Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Getreu bis in den Tod, schaft der Schablone wechselnder Parlamentsmehrheiten opfern würde. Die Ihn hat in seiner schönen, gleichmäßigen Natur so wenig die UnPopularität Getreu bis in den Tod, schaft der Schablone wechselnder Parlamentsmehrheiten opfern würde. Die Ihn hat in seiner schönen, gleichmäßigen Natur so wenig die UnPopularität <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202678"/> <fw type="header" place="top"> Getreu bis in den Tod,</fw><lb/> <p xml:id="ID_2124" prev="#ID_2123"> schaft der Schablone wechselnder Parlamentsmehrheiten opfern würde. Die<lb/> spätere Regierungszeit des deutschen Kaisers ist reich an Licht und Ruhm, was<lb/> er als Feldherr und Gesetzgeber geleistet hat, das wird in der Geschichte Deutsch¬<lb/> lands niemals vergessen werden. Aber in keiner Zeit war König Wilhelm<lb/> größer und bewunderungswerter, als in der des Verfassungskonflikts, während<lb/> dessen er Jahre lang — im wesentlichen nur von seinem Ministerpräsidenten<lb/> von Bismarck unterstützt — die öffentliche Meinung zur gehässigen Widersachern,<lb/> hatte. Es war die Pflicht seines Königsamtes, die ihn jede Anfeindung uner¬<lb/> schütterlich ertragen ließ, er war so sehr durchdrungen von der Notwendigkeit<lb/> seiner Pläne, daß nicht Bitten in der Familie, nicht Drohungen der Agitatoren<lb/> ihn von dem, was er als Pflicht erkannt hatte, abwendig machen konnten.<lb/> Dem Wohl des Staates opferte der König die Traditionen seines Hauses wie<lb/> seine eignen Neigungen; König Wilhelm hat entgegen den Überlieferungen seiner<lb/> Vorfahren den Krieg mit Osterreich im Jahre 1866 begonnen, da er ihn für<lb/> das einzige Heilmittel für die Krankheit halten mußte, an welcher Deutschland<lb/> litt; ebenso hat Kaiser Wilhelm das Opfer seiner persönlichen Vorliebe für Ru߬<lb/> land gebracht, als sich ein Bündnis mit Österreich für notwendig erwies.</p><lb/> <p xml:id="ID_2125" next="#ID_2126"> Ihn hat in seiner schönen, gleichmäßigen Natur so wenig die UnPopularität<lb/> erschüttert, wie die spätere Liebe seines großen Volkes schwankend gemacht. Und<lb/> fürwahr grenzenlos war diese Liebe, als der Sieg der Waffen in Böhmen den<lb/> Norddeutschen Bund und die Niederwerfung französischen Übermutes das deutsche<lb/> Reich ins Leben riefen. Obwohl durch und durch, vom Scheitel bis zur Sohle,<lb/> ein Kriegsmann, ist Kaiser Wilhelm ein Friedensfürst gewesen, der bescheiden<lb/> trotz seiner Erfolge während der letzten siebzehn Jahre allen Versuchungen<lb/> Widerstand leistete und den Völkern Europas den Frieden erhielt. Und weil<lb/> er der Friedensfürst gewesen, deshalb findet unser Schmerz und unsre Klage<lb/> bei unsern Freunden und Verbündeten einen lebhaften Wiederhall und bei unsern<lb/> Widersachern und Gegnern rücksichtsvolle Achtung. Und nicht nur nach außen,<lb/> auch im Innern hat Kaiser Wilhelm den Frieden der durch die Klassengegen¬<lb/> sätze zerklüfteten Gesellschaft zu fördern und zu wahren gesucht. Die Gründung<lb/> des deutschen Reiches, die Gefangennahme Napoleons bei Sedan, die Kaiser¬<lb/> krönung in Versailles mögen Ereignisse sein, welche in den Augen der großen,<lb/> nach äußern Erfolgen urteilenden Menge Kaiser Wilhelm einem Cäsar, Karl<lb/> dem Großen und Barbarossa gleichstellen. Die sozialpolitische Gesetzgebung des<lb/> Reiches mit ihrer Kranken- und Unfallversicherung erhebt den verstorbenen Kaiser<lb/> M den ersten Staatsmännern; ist es ihm auch nicht vergönnt gewesen, das<lb/> Gebäude durch das Gesetz über die Altersversicherung der Arbeiter zu krönen,<lb/> s» hat er doch deren Grundzüge schon feststellen können, und wie das Preußische<lb/> Allgemeine Landrecht ein Werk Friedrichs des Großen bleibt, obwohl es erst<lb/> von seinem Nachfolger verkündet wurde, so wird die sozialpolitische Gesetzgebung<lb/> ewig und unvergänglich mit dem Namen des deutschen Kaiser Wilhelms ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
Getreu bis in den Tod,
schaft der Schablone wechselnder Parlamentsmehrheiten opfern würde. Die
spätere Regierungszeit des deutschen Kaisers ist reich an Licht und Ruhm, was
er als Feldherr und Gesetzgeber geleistet hat, das wird in der Geschichte Deutsch¬
lands niemals vergessen werden. Aber in keiner Zeit war König Wilhelm
größer und bewunderungswerter, als in der des Verfassungskonflikts, während
dessen er Jahre lang — im wesentlichen nur von seinem Ministerpräsidenten
von Bismarck unterstützt — die öffentliche Meinung zur gehässigen Widersachern,
hatte. Es war die Pflicht seines Königsamtes, die ihn jede Anfeindung uner¬
schütterlich ertragen ließ, er war so sehr durchdrungen von der Notwendigkeit
seiner Pläne, daß nicht Bitten in der Familie, nicht Drohungen der Agitatoren
ihn von dem, was er als Pflicht erkannt hatte, abwendig machen konnten.
Dem Wohl des Staates opferte der König die Traditionen seines Hauses wie
seine eignen Neigungen; König Wilhelm hat entgegen den Überlieferungen seiner
Vorfahren den Krieg mit Osterreich im Jahre 1866 begonnen, da er ihn für
das einzige Heilmittel für die Krankheit halten mußte, an welcher Deutschland
litt; ebenso hat Kaiser Wilhelm das Opfer seiner persönlichen Vorliebe für Ru߬
land gebracht, als sich ein Bündnis mit Österreich für notwendig erwies.
Ihn hat in seiner schönen, gleichmäßigen Natur so wenig die UnPopularität
erschüttert, wie die spätere Liebe seines großen Volkes schwankend gemacht. Und
fürwahr grenzenlos war diese Liebe, als der Sieg der Waffen in Böhmen den
Norddeutschen Bund und die Niederwerfung französischen Übermutes das deutsche
Reich ins Leben riefen. Obwohl durch und durch, vom Scheitel bis zur Sohle,
ein Kriegsmann, ist Kaiser Wilhelm ein Friedensfürst gewesen, der bescheiden
trotz seiner Erfolge während der letzten siebzehn Jahre allen Versuchungen
Widerstand leistete und den Völkern Europas den Frieden erhielt. Und weil
er der Friedensfürst gewesen, deshalb findet unser Schmerz und unsre Klage
bei unsern Freunden und Verbündeten einen lebhaften Wiederhall und bei unsern
Widersachern und Gegnern rücksichtsvolle Achtung. Und nicht nur nach außen,
auch im Innern hat Kaiser Wilhelm den Frieden der durch die Klassengegen¬
sätze zerklüfteten Gesellschaft zu fördern und zu wahren gesucht. Die Gründung
des deutschen Reiches, die Gefangennahme Napoleons bei Sedan, die Kaiser¬
krönung in Versailles mögen Ereignisse sein, welche in den Augen der großen,
nach äußern Erfolgen urteilenden Menge Kaiser Wilhelm einem Cäsar, Karl
dem Großen und Barbarossa gleichstellen. Die sozialpolitische Gesetzgebung des
Reiches mit ihrer Kranken- und Unfallversicherung erhebt den verstorbenen Kaiser
M den ersten Staatsmännern; ist es ihm auch nicht vergönnt gewesen, das
Gebäude durch das Gesetz über die Altersversicherung der Arbeiter zu krönen,
s» hat er doch deren Grundzüge schon feststellen können, und wie das Preußische
Allgemeine Landrecht ein Werk Friedrichs des Großen bleibt, obwohl es erst
von seinem Nachfolger verkündet wurde, so wird die sozialpolitische Gesetzgebung
ewig und unvergänglich mit dem Namen des deutschen Kaiser Wilhelms ver-
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