Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche. lungen auf die Kurie, "welche ihr die Gewißheit geben würden, daß sie bei Doch ein weiteres Fortspiunen dieser Betrachtung würde von unserm Wie man also mit der katholischen Kirche dran ist, wenn sie von ihrem Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche. lungen auf die Kurie, „welche ihr die Gewißheit geben würden, daß sie bei Doch ein weiteres Fortspiunen dieser Betrachtung würde von unserm Wie man also mit der katholischen Kirche dran ist, wenn sie von ihrem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202169"/> <fw type="header" place="top"> Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche.</fw><lb/> <p xml:id="ID_238" prev="#ID_237"> lungen auf die Kurie, „welche ihr die Gewißheit geben würden, daß sie bei<lb/> etwa beabsichtigten Ausschreitungen einem entschiednen Widerstande der deutschen<lb/> Regierungen begegnen werde," Ob nun der Widerstand Bismarcks im Kultur¬<lb/> kämpfe schließlich hätte entschiedner sein können, ob er ihn selbst anfangs ent-<lb/> schiedner gewollt hat, als es am Ende geschehen ist, darüber können wir jede<lb/> Erörterung umso eher unterlassen, als so viel feststeht, daß die Verfassung der<lb/> Geister in Deutschland weder einen größern noch dauernden Widerstand zuließ.<lb/> Auch wenn der Kanzler ein andres Ergebnis ins Auge gefaßt gehabt Hütte,<lb/> als schließlich erreicht worden ist, könnte man jedenfalls nur das eine sagen,<lb/> daß er einen Posten in seiner Rechnung nicht hoch genug angeschlagen hat:<lb/> die Bornirtheit der Menschen, oder genauer, der katholischen Massen einerseits<lb/> und der Fortschrittsdoktrinäre anderseits. Wenn Bismarck in seiner Jnstruktions-<lb/> depesche an den Gesandten in Rom vom 5. Januar 1870 die denkwürdigen und<lb/> auf die politische Reife des deutschen Volkes vertrauenden Worte schrieb: „Wir<lb/> haben die Gewißheit, auf dem Felde der Gesetzgebung, unterstützt von der Macht<lb/> der öffentlichen Meinung und dem ausgebildeten staatlichen Bewußtsein der<lb/> Nation, die Mittel zu finden, um jede Krisis zu überwinden und die gegnerischen<lb/> Ansprüche auf das Maß zurückzuführen, welches sich mit unserm Staatsleben<lb/> verträgt. Wir sind in Norddeutschland des nationalen und politischen Bewußt¬<lb/> seins, auch der katholischen Bevölkerung in ihrer Mehrheit, sicher, und haben<lb/> in der überwiegenden Mehrheit der evangelischen Kirche einen Stützpunkt, welcher<lb/> den Regierungen rein oder wesentlich katholischer Länder fehlt. Es bedarf für<lb/> uns der Versicherung des Papstes, daß dnrch die Ergebnisse des Konzils die<lb/> hergebrachten und festgestellten Beziehungen der Kurie zu den Regierungen nicht<lb/> geändert werden sollten, in keiner Weise. Jeder Versuch, diese umzugestalten,<lb/> würde schließlich nicht zu unserm Nachteile ausfallen," wenn Bismarck so<lb/> sprach, wer will ihm einen Vorwurf daraus machen, daß dieses hochsinnige<lb/> Vertrauen sich nicht so bewährt hat, wie es der Aufschwung, den die neuver¬<lb/> jüngte Nation gewonnen hatte, erwarten ließ, damals, als das Drohen des<lb/> blöden Hödur noch schadlos zu sein schien?</p><lb/> <p xml:id="ID_239"> Doch ein weiteres Fortspiunen dieser Betrachtung würde von unserm<lb/> Thema abbringen. Fest steht soviel: Der moderne Staat kann nicht zugestehen,<lb/> daß die Normen, welche sein Verhältnis zur Kirche feststellen, nicht in letzter<lb/> Instanz seiner Entscheidung vorbehalten bleiben müssen. Die ganze Geschichte<lb/> des Kaisertums im Mittelalter zeigt, daß es eben nicht zwei Herren neben ein¬<lb/> ander im Staate geben kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_240" next="#ID_241"> Wie man also mit der katholischen Kirche dran ist, wenn sie von ihrem<lb/> Rechte, von ihrer Freiheit und Selbständigkeit spricht, das weiß man, und jeder<lb/> Staatsmann, auch wenn er Frieden mit ihr schließt, muß sich immer darauf<lb/> einrichten, daß er mit ihr nur einen „Präliminarvcrtrag mit Waffenstillstand<lb/> und Demarkationslinie" hat, um die Worte des Grafen Ballestrem, des Pra-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche.
lungen auf die Kurie, „welche ihr die Gewißheit geben würden, daß sie bei
etwa beabsichtigten Ausschreitungen einem entschiednen Widerstande der deutschen
Regierungen begegnen werde," Ob nun der Widerstand Bismarcks im Kultur¬
kämpfe schließlich hätte entschiedner sein können, ob er ihn selbst anfangs ent-
schiedner gewollt hat, als es am Ende geschehen ist, darüber können wir jede
Erörterung umso eher unterlassen, als so viel feststeht, daß die Verfassung der
Geister in Deutschland weder einen größern noch dauernden Widerstand zuließ.
Auch wenn der Kanzler ein andres Ergebnis ins Auge gefaßt gehabt Hütte,
als schließlich erreicht worden ist, könnte man jedenfalls nur das eine sagen,
daß er einen Posten in seiner Rechnung nicht hoch genug angeschlagen hat:
die Bornirtheit der Menschen, oder genauer, der katholischen Massen einerseits
und der Fortschrittsdoktrinäre anderseits. Wenn Bismarck in seiner Jnstruktions-
depesche an den Gesandten in Rom vom 5. Januar 1870 die denkwürdigen und
auf die politische Reife des deutschen Volkes vertrauenden Worte schrieb: „Wir
haben die Gewißheit, auf dem Felde der Gesetzgebung, unterstützt von der Macht
der öffentlichen Meinung und dem ausgebildeten staatlichen Bewußtsein der
Nation, die Mittel zu finden, um jede Krisis zu überwinden und die gegnerischen
Ansprüche auf das Maß zurückzuführen, welches sich mit unserm Staatsleben
verträgt. Wir sind in Norddeutschland des nationalen und politischen Bewußt¬
seins, auch der katholischen Bevölkerung in ihrer Mehrheit, sicher, und haben
in der überwiegenden Mehrheit der evangelischen Kirche einen Stützpunkt, welcher
den Regierungen rein oder wesentlich katholischer Länder fehlt. Es bedarf für
uns der Versicherung des Papstes, daß dnrch die Ergebnisse des Konzils die
hergebrachten und festgestellten Beziehungen der Kurie zu den Regierungen nicht
geändert werden sollten, in keiner Weise. Jeder Versuch, diese umzugestalten,
würde schließlich nicht zu unserm Nachteile ausfallen," wenn Bismarck so
sprach, wer will ihm einen Vorwurf daraus machen, daß dieses hochsinnige
Vertrauen sich nicht so bewährt hat, wie es der Aufschwung, den die neuver¬
jüngte Nation gewonnen hatte, erwarten ließ, damals, als das Drohen des
blöden Hödur noch schadlos zu sein schien?
Doch ein weiteres Fortspiunen dieser Betrachtung würde von unserm
Thema abbringen. Fest steht soviel: Der moderne Staat kann nicht zugestehen,
daß die Normen, welche sein Verhältnis zur Kirche feststellen, nicht in letzter
Instanz seiner Entscheidung vorbehalten bleiben müssen. Die ganze Geschichte
des Kaisertums im Mittelalter zeigt, daß es eben nicht zwei Herren neben ein¬
ander im Staate geben kann.
Wie man also mit der katholischen Kirche dran ist, wenn sie von ihrem
Rechte, von ihrer Freiheit und Selbständigkeit spricht, das weiß man, und jeder
Staatsmann, auch wenn er Frieden mit ihr schließt, muß sich immer darauf
einrichten, daß er mit ihr nur einen „Präliminarvcrtrag mit Waffenstillstand
und Demarkationslinie" hat, um die Worte des Grafen Ballestrem, des Pra-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |