Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Die Arbeiterausstände in dem Steinkohlenbecken pennsylvaniens. le Vereinigten Staaten haben ihr Mittelalter noch vor sich. Sie Daß sich die Umgestaltung der Gesellschaft (und damit später die des Staates) Die Arbeiterausstände in dem Steinkohlenbecken pennsylvaniens. le Vereinigten Staaten haben ihr Mittelalter noch vor sich. Sie Daß sich die Umgestaltung der Gesellschaft (und damit später die des Staates) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202592"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_202098/figures/grenzboten_341847_202098_202592_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Arbeiterausstände<lb/> in dem Steinkohlenbecken pennsylvaniens.</head><lb/> <p xml:id="ID_1838"> le Vereinigten Staaten haben ihr Mittelalter noch vor sich. Sie<lb/> haben keine „verfallenen Schlösser," noch stört sie im Innern<lb/> „unnützes Erinnern und vergeblicher Streit," mit welchen nach<lb/> Goethe „unser Kontinent, das alte" sich abmüht. Amerika lebt<lb/> der Gegenwart, und zwar so ausschließlich, daß es sich um die<lb/> Zukunft nicht ernstlich kümmert, daß es die Folgerungen aus seiner gegen¬<lb/> wärtigen Entwicklung nicht zieht noch ziehen will. Der große Haufe trabt<lb/> noch immer im Geschirr zweier veralteten politischen Parteien einher und glaubt<lb/> in der alle vier Jahre sich wiederholenden Präsidentenwahl einen Wendepunkt<lb/> seiner Geschichte zu haben, während sich dadurch in Wahrheit nichts verändert<lb/> als die Inhaberschaft der hunderttausend Bundes- und Staatsämter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1839" next="#ID_1840"> Daß sich die Umgestaltung der Gesellschaft (und damit später die des Staates)<lb/> in ganz andrer Weise und in scheinbar ganz unpolitischen Kreisen und Schichten<lb/> vollzieht, daß Gefahren weit ernsterer Art sich nicht allein in der Stille vor¬<lb/> bereitet haben, sondern bereits offen zu Tage treten, daß ein neues Mittelalter<lb/> heraufzieht, das an Rechtlosigkeit der Schwachen, Gewalthabers der Starken,<lb/> hinter Vorrechten verschanzten Sonderstellungen nur in der Form vom alten<lb/> Mittelalter sich unterscheidet, das will man drüben weder selbst anerkennen<lb/> noch andern zugeben. Hie und da bricht freilich eine Ahnung durch, daß der<lb/> alte Begriff des Staates als einer bloßen dürftigen Anstalt zum Schutze des<lb/> Eigentums und der äußern Ordnung sich überlebt hat, daß die alte poli¬<lb/> tische Maschinerie und die verschiedenen Bundes- und Staatsgcsetzgebungs-<lb/> mühlen der Hauptsache nach nur taube Nüsse mahlen, daß sie überhaupt zur<lb/> Bewältigung der neuen großen sozialpolitischen Aufgaben von ihren Gründern<lb/> weder beabsichtigt wurden, noch selbst mit ihr Wesen unverändert lassenden<lb/> Verbesserungen geeignet und fähig sind. Aber man hofft trotzdem, mit Hilfe<lb/> der äußersten Anspannung jener alten Gesetzsabriken die sogenannten Übergriffe<lb/> der alles bedrohenden neuen Gewalthaber von Geldes- und Freibriefgnaden in<lb/> gewisse Schranken bannen zu können, während man die sich dagegen bildenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0493]
[Abbildung]
Die Arbeiterausstände
in dem Steinkohlenbecken pennsylvaniens.
le Vereinigten Staaten haben ihr Mittelalter noch vor sich. Sie
haben keine „verfallenen Schlösser," noch stört sie im Innern
„unnützes Erinnern und vergeblicher Streit," mit welchen nach
Goethe „unser Kontinent, das alte" sich abmüht. Amerika lebt
der Gegenwart, und zwar so ausschließlich, daß es sich um die
Zukunft nicht ernstlich kümmert, daß es die Folgerungen aus seiner gegen¬
wärtigen Entwicklung nicht zieht noch ziehen will. Der große Haufe trabt
noch immer im Geschirr zweier veralteten politischen Parteien einher und glaubt
in der alle vier Jahre sich wiederholenden Präsidentenwahl einen Wendepunkt
seiner Geschichte zu haben, während sich dadurch in Wahrheit nichts verändert
als die Inhaberschaft der hunderttausend Bundes- und Staatsämter.
Daß sich die Umgestaltung der Gesellschaft (und damit später die des Staates)
in ganz andrer Weise und in scheinbar ganz unpolitischen Kreisen und Schichten
vollzieht, daß Gefahren weit ernsterer Art sich nicht allein in der Stille vor¬
bereitet haben, sondern bereits offen zu Tage treten, daß ein neues Mittelalter
heraufzieht, das an Rechtlosigkeit der Schwachen, Gewalthabers der Starken,
hinter Vorrechten verschanzten Sonderstellungen nur in der Form vom alten
Mittelalter sich unterscheidet, das will man drüben weder selbst anerkennen
noch andern zugeben. Hie und da bricht freilich eine Ahnung durch, daß der
alte Begriff des Staates als einer bloßen dürftigen Anstalt zum Schutze des
Eigentums und der äußern Ordnung sich überlebt hat, daß die alte poli¬
tische Maschinerie und die verschiedenen Bundes- und Staatsgcsetzgebungs-
mühlen der Hauptsache nach nur taube Nüsse mahlen, daß sie überhaupt zur
Bewältigung der neuen großen sozialpolitischen Aufgaben von ihren Gründern
weder beabsichtigt wurden, noch selbst mit ihr Wesen unverändert lassenden
Verbesserungen geeignet und fähig sind. Aber man hofft trotzdem, mit Hilfe
der äußersten Anspannung jener alten Gesetzsabriken die sogenannten Übergriffe
der alles bedrohenden neuen Gewalthaber von Geldes- und Freibriefgnaden in
gewisse Schranken bannen zu können, während man die sich dagegen bildenden
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