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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Weimarer Gesamtansgabe von Goethes Werken,

Seinen Hauptwert erhält der erste Band durch die hier zum ersten male be¬
nutzten handschriftlichen Vorlagen, über die einfacher und zum Teil genauer hätte
berichtet werden sollen. Von hervorragender Bedeutung ist die älteste hand¬
schriftliche Zusammenstellung von Goethe selbst; umso mehr müssen wir bedauern,
daß gar nicht angegeben ist, welche Gedichte sich auf diesen "23 Quartblättern"
finden. Aus dieser waren die Abschriften der Frau von Stein und Herders
geflossen, über welche hier das Nötige bemerkt werden mußte. Auch die beiden
Sammlungen der "Vermischten Gedichte" im achten Bande von "Goethes Schriften"
liegen in des Dichters eigner Handschrift vor. Daß diese Abschrift unter zwei
Nummern aufgeführt und mit zwei verschiednen "Siglcn" bezeichnet wird, ist
störend. Goethe hat einzelnes geändert, Herder manches, das meist Recht¬
schreibung und Satzzeichnung betrifft, mit Rödel und roter Tinte bemerkt; nur
ein paar größere Gedichte sind von dem Sekretär Vogel eingeschrieben. Auch
die zur Ausgabe von 1806 verwandte Handschrift liegt vor; sie ist von der
Hand des Schreibers Geist. Über die ältern höchst bedeutenden Handschriften
der Elegien und Epigramme berichtet der Herausgeber vor diesen; dort wird
auch der handschriftlichen metrischen Bemerkungen W. Schlegels über das zweite
Buch der Elegien gedacht, durch deren Mitteilung die neue Ausgabe sich ver¬
dient gemacht hat. Auch zu den Epigrammen, Weissagungen und Jahreszeiten
werden die meist von Goethe befolgten Bemerkungen des feinsinnigen Kritikers
angeführt. Die Handschriften einzelner Gedichte von Goethe selbst und andern
werden bei diesen angegeben; übersichtlicher wäre es gewesen, wenn alle, und
zwar die Autographen von den Abschriften gesondert, genau verzeichnet würden,
besonders auch die wichtigen Notizhefte Goethes, deren erst später gedacht ist.

Gehen wir zum Texte der Gedichte über, so haben wir die Genauigkeit
des Druckes zu rühmen, die freilich bei der bedeutenden Hilfe, über welche die
Redaktion, die auch einen Generalkorrektor in Professor Seuffert besitzt, zu
verfügen hat, leichter zu erreichen war. Den Druckfehler gedrückt statt ge¬
druckt 314, 138 hat der Herausgeber selbst angezeigt, nicht aber den ähnlichen
341, 115. Freilich sind manche Druckfehler der Ausgabe letzter Hand beseitigt,
aber bei weitem nicht alle; die Satzzeichnung ist mehrfach verbessert, aber nicht
durchgehend (so haben sich u. a. manche unnötige Kommas erhalten), eine Gleich¬
heit der Schreibung nicht überall hergestellt (wie man noch 90, 26 verguldet
liest neben vergoldetem 179, 44). Zuweilen sind durch L hereingebrachte
oder von L verschuldete oder schon ältere Druckfehler nicht verbessert, wie 156,
3 f. hörte, das den Sinn stört, statt höre, 173, 46 das harte mit so viel
Sorgen (statt Sorge) warten, 175, 81 das verswidrige lebendig geblieben,
wo blieben handschriftlich feststeht, 181, 9 das gegen Goethes Sprachgebrauch
verstoßende Kreis' um Kreise, wo richtig an erster Stelle Kreis im ältesten
Druck stand, 284, 78 das sprachwidrige dem (statt den) köstlichen Schatz,
338, 64 an (statt als) ein Vollendetes. Wir müssen uns auf wenige Bei-


Die Weimarer Gesamtansgabe von Goethes Werken,

Seinen Hauptwert erhält der erste Band durch die hier zum ersten male be¬
nutzten handschriftlichen Vorlagen, über die einfacher und zum Teil genauer hätte
berichtet werden sollen. Von hervorragender Bedeutung ist die älteste hand¬
schriftliche Zusammenstellung von Goethe selbst; umso mehr müssen wir bedauern,
daß gar nicht angegeben ist, welche Gedichte sich auf diesen „23 Quartblättern"
finden. Aus dieser waren die Abschriften der Frau von Stein und Herders
geflossen, über welche hier das Nötige bemerkt werden mußte. Auch die beiden
Sammlungen der „Vermischten Gedichte" im achten Bande von „Goethes Schriften"
liegen in des Dichters eigner Handschrift vor. Daß diese Abschrift unter zwei
Nummern aufgeführt und mit zwei verschiednen „Siglcn" bezeichnet wird, ist
störend. Goethe hat einzelnes geändert, Herder manches, das meist Recht¬
schreibung und Satzzeichnung betrifft, mit Rödel und roter Tinte bemerkt; nur
ein paar größere Gedichte sind von dem Sekretär Vogel eingeschrieben. Auch
die zur Ausgabe von 1806 verwandte Handschrift liegt vor; sie ist von der
Hand des Schreibers Geist. Über die ältern höchst bedeutenden Handschriften
der Elegien und Epigramme berichtet der Herausgeber vor diesen; dort wird
auch der handschriftlichen metrischen Bemerkungen W. Schlegels über das zweite
Buch der Elegien gedacht, durch deren Mitteilung die neue Ausgabe sich ver¬
dient gemacht hat. Auch zu den Epigrammen, Weissagungen und Jahreszeiten
werden die meist von Goethe befolgten Bemerkungen des feinsinnigen Kritikers
angeführt. Die Handschriften einzelner Gedichte von Goethe selbst und andern
werden bei diesen angegeben; übersichtlicher wäre es gewesen, wenn alle, und
zwar die Autographen von den Abschriften gesondert, genau verzeichnet würden,
besonders auch die wichtigen Notizhefte Goethes, deren erst später gedacht ist.

Gehen wir zum Texte der Gedichte über, so haben wir die Genauigkeit
des Druckes zu rühmen, die freilich bei der bedeutenden Hilfe, über welche die
Redaktion, die auch einen Generalkorrektor in Professor Seuffert besitzt, zu
verfügen hat, leichter zu erreichen war. Den Druckfehler gedrückt statt ge¬
druckt 314, 138 hat der Herausgeber selbst angezeigt, nicht aber den ähnlichen
341, 115. Freilich sind manche Druckfehler der Ausgabe letzter Hand beseitigt,
aber bei weitem nicht alle; die Satzzeichnung ist mehrfach verbessert, aber nicht
durchgehend (so haben sich u. a. manche unnötige Kommas erhalten), eine Gleich¬
heit der Schreibung nicht überall hergestellt (wie man noch 90, 26 verguldet
liest neben vergoldetem 179, 44). Zuweilen sind durch L hereingebrachte
oder von L verschuldete oder schon ältere Druckfehler nicht verbessert, wie 156,
3 f. hörte, das den Sinn stört, statt höre, 173, 46 das harte mit so viel
Sorgen (statt Sorge) warten, 175, 81 das verswidrige lebendig geblieben,
wo blieben handschriftlich feststeht, 181, 9 das gegen Goethes Sprachgebrauch
verstoßende Kreis' um Kreise, wo richtig an erster Stelle Kreis im ältesten
Druck stand, 284, 78 das sprachwidrige dem (statt den) köstlichen Schatz,
338, 64 an (statt als) ein Vollendetes. Wir müssen uns auf wenige Bei-


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[0094] Die Weimarer Gesamtansgabe von Goethes Werken, Seinen Hauptwert erhält der erste Band durch die hier zum ersten male be¬ nutzten handschriftlichen Vorlagen, über die einfacher und zum Teil genauer hätte berichtet werden sollen. Von hervorragender Bedeutung ist die älteste hand¬ schriftliche Zusammenstellung von Goethe selbst; umso mehr müssen wir bedauern, daß gar nicht angegeben ist, welche Gedichte sich auf diesen „23 Quartblättern" finden. Aus dieser waren die Abschriften der Frau von Stein und Herders geflossen, über welche hier das Nötige bemerkt werden mußte. Auch die beiden Sammlungen der „Vermischten Gedichte" im achten Bande von „Goethes Schriften" liegen in des Dichters eigner Handschrift vor. Daß diese Abschrift unter zwei Nummern aufgeführt und mit zwei verschiednen „Siglcn" bezeichnet wird, ist störend. Goethe hat einzelnes geändert, Herder manches, das meist Recht¬ schreibung und Satzzeichnung betrifft, mit Rödel und roter Tinte bemerkt; nur ein paar größere Gedichte sind von dem Sekretär Vogel eingeschrieben. Auch die zur Ausgabe von 1806 verwandte Handschrift liegt vor; sie ist von der Hand des Schreibers Geist. Über die ältern höchst bedeutenden Handschriften der Elegien und Epigramme berichtet der Herausgeber vor diesen; dort wird auch der handschriftlichen metrischen Bemerkungen W. Schlegels über das zweite Buch der Elegien gedacht, durch deren Mitteilung die neue Ausgabe sich ver¬ dient gemacht hat. Auch zu den Epigrammen, Weissagungen und Jahreszeiten werden die meist von Goethe befolgten Bemerkungen des feinsinnigen Kritikers angeführt. Die Handschriften einzelner Gedichte von Goethe selbst und andern werden bei diesen angegeben; übersichtlicher wäre es gewesen, wenn alle, und zwar die Autographen von den Abschriften gesondert, genau verzeichnet würden, besonders auch die wichtigen Notizhefte Goethes, deren erst später gedacht ist. Gehen wir zum Texte der Gedichte über, so haben wir die Genauigkeit des Druckes zu rühmen, die freilich bei der bedeutenden Hilfe, über welche die Redaktion, die auch einen Generalkorrektor in Professor Seuffert besitzt, zu verfügen hat, leichter zu erreichen war. Den Druckfehler gedrückt statt ge¬ druckt 314, 138 hat der Herausgeber selbst angezeigt, nicht aber den ähnlichen 341, 115. Freilich sind manche Druckfehler der Ausgabe letzter Hand beseitigt, aber bei weitem nicht alle; die Satzzeichnung ist mehrfach verbessert, aber nicht durchgehend (so haben sich u. a. manche unnötige Kommas erhalten), eine Gleich¬ heit der Schreibung nicht überall hergestellt (wie man noch 90, 26 verguldet liest neben vergoldetem 179, 44). Zuweilen sind durch L hereingebrachte oder von L verschuldete oder schon ältere Druckfehler nicht verbessert, wie 156, 3 f. hörte, das den Sinn stört, statt höre, 173, 46 das harte mit so viel Sorgen (statt Sorge) warten, 175, 81 das verswidrige lebendig geblieben, wo blieben handschriftlich feststeht, 181, 9 das gegen Goethes Sprachgebrauch verstoßende Kreis' um Kreise, wo richtig an erster Stelle Kreis im ältesten Druck stand, 284, 78 das sprachwidrige dem (statt den) köstlichen Schatz, 338, 64 an (statt als) ein Vollendetes. Wir müssen uns auf wenige Bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/94>, abgerufen am 27.06.2024.