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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken.

zeichnung dem Leser keinen Anstoß boten, das Verständnis nicht hinderten;
dazu bedürfte es bloß der Durchführung der in der Druckerei angenommenen
Grundsätze und der sorgfältigen Überwachung zur möglichsten Vermeidung von
Druckfehlern. Seine Ausgaben sollten auf die Zeit wirken und deshalb auch
in allen Äußerlichkeiten dem gangbaren Gebrauch folgen, nicht darin eine die
Wirkung hindernde Eigentümlichkeit zeigen, die er nicht beanspruchte. Auch bei
der Ausgabe letzter Hand wünschte er keineswegs eine wesentliche Veränderung,
mit der einzigen Ausnahme, daß "etwa eine in früherer Zeit gewöhnliche allzu-
hcinfigc Interpunktion und Kvmmatisirung ausgelöscht und dadurch ein reinerer
Fluß des Vortrages bewirkt werde." In der zu Grunde gelegten Ausgabe L
war ihm aufgefallen, daß oft durch vorlaute Kommas das von einander getrennt
wurde, was zusammen gesprochen werden mußte; deshalb wollte er, daß man
die Kommas auf das Nötige beschränke. Sonst gestattete er Göttling, in dem
ihm "vergebenen, als Handschrift dienenden Drucke diese Äußerlichkeiten nach
seiner Weise zu ordnen, und er verließ sich auf den Faktor der Druckerei, der
möglichst die Gleichmäßigkeit herstellen werde. Wenn der erstere wegen des
Gebrauches des griechischen y, dessen Regelung ihm wichtig schien, besondre
Grundsätze aufstellte und zu diesen die Genehmigung des Dichters einholte, so
wollte er sich in Bezug darauf sicher stellen und einen Erlaß an die Druckerei
erwirken. Die neuen Redaktoren haben diese mit Recht über Bord geworfen,
obgleich Goethe ihre Beachtung angeordnet hatte, wie er denn meist Göttling,
der es verstehen müsse, ohne ängstliche Erwägung zustimmte. Unmöglich konnte
es ihm einfallen, den zeitweiligen Gebrauch der Rechtschreibung und Satzzeich¬
nung, den die Ausgabe letzter Hand befolgt, für alle Zeiten festnageln zu wollen.
Daß er über diese reinen Äußerlichkeiten sür die Zukunft keine Vorsorge traf,
war sehr natürlich; lMte er eine Bestimmung darüber treffen wollen, so konnte
diese nur dahin lauten, daß, wie zu seinen Lebzeiten, auch nach seinem Tode
der gangbaren Weise Rechnung getragen werde, damit seine Werke nicht in
veraltetem Gewände erschienen, sondern in diesen die Sprache und den Gedanken
nicht berührenden Äußerlichkeiten, um immer frisch zu wirken, der Zeit folgten.

In geradem Gegensatze hierzu hat die neue Ausgabe den veralteten Gebrauch
der zwanziger Jahre bestehen lassen mit Ausnahme des y, das uur noch in den
wenigen Fremdwörtern beibehalten werden sollte, wo es sich noch heute behauptet
habe, zu denen auch Styl und Sylbe gehören. So müssen wir denn alle die
störenden h vom Mahler bis zum Mährchen, von der Blüthe bis zur Fluth
und Gluth uns gefallen lassen, welche die neuere Zeit mit Recht ausgemerzt
hat, ja wir würden, wäre der Grundsatz streng befolgt, auch ächt, allmählig n. a.
zu unserm Ärger in der "Monumentalansgabe" Goethes lesen, wie wir noch Tact,
pünctlich. bei'in (das doch wohl auch ein a'in, i'in, zu'in, zu'r forderte)
wirklich finden. Es verlohnt nicht, darauf näher einzugehen. Wichtiger ist, daß
die Auswerfung des metrisch nicht zählenden e und i häufig unterbleibt, wo-


Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken.

zeichnung dem Leser keinen Anstoß boten, das Verständnis nicht hinderten;
dazu bedürfte es bloß der Durchführung der in der Druckerei angenommenen
Grundsätze und der sorgfältigen Überwachung zur möglichsten Vermeidung von
Druckfehlern. Seine Ausgaben sollten auf die Zeit wirken und deshalb auch
in allen Äußerlichkeiten dem gangbaren Gebrauch folgen, nicht darin eine die
Wirkung hindernde Eigentümlichkeit zeigen, die er nicht beanspruchte. Auch bei
der Ausgabe letzter Hand wünschte er keineswegs eine wesentliche Veränderung,
mit der einzigen Ausnahme, daß „etwa eine in früherer Zeit gewöhnliche allzu-
hcinfigc Interpunktion und Kvmmatisirung ausgelöscht und dadurch ein reinerer
Fluß des Vortrages bewirkt werde." In der zu Grunde gelegten Ausgabe L
war ihm aufgefallen, daß oft durch vorlaute Kommas das von einander getrennt
wurde, was zusammen gesprochen werden mußte; deshalb wollte er, daß man
die Kommas auf das Nötige beschränke. Sonst gestattete er Göttling, in dem
ihm »vergebenen, als Handschrift dienenden Drucke diese Äußerlichkeiten nach
seiner Weise zu ordnen, und er verließ sich auf den Faktor der Druckerei, der
möglichst die Gleichmäßigkeit herstellen werde. Wenn der erstere wegen des
Gebrauches des griechischen y, dessen Regelung ihm wichtig schien, besondre
Grundsätze aufstellte und zu diesen die Genehmigung des Dichters einholte, so
wollte er sich in Bezug darauf sicher stellen und einen Erlaß an die Druckerei
erwirken. Die neuen Redaktoren haben diese mit Recht über Bord geworfen,
obgleich Goethe ihre Beachtung angeordnet hatte, wie er denn meist Göttling,
der es verstehen müsse, ohne ängstliche Erwägung zustimmte. Unmöglich konnte
es ihm einfallen, den zeitweiligen Gebrauch der Rechtschreibung und Satzzeich¬
nung, den die Ausgabe letzter Hand befolgt, für alle Zeiten festnageln zu wollen.
Daß er über diese reinen Äußerlichkeiten sür die Zukunft keine Vorsorge traf,
war sehr natürlich; lMte er eine Bestimmung darüber treffen wollen, so konnte
diese nur dahin lauten, daß, wie zu seinen Lebzeiten, auch nach seinem Tode
der gangbaren Weise Rechnung getragen werde, damit seine Werke nicht in
veraltetem Gewände erschienen, sondern in diesen die Sprache und den Gedanken
nicht berührenden Äußerlichkeiten, um immer frisch zu wirken, der Zeit folgten.

In geradem Gegensatze hierzu hat die neue Ausgabe den veralteten Gebrauch
der zwanziger Jahre bestehen lassen mit Ausnahme des y, das uur noch in den
wenigen Fremdwörtern beibehalten werden sollte, wo es sich noch heute behauptet
habe, zu denen auch Styl und Sylbe gehören. So müssen wir denn alle die
störenden h vom Mahler bis zum Mährchen, von der Blüthe bis zur Fluth
und Gluth uns gefallen lassen, welche die neuere Zeit mit Recht ausgemerzt
hat, ja wir würden, wäre der Grundsatz streng befolgt, auch ächt, allmählig n. a.
zu unserm Ärger in der „Monumentalansgabe" Goethes lesen, wie wir noch Tact,
pünctlich. bei'in (das doch wohl auch ein a'in, i'in, zu'in, zu'r forderte)
wirklich finden. Es verlohnt nicht, darauf näher einzugehen. Wichtiger ist, daß
die Auswerfung des metrisch nicht zählenden e und i häufig unterbleibt, wo-


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[0045] Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken. zeichnung dem Leser keinen Anstoß boten, das Verständnis nicht hinderten; dazu bedürfte es bloß der Durchführung der in der Druckerei angenommenen Grundsätze und der sorgfältigen Überwachung zur möglichsten Vermeidung von Druckfehlern. Seine Ausgaben sollten auf die Zeit wirken und deshalb auch in allen Äußerlichkeiten dem gangbaren Gebrauch folgen, nicht darin eine die Wirkung hindernde Eigentümlichkeit zeigen, die er nicht beanspruchte. Auch bei der Ausgabe letzter Hand wünschte er keineswegs eine wesentliche Veränderung, mit der einzigen Ausnahme, daß „etwa eine in früherer Zeit gewöhnliche allzu- hcinfigc Interpunktion und Kvmmatisirung ausgelöscht und dadurch ein reinerer Fluß des Vortrages bewirkt werde." In der zu Grunde gelegten Ausgabe L war ihm aufgefallen, daß oft durch vorlaute Kommas das von einander getrennt wurde, was zusammen gesprochen werden mußte; deshalb wollte er, daß man die Kommas auf das Nötige beschränke. Sonst gestattete er Göttling, in dem ihm »vergebenen, als Handschrift dienenden Drucke diese Äußerlichkeiten nach seiner Weise zu ordnen, und er verließ sich auf den Faktor der Druckerei, der möglichst die Gleichmäßigkeit herstellen werde. Wenn der erstere wegen des Gebrauches des griechischen y, dessen Regelung ihm wichtig schien, besondre Grundsätze aufstellte und zu diesen die Genehmigung des Dichters einholte, so wollte er sich in Bezug darauf sicher stellen und einen Erlaß an die Druckerei erwirken. Die neuen Redaktoren haben diese mit Recht über Bord geworfen, obgleich Goethe ihre Beachtung angeordnet hatte, wie er denn meist Göttling, der es verstehen müsse, ohne ängstliche Erwägung zustimmte. Unmöglich konnte es ihm einfallen, den zeitweiligen Gebrauch der Rechtschreibung und Satzzeich¬ nung, den die Ausgabe letzter Hand befolgt, für alle Zeiten festnageln zu wollen. Daß er über diese reinen Äußerlichkeiten sür die Zukunft keine Vorsorge traf, war sehr natürlich; lMte er eine Bestimmung darüber treffen wollen, so konnte diese nur dahin lauten, daß, wie zu seinen Lebzeiten, auch nach seinem Tode der gangbaren Weise Rechnung getragen werde, damit seine Werke nicht in veraltetem Gewände erschienen, sondern in diesen die Sprache und den Gedanken nicht berührenden Äußerlichkeiten, um immer frisch zu wirken, der Zeit folgten. In geradem Gegensatze hierzu hat die neue Ausgabe den veralteten Gebrauch der zwanziger Jahre bestehen lassen mit Ausnahme des y, das uur noch in den wenigen Fremdwörtern beibehalten werden sollte, wo es sich noch heute behauptet habe, zu denen auch Styl und Sylbe gehören. So müssen wir denn alle die störenden h vom Mahler bis zum Mährchen, von der Blüthe bis zur Fluth und Gluth uns gefallen lassen, welche die neuere Zeit mit Recht ausgemerzt hat, ja wir würden, wäre der Grundsatz streng befolgt, auch ächt, allmählig n. a. zu unserm Ärger in der „Monumentalansgabe" Goethes lesen, wie wir noch Tact, pünctlich. bei'in (das doch wohl auch ein a'in, i'in, zu'in, zu'r forderte) wirklich finden. Es verlohnt nicht, darauf näher einzugehen. Wichtiger ist, daß die Auswerfung des metrisch nicht zählenden e und i häufig unterbleibt, wo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/45>, abgerufen am 21.06.2024.