Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Litteratur. Verhältnisse dieser Art haben ihre Quelle teilweise in sträflicher Gleichgiltig- Die "Versuche über das kaiserliche Deutschland" von Ernst Lapisse S. 264: "Es ist eine Tradition im Hause der Hohenzollern, daß sich der S. 269: "Alle Hunde in Berlin müssen Maulkörbe tragen. Es ist keine S. 270: "Vor kurzem fiel in Berlin ein Student im Duell. Seine Korps¬ Litteratur. Geschichte der christlichen Ethik. Von or. Theobald Ziegler, ort, Prof. der Philo¬ Der Verfasser behandelt ein theologisches Thema als Philosoph. Das ist Litteratur. Verhältnisse dieser Art haben ihre Quelle teilweise in sträflicher Gleichgiltig- Die „Versuche über das kaiserliche Deutschland" von Ernst Lapisse S. 264: „Es ist eine Tradition im Hause der Hohenzollern, daß sich der S. 269: „Alle Hunde in Berlin müssen Maulkörbe tragen. Es ist keine S. 270: „Vor kurzem fiel in Berlin ein Student im Duell. Seine Korps¬ Litteratur. Geschichte der christlichen Ethik. Von or. Theobald Ziegler, ort, Prof. der Philo¬ Der Verfasser behandelt ein theologisches Thema als Philosoph. Das ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202482"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1428"> Verhältnisse dieser Art haben ihre Quelle teilweise in sträflicher Gleichgiltig-<lb/> keit, teilweise in großem Mangel an Mut und Ehrgefühl. Das „Gehenlassen"<lb/> sollte doch ein Ende haben, wenn die Zustände zu haarsträubend erscheinen, und<lb/> wenn Pflicht und Gewissen es gebieterisch fordern, einzuschreiten. Daß eine ganze<lb/> deutsche Stadt sich ihr Fleisch durch die Hemd des Juden zubereiten läßt, das<lb/> scheint uns doch etwas über den Humor zu gehen, wenn auch der eine oder der<lb/> andre Wohl geneigt sein möchte, mit einigem Humor sich in sein für „koscher" er¬<lb/> klärtes Schicksal zu fügen. Mancher macht wohl im Stillen eine Faust im Sack,<lb/> und wenn mau ganz „unter sich" ist, bricht der Unmut wider die Unverschämtheit<lb/> und Zudringlichkeit Israels los. Selbst unter den Führern des Fortschritts kommt<lb/> alsdann der Unwille über die jüdische Anmaßung zum Ausbruch; aber wo sind die<lb/> Männer, die es mit Mut und Ehrgefühl auch in der Oeffentlichkeit thun? Möchten<lb/> sie bald auch in der Provinzialhaupt- und Universitätsstadt — Gießen an der Lahn<lb/> zu finden sein!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die „Versuche über das kaiserliche Deutschland"</head> <p xml:id="ID_1429"> von Ernst Lapisse<lb/> erscheinen der Tagespresse als ein ausnahmsweise unparteiisches und lobenswertes<lb/> Buch eines Franzosen über Deutschland. Sehr genau können sich die Herren,<lb/> welche Lapisse so sehr loben, das Werk nicht angesehen haben. Wir geben im<lb/> folgenden einige Proben von dem, was ein Franzose über Preußen weiß und seinen<lb/> Landsleuten zur Belehrung mitteilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1430"> S. 264: „Es ist eine Tradition im Hause der Hohenzollern, daß sich der<lb/> Fürst täglich den Bewohnern seiner Residenz zeigt. Friedrich der Große<lb/> wählte dazu den Augenblick, in welchem er sich rasirte: er hing einen<lb/> Spiegel am Fenster auf und hantirte vor aller Augen mit dem Rasir-<lb/> messer. Komödie! wird man ausrufen; ganz richtig, aber zu dem Handwerk eines<lb/> Fürsten gehört es, Vorstellungen zu geben, und die Vorstellungen der Preußischen<lb/> Könige kosten nicht viel."</p><lb/> <p xml:id="ID_1431"> S. 269: „Alle Hunde in Berlin müssen Maulkörbe tragen. Es ist keine<lb/> Ausnahme gestattet. Herr von Bismarck liebt seine Hunde, die immer um ihn<lb/> sind und ihn bewachen. Nichts auf Erden könnte ihn dazu bringen, ihnen Maul-<lb/> körbe anzulegen, als wären sie Eigentum des ersten Besten oder gewöhnlichen Sozial¬<lb/> demokraten. Er ist also, wie man mir mitteilt, um eine Ausnahme zu seinen<lb/> Gunsten eingekommen, ohne sie jedoch erlangen zu können. Deshalb geht er<lb/> nur selten aus und verläßt Berlin, sobald er nur kann."</p><lb/> <p xml:id="ID_1432"> S. 270: „Vor kurzem fiel in Berlin ein Student im Duell. Seine Korps¬<lb/> brüder bewachten seine Leiche vierundzwanzig Stunden lang, indem sie<lb/> dabei sangen und tranken."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Litteratur.</head><lb/> <p xml:id="ID_1433"> Geschichte der christlichen Ethik. Von or. Theobald Ziegler, ort, Prof. der Philo¬<lb/> sophie in Straßburg. Straßburg, Karl I. Trübner, 1886.</p><lb/> <p xml:id="ID_1434" next="#ID_1435"> Der Verfasser behandelt ein theologisches Thema als Philosoph. Das ist<lb/> an sich kein Schade, es kann vielmehr Von großem Nutzen sein, wenn theologische<lb/> Dinge einmal nicht durch die theologische Brille angesehen werden, und die Sache<lb/> muß es vertragen können, daß sie von neutralem Standpunkte aus angefaßt wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
Litteratur.
Verhältnisse dieser Art haben ihre Quelle teilweise in sträflicher Gleichgiltig-
keit, teilweise in großem Mangel an Mut und Ehrgefühl. Das „Gehenlassen"
sollte doch ein Ende haben, wenn die Zustände zu haarsträubend erscheinen, und
wenn Pflicht und Gewissen es gebieterisch fordern, einzuschreiten. Daß eine ganze
deutsche Stadt sich ihr Fleisch durch die Hemd des Juden zubereiten läßt, das
scheint uns doch etwas über den Humor zu gehen, wenn auch der eine oder der
andre Wohl geneigt sein möchte, mit einigem Humor sich in sein für „koscher" er¬
klärtes Schicksal zu fügen. Mancher macht wohl im Stillen eine Faust im Sack,
und wenn mau ganz „unter sich" ist, bricht der Unmut wider die Unverschämtheit
und Zudringlichkeit Israels los. Selbst unter den Führern des Fortschritts kommt
alsdann der Unwille über die jüdische Anmaßung zum Ausbruch; aber wo sind die
Männer, die es mit Mut und Ehrgefühl auch in der Oeffentlichkeit thun? Möchten
sie bald auch in der Provinzialhaupt- und Universitätsstadt — Gießen an der Lahn
zu finden sein!
Die „Versuche über das kaiserliche Deutschland" von Ernst Lapisse
erscheinen der Tagespresse als ein ausnahmsweise unparteiisches und lobenswertes
Buch eines Franzosen über Deutschland. Sehr genau können sich die Herren,
welche Lapisse so sehr loben, das Werk nicht angesehen haben. Wir geben im
folgenden einige Proben von dem, was ein Franzose über Preußen weiß und seinen
Landsleuten zur Belehrung mitteilt.
S. 264: „Es ist eine Tradition im Hause der Hohenzollern, daß sich der
Fürst täglich den Bewohnern seiner Residenz zeigt. Friedrich der Große
wählte dazu den Augenblick, in welchem er sich rasirte: er hing einen
Spiegel am Fenster auf und hantirte vor aller Augen mit dem Rasir-
messer. Komödie! wird man ausrufen; ganz richtig, aber zu dem Handwerk eines
Fürsten gehört es, Vorstellungen zu geben, und die Vorstellungen der Preußischen
Könige kosten nicht viel."
S. 269: „Alle Hunde in Berlin müssen Maulkörbe tragen. Es ist keine
Ausnahme gestattet. Herr von Bismarck liebt seine Hunde, die immer um ihn
sind und ihn bewachen. Nichts auf Erden könnte ihn dazu bringen, ihnen Maul-
körbe anzulegen, als wären sie Eigentum des ersten Besten oder gewöhnlichen Sozial¬
demokraten. Er ist also, wie man mir mitteilt, um eine Ausnahme zu seinen
Gunsten eingekommen, ohne sie jedoch erlangen zu können. Deshalb geht er
nur selten aus und verläßt Berlin, sobald er nur kann."
S. 270: „Vor kurzem fiel in Berlin ein Student im Duell. Seine Korps¬
brüder bewachten seine Leiche vierundzwanzig Stunden lang, indem sie
dabei sangen und tranken."
Litteratur.
Geschichte der christlichen Ethik. Von or. Theobald Ziegler, ort, Prof. der Philo¬
sophie in Straßburg. Straßburg, Karl I. Trübner, 1886.
Der Verfasser behandelt ein theologisches Thema als Philosoph. Das ist
an sich kein Schade, es kann vielmehr Von großem Nutzen sein, wenn theologische
Dinge einmal nicht durch die theologische Brille angesehen werden, und die Sache
muß es vertragen können, daß sie von neutralem Standpunkte aus angefaßt wird.
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