das ist ihre Sache: Huerri ours psrclör« vult, pun
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/155>, abgerufen am 01.09.2024.