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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski,

Scheiden? rief er, und schüttelte ihre Hand ungeduldig ab. Wer spricht
gleich von scheiden! Habe ichs doch immer gut mit dir gemeint! Wirst du
gleich aufsässig, weil ich nicht will, daß du sollst Hand in Hand mit den Un¬
gläubigen gehen? Geht dich der David etwas an? Dn hast ihn zu Leuten
seines Glaubens geführt, ich habe nichts dagegen gesagt, gut -- er ist auf¬
gehoben und versorgt, besser, als er es verdient. Bleibe du nun auch bei denen,
zu deuen du gehörst. Er ist, wo er hingehört, was willst du noch mehr?

Mit gesenktem Haupte hatte Jeschkci seinen Worten zugehört. Ich muß
fort, sagte sie aufblickend, mit einer ruhigen Festigkeit, die Rüben verdroß.

Fort? schrie er aufspringend. Mögest du so gesund bleiben, als ich dich
gewiß nicht fort lasse! Wohin willst du denn? Hat dir jemand ein Haus
angeboten? Will dich jemand heiraten? ,

Jeschka schüttelte den Kopf.

Nun, was willst dn denn da fort? Denkst du, die Welt sei nur el"
schöner Blumengarten, in dem es sich nach Belieben herumspazieren läßt? Ja,
Blumen giebt es Wohl, aber wenig eßbare Früchte, wenn man nicht versteht,
sie herauszufinden und für sich zu pflücken. Er lachte wohlgefällig über seinen
Witz, hatte er doch verstanden, die Früchte zu pflücken. Rede mir nicht wieder
von Fortgehen, fuhr er dann in besserer Stimmung fort, du möchtest es bereuen,
und ich könnte vergessen, dich zum Wiederkommen einzuladen. So, jetzt werde
ich ins Geschäft gehen, um Geschäfte zu machen, und du wirst im Hause bleiben,
um das Häusliche zu versehen, und wenn ich heim komme, werden wir ver¬
gleichen, wer das Beste gethan hat. Der Atti ruft nach dir, geh hinein und
sag ihm, ich ließe ihn grüßen.

Damit eilte Rüben fort, trotz der spöttischen Worte, mit denen er sich den
Anschein gegeben hatte, als ob er nicht an Jeschkas Ernst glaube, doch sehr
in Unruhe wegen ihrer Äußerungen, deren Bedeutung er sich vergeblich klar
zu machen versuchte.

Es verging einige Zeit, dann ging Jeschka hinaus, von ihrem Vater be¬
gleitet. Er war alt und bedürfte oft der Hilfe, heute mußten seine Kräfte besser
als gewöhnlich sein, denn er begleitete seine Tochter sogar hinaus bis vor die
Hausschwelle. Dort sank sie auf die Kniee, und er legte seine Rechte auf ihr
Haupt, sah zum Himmel auf und sagte feierlich: Der Herr wird dich segnen
und behüten, denn du wandelst auf gutem Wege und thust, was Recht ist.
Seine Hand wird dich halten und dich leiten, und seine Hilfe wird mit
dir sein.

Dann schritt das Mädchen hinaus, und der Alte sah ihr nach, wie die
Strahlen der aufsteigenden Sonne einen lichten Schimmer um sie woben. Als
sie weiter ging, immer dem Lichte entgegen, blendete der helle Schein den Alten,
so daß er sich abwenden mußte, um seine thränenden Augen zu trocknen. Nun
war sie fort, nnr der lichte Sonnenschein lag dort, wo sie zuletzt gestanden


David Beronski,

Scheiden? rief er, und schüttelte ihre Hand ungeduldig ab. Wer spricht
gleich von scheiden! Habe ichs doch immer gut mit dir gemeint! Wirst du
gleich aufsässig, weil ich nicht will, daß du sollst Hand in Hand mit den Un¬
gläubigen gehen? Geht dich der David etwas an? Dn hast ihn zu Leuten
seines Glaubens geführt, ich habe nichts dagegen gesagt, gut — er ist auf¬
gehoben und versorgt, besser, als er es verdient. Bleibe du nun auch bei denen,
zu deuen du gehörst. Er ist, wo er hingehört, was willst du noch mehr?

Mit gesenktem Haupte hatte Jeschkci seinen Worten zugehört. Ich muß
fort, sagte sie aufblickend, mit einer ruhigen Festigkeit, die Rüben verdroß.

Fort? schrie er aufspringend. Mögest du so gesund bleiben, als ich dich
gewiß nicht fort lasse! Wohin willst du denn? Hat dir jemand ein Haus
angeboten? Will dich jemand heiraten? ,

Jeschka schüttelte den Kopf.

Nun, was willst dn denn da fort? Denkst du, die Welt sei nur el»
schöner Blumengarten, in dem es sich nach Belieben herumspazieren läßt? Ja,
Blumen giebt es Wohl, aber wenig eßbare Früchte, wenn man nicht versteht,
sie herauszufinden und für sich zu pflücken. Er lachte wohlgefällig über seinen
Witz, hatte er doch verstanden, die Früchte zu pflücken. Rede mir nicht wieder
von Fortgehen, fuhr er dann in besserer Stimmung fort, du möchtest es bereuen,
und ich könnte vergessen, dich zum Wiederkommen einzuladen. So, jetzt werde
ich ins Geschäft gehen, um Geschäfte zu machen, und du wirst im Hause bleiben,
um das Häusliche zu versehen, und wenn ich heim komme, werden wir ver¬
gleichen, wer das Beste gethan hat. Der Atti ruft nach dir, geh hinein und
sag ihm, ich ließe ihn grüßen.

Damit eilte Rüben fort, trotz der spöttischen Worte, mit denen er sich den
Anschein gegeben hatte, als ob er nicht an Jeschkas Ernst glaube, doch sehr
in Unruhe wegen ihrer Äußerungen, deren Bedeutung er sich vergeblich klar
zu machen versuchte.

Es verging einige Zeit, dann ging Jeschka hinaus, von ihrem Vater be¬
gleitet. Er war alt und bedürfte oft der Hilfe, heute mußten seine Kräfte besser
als gewöhnlich sein, denn er begleitete seine Tochter sogar hinaus bis vor die
Hausschwelle. Dort sank sie auf die Kniee, und er legte seine Rechte auf ihr
Haupt, sah zum Himmel auf und sagte feierlich: Der Herr wird dich segnen
und behüten, denn du wandelst auf gutem Wege und thust, was Recht ist.
Seine Hand wird dich halten und dich leiten, und seine Hilfe wird mit
dir sein.

Dann schritt das Mädchen hinaus, und der Alte sah ihr nach, wie die
Strahlen der aufsteigenden Sonne einen lichten Schimmer um sie woben. Als
sie weiter ging, immer dem Lichte entgegen, blendete der helle Schein den Alten,
so daß er sich abwenden mußte, um seine thränenden Augen zu trocknen. Nun
war sie fort, nnr der lichte Sonnenschein lag dort, wo sie zuletzt gestanden


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[0424] David Beronski, Scheiden? rief er, und schüttelte ihre Hand ungeduldig ab. Wer spricht gleich von scheiden! Habe ichs doch immer gut mit dir gemeint! Wirst du gleich aufsässig, weil ich nicht will, daß du sollst Hand in Hand mit den Un¬ gläubigen gehen? Geht dich der David etwas an? Dn hast ihn zu Leuten seines Glaubens geführt, ich habe nichts dagegen gesagt, gut — er ist auf¬ gehoben und versorgt, besser, als er es verdient. Bleibe du nun auch bei denen, zu deuen du gehörst. Er ist, wo er hingehört, was willst du noch mehr? Mit gesenktem Haupte hatte Jeschkci seinen Worten zugehört. Ich muß fort, sagte sie aufblickend, mit einer ruhigen Festigkeit, die Rüben verdroß. Fort? schrie er aufspringend. Mögest du so gesund bleiben, als ich dich gewiß nicht fort lasse! Wohin willst du denn? Hat dir jemand ein Haus angeboten? Will dich jemand heiraten? , Jeschka schüttelte den Kopf. Nun, was willst dn denn da fort? Denkst du, die Welt sei nur el» schöner Blumengarten, in dem es sich nach Belieben herumspazieren läßt? Ja, Blumen giebt es Wohl, aber wenig eßbare Früchte, wenn man nicht versteht, sie herauszufinden und für sich zu pflücken. Er lachte wohlgefällig über seinen Witz, hatte er doch verstanden, die Früchte zu pflücken. Rede mir nicht wieder von Fortgehen, fuhr er dann in besserer Stimmung fort, du möchtest es bereuen, und ich könnte vergessen, dich zum Wiederkommen einzuladen. So, jetzt werde ich ins Geschäft gehen, um Geschäfte zu machen, und du wirst im Hause bleiben, um das Häusliche zu versehen, und wenn ich heim komme, werden wir ver¬ gleichen, wer das Beste gethan hat. Der Atti ruft nach dir, geh hinein und sag ihm, ich ließe ihn grüßen. Damit eilte Rüben fort, trotz der spöttischen Worte, mit denen er sich den Anschein gegeben hatte, als ob er nicht an Jeschkas Ernst glaube, doch sehr in Unruhe wegen ihrer Äußerungen, deren Bedeutung er sich vergeblich klar zu machen versuchte. Es verging einige Zeit, dann ging Jeschka hinaus, von ihrem Vater be¬ gleitet. Er war alt und bedürfte oft der Hilfe, heute mußten seine Kräfte besser als gewöhnlich sein, denn er begleitete seine Tochter sogar hinaus bis vor die Hausschwelle. Dort sank sie auf die Kniee, und er legte seine Rechte auf ihr Haupt, sah zum Himmel auf und sagte feierlich: Der Herr wird dich segnen und behüten, denn du wandelst auf gutem Wege und thust, was Recht ist. Seine Hand wird dich halten und dich leiten, und seine Hilfe wird mit dir sein. Dann schritt das Mädchen hinaus, und der Alte sah ihr nach, wie die Strahlen der aufsteigenden Sonne einen lichten Schimmer um sie woben. Als sie weiter ging, immer dem Lichte entgegen, blendete der helle Schein den Alten, so daß er sich abwenden mußte, um seine thränenden Augen zu trocknen. Nun war sie fort, nnr der lichte Sonnenschein lag dort, wo sie zuletzt gestanden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/424>, abgerufen am 28.09.2024.