Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die De"kwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

nunft zu bringen, und stellte ihnen die Schrecken der Bundesexekution, von
der sie ereilt werden würden, in allernächste Aussicht. Im allgemeinen fand
ich die Neigung derselben nicht sehr groß, sich auf einen Kampf mit Feuer¬
gewehren einzulassen. Mein Minister von Stein, der sich die Affäre später
in Gotha erzählen ließ, schrieb mir am 15. Juli darüber: "Nach Brückners
Relationen haben Eure Hoheit den Krntziger ganz erobert, und soll derselbe
bei der Diskussion wie ein Braten geschwitzt haben." ... Die Vermittlung,
die ich übernahm, machte es freilich nötig, daß der Herzog ^den der Ver¬
mittler, wie es an andrer Stelle heißt, "wie einen Kranken behandeln müßtet
eine Art von Kapitulation unterschrieb, was er mit schwerem Herzen that.
Wenige Tage später nahm Seckendorf "zerrütteter Gesundheit halber" seine
Entlassung. Was die sachlichen Fragen anlangte, so war in der Konferenz,
welche der Herzog und ich mit den beiden Ministern von Planitz und John,
sowie später auch mit Krutziger abgehalten hatten, ein Protokoll festgestellt
worden, zufolge dessen die altenburgische Regierung aus alle Absichten verzichtete,
zu Gunsten des Königs von Sachsen abzudanken. Für den Fall, daß die Un¬
ruhen in Altenburg fortdauerten, übernahm ich es im agnatischen Interesse,
an die Bundeszentralgewalt zu appelliren und die Exekution zu verlangen.
Dagegen sollte auch die von Weimar beantragte Bildung eines thüringischen
Gesamtstaates nur insofern von der altenburgischen Regierung in Erwägung
genommen werden, als man für einen engern Verein der thüringischen Staaten
in Betreff der Verwaltung unbeschadet der Rechte des Reiches und der Zentral¬
gewalt zu wirken sich allerseits verpflichtet erachtete."

Über jenen Gesamtstaat, bei dem an eine Vergrößerung Weimars zu einem
"Königreich Thüringen" gedacht wurde, in welchem die kleinern Fürstlichkeiten
mit ihren Unterthanen aufgehen sollten, und andre Pläne der Art berichten
wir nach den interessanten, aber das gesamte Material nicht genügend verar¬
beitenden, nicht gutgeordneten und an Wiederholungen leidenden Mitteilungen
unsers Werkes in einem zweiten Abschnitte, um den Verfasser jetzt seinen Bericht
vollenden zu lassen. "Die Hauptursache meiner Vermittlung -- erzählt er --
blieb doch, daß der Herzog aus einer sehr abscheulichen Lage befreit und der
Bestand des Fürstentums in Altenburg gesichert blieb. Die lokalen Verhältnisse
besserten sich in den nächsten Wochen so, daß die konstitutionellen Vereine
wieder das Haupt erheben konnten. Der rasch emporgestiegne Löwe des Tages,
Herr Krutziger, fand es nachgerade für klüger, sich nach Deckung von rückwärts
einigermaßen umzusehen. Als ich am Tage nach der großen Vermittlung durch
die friedlich wieder geöffneten Thore des Altenburger Schlosses auf den Bahnhof
fuhr, war die ganze Bevölkerung auf den Beinen. Herr Krutziger, zwar noch
im Kostüme des Volksmannes mit dem Kalabreser und der roten Feder, hielt
die verbindlichsten Anreden und machte mir, wenn auch nicht mit weißer Kra-
vatte, doch trotz einem gewiegten Hofbeamten bei meiner Abfahrt die Honneurs."


Die De»kwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

nunft zu bringen, und stellte ihnen die Schrecken der Bundesexekution, von
der sie ereilt werden würden, in allernächste Aussicht. Im allgemeinen fand
ich die Neigung derselben nicht sehr groß, sich auf einen Kampf mit Feuer¬
gewehren einzulassen. Mein Minister von Stein, der sich die Affäre später
in Gotha erzählen ließ, schrieb mir am 15. Juli darüber: »Nach Brückners
Relationen haben Eure Hoheit den Krntziger ganz erobert, und soll derselbe
bei der Diskussion wie ein Braten geschwitzt haben.« ... Die Vermittlung,
die ich übernahm, machte es freilich nötig, daß der Herzog ^den der Ver¬
mittler, wie es an andrer Stelle heißt, »wie einen Kranken behandeln müßtet
eine Art von Kapitulation unterschrieb, was er mit schwerem Herzen that.
Wenige Tage später nahm Seckendorf »zerrütteter Gesundheit halber« seine
Entlassung. Was die sachlichen Fragen anlangte, so war in der Konferenz,
welche der Herzog und ich mit den beiden Ministern von Planitz und John,
sowie später auch mit Krutziger abgehalten hatten, ein Protokoll festgestellt
worden, zufolge dessen die altenburgische Regierung aus alle Absichten verzichtete,
zu Gunsten des Königs von Sachsen abzudanken. Für den Fall, daß die Un¬
ruhen in Altenburg fortdauerten, übernahm ich es im agnatischen Interesse,
an die Bundeszentralgewalt zu appelliren und die Exekution zu verlangen.
Dagegen sollte auch die von Weimar beantragte Bildung eines thüringischen
Gesamtstaates nur insofern von der altenburgischen Regierung in Erwägung
genommen werden, als man für einen engern Verein der thüringischen Staaten
in Betreff der Verwaltung unbeschadet der Rechte des Reiches und der Zentral¬
gewalt zu wirken sich allerseits verpflichtet erachtete."

Über jenen Gesamtstaat, bei dem an eine Vergrößerung Weimars zu einem
„Königreich Thüringen" gedacht wurde, in welchem die kleinern Fürstlichkeiten
mit ihren Unterthanen aufgehen sollten, und andre Pläne der Art berichten
wir nach den interessanten, aber das gesamte Material nicht genügend verar¬
beitenden, nicht gutgeordneten und an Wiederholungen leidenden Mitteilungen
unsers Werkes in einem zweiten Abschnitte, um den Verfasser jetzt seinen Bericht
vollenden zu lassen. „Die Hauptursache meiner Vermittlung — erzählt er —
blieb doch, daß der Herzog aus einer sehr abscheulichen Lage befreit und der
Bestand des Fürstentums in Altenburg gesichert blieb. Die lokalen Verhältnisse
besserten sich in den nächsten Wochen so, daß die konstitutionellen Vereine
wieder das Haupt erheben konnten. Der rasch emporgestiegne Löwe des Tages,
Herr Krutziger, fand es nachgerade für klüger, sich nach Deckung von rückwärts
einigermaßen umzusehen. Als ich am Tage nach der großen Vermittlung durch
die friedlich wieder geöffneten Thore des Altenburger Schlosses auf den Bahnhof
fuhr, war die ganze Bevölkerung auf den Beinen. Herr Krutziger, zwar noch
im Kostüme des Volksmannes mit dem Kalabreser und der roten Feder, hielt
die verbindlichsten Anreden und machte mir, wenn auch nicht mit weißer Kra-
vatte, doch trotz einem gewiegten Hofbeamten bei meiner Abfahrt die Honneurs."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202341"/>
          <fw type="header" place="top"> Die De»kwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_882" prev="#ID_881"> nunft zu bringen, und stellte ihnen die Schrecken der Bundesexekution, von<lb/>
der sie ereilt werden würden, in allernächste Aussicht. Im allgemeinen fand<lb/>
ich die Neigung derselben nicht sehr groß, sich auf einen Kampf mit Feuer¬<lb/>
gewehren einzulassen. Mein Minister von Stein, der sich die Affäre später<lb/>
in Gotha erzählen ließ, schrieb mir am 15. Juli darüber: »Nach Brückners<lb/>
Relationen haben Eure Hoheit den Krntziger ganz erobert, und soll derselbe<lb/>
bei der Diskussion wie ein Braten geschwitzt haben.« ... Die Vermittlung,<lb/>
die ich übernahm, machte es freilich nötig, daß der Herzog ^den der Ver¬<lb/>
mittler, wie es an andrer Stelle heißt, »wie einen Kranken behandeln müßtet<lb/>
eine Art von Kapitulation unterschrieb, was er mit schwerem Herzen that.<lb/>
Wenige Tage später nahm Seckendorf »zerrütteter Gesundheit halber« seine<lb/>
Entlassung. Was die sachlichen Fragen anlangte, so war in der Konferenz,<lb/>
welche der Herzog und ich mit den beiden Ministern von Planitz und John,<lb/>
sowie später auch mit Krutziger abgehalten hatten, ein Protokoll festgestellt<lb/>
worden, zufolge dessen die altenburgische Regierung aus alle Absichten verzichtete,<lb/>
zu Gunsten des Königs von Sachsen abzudanken. Für den Fall, daß die Un¬<lb/>
ruhen in Altenburg fortdauerten, übernahm ich es im agnatischen Interesse,<lb/>
an die Bundeszentralgewalt zu appelliren und die Exekution zu verlangen.<lb/>
Dagegen sollte auch die von Weimar beantragte Bildung eines thüringischen<lb/>
Gesamtstaates nur insofern von der altenburgischen Regierung in Erwägung<lb/>
genommen werden, als man für einen engern Verein der thüringischen Staaten<lb/>
in Betreff der Verwaltung unbeschadet der Rechte des Reiches und der Zentral¬<lb/>
gewalt zu wirken sich allerseits verpflichtet erachtete."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_883" next="#ID_884"> Über jenen Gesamtstaat, bei dem an eine Vergrößerung Weimars zu einem<lb/>
&#x201E;Königreich Thüringen" gedacht wurde, in welchem die kleinern Fürstlichkeiten<lb/>
mit ihren Unterthanen aufgehen sollten, und andre Pläne der Art berichten<lb/>
wir nach den interessanten, aber das gesamte Material nicht genügend verar¬<lb/>
beitenden, nicht gutgeordneten und an Wiederholungen leidenden Mitteilungen<lb/>
unsers Werkes in einem zweiten Abschnitte, um den Verfasser jetzt seinen Bericht<lb/>
vollenden zu lassen. &#x201E;Die Hauptursache meiner Vermittlung &#x2014; erzählt er &#x2014;<lb/>
blieb doch, daß der Herzog aus einer sehr abscheulichen Lage befreit und der<lb/>
Bestand des Fürstentums in Altenburg gesichert blieb. Die lokalen Verhältnisse<lb/>
besserten sich in den nächsten Wochen so, daß die konstitutionellen Vereine<lb/>
wieder das Haupt erheben konnten. Der rasch emporgestiegne Löwe des Tages,<lb/>
Herr Krutziger, fand es nachgerade für klüger, sich nach Deckung von rückwärts<lb/>
einigermaßen umzusehen. Als ich am Tage nach der großen Vermittlung durch<lb/>
die friedlich wieder geöffneten Thore des Altenburger Schlosses auf den Bahnhof<lb/>
fuhr, war die ganze Bevölkerung auf den Beinen. Herr Krutziger, zwar noch<lb/>
im Kostüme des Volksmannes mit dem Kalabreser und der roten Feder, hielt<lb/>
die verbindlichsten Anreden und machte mir, wenn auch nicht mit weißer Kra-<lb/>
vatte, doch trotz einem gewiegten Hofbeamten bei meiner Abfahrt die Honneurs."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0242] Die De»kwürdigkeiten des Herzogs Lrnst. nunft zu bringen, und stellte ihnen die Schrecken der Bundesexekution, von der sie ereilt werden würden, in allernächste Aussicht. Im allgemeinen fand ich die Neigung derselben nicht sehr groß, sich auf einen Kampf mit Feuer¬ gewehren einzulassen. Mein Minister von Stein, der sich die Affäre später in Gotha erzählen ließ, schrieb mir am 15. Juli darüber: »Nach Brückners Relationen haben Eure Hoheit den Krntziger ganz erobert, und soll derselbe bei der Diskussion wie ein Braten geschwitzt haben.« ... Die Vermittlung, die ich übernahm, machte es freilich nötig, daß der Herzog ^den der Ver¬ mittler, wie es an andrer Stelle heißt, »wie einen Kranken behandeln müßtet eine Art von Kapitulation unterschrieb, was er mit schwerem Herzen that. Wenige Tage später nahm Seckendorf »zerrütteter Gesundheit halber« seine Entlassung. Was die sachlichen Fragen anlangte, so war in der Konferenz, welche der Herzog und ich mit den beiden Ministern von Planitz und John, sowie später auch mit Krutziger abgehalten hatten, ein Protokoll festgestellt worden, zufolge dessen die altenburgische Regierung aus alle Absichten verzichtete, zu Gunsten des Königs von Sachsen abzudanken. Für den Fall, daß die Un¬ ruhen in Altenburg fortdauerten, übernahm ich es im agnatischen Interesse, an die Bundeszentralgewalt zu appelliren und die Exekution zu verlangen. Dagegen sollte auch die von Weimar beantragte Bildung eines thüringischen Gesamtstaates nur insofern von der altenburgischen Regierung in Erwägung genommen werden, als man für einen engern Verein der thüringischen Staaten in Betreff der Verwaltung unbeschadet der Rechte des Reiches und der Zentral¬ gewalt zu wirken sich allerseits verpflichtet erachtete." Über jenen Gesamtstaat, bei dem an eine Vergrößerung Weimars zu einem „Königreich Thüringen" gedacht wurde, in welchem die kleinern Fürstlichkeiten mit ihren Unterthanen aufgehen sollten, und andre Pläne der Art berichten wir nach den interessanten, aber das gesamte Material nicht genügend verar¬ beitenden, nicht gutgeordneten und an Wiederholungen leidenden Mitteilungen unsers Werkes in einem zweiten Abschnitte, um den Verfasser jetzt seinen Bericht vollenden zu lassen. „Die Hauptursache meiner Vermittlung — erzählt er — blieb doch, daß der Herzog aus einer sehr abscheulichen Lage befreit und der Bestand des Fürstentums in Altenburg gesichert blieb. Die lokalen Verhältnisse besserten sich in den nächsten Wochen so, daß die konstitutionellen Vereine wieder das Haupt erheben konnten. Der rasch emporgestiegne Löwe des Tages, Herr Krutziger, fand es nachgerade für klüger, sich nach Deckung von rückwärts einigermaßen umzusehen. Als ich am Tage nach der großen Vermittlung durch die friedlich wieder geöffneten Thore des Altenburger Schlosses auf den Bahnhof fuhr, war die ganze Bevölkerung auf den Beinen. Herr Krutziger, zwar noch im Kostüme des Volksmannes mit dem Kalabreser und der roten Feder, hielt die verbindlichsten Anreden und machte mir, wenn auch nicht mit weißer Kra- vatte, doch trotz einem gewiegten Hofbeamten bei meiner Abfahrt die Honneurs."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/242
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/242>, abgerufen am 20.06.2024.