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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Zur Schulgeldfrage.

bewußt, dem Papste den Weg in die evangelisch-protestantische Kirche; denn
dieser Standpunkt selbst ist der päpstliche. Luthers Wort aber bleibt: "Aus
dem Papsttum kann nichts Gutes kommen!"




Zur ^chulgeldfrage.

er Aufsatz in Ur. 37 und 38 des vorigen Jahrganges der Grenz¬
boten hat zur Lösung der Schulgeldfrage einen sehr wertvollen
Beitrag geliefert, indem der Verfasser die finanziellen, die so¬
zialen, die schultechnischen und die rechtlichen Gründe, welche von
den Gegnern sowohl als von den Freunden des Schulgeldes für
ihre Ansichten geltend gemacht worden sind, einer sachlichen und vorurteilsfreien
Prüfung unterzieht.

Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß auch die von den Anhängern des
Schulgeldes vorgebrachten Gründe manches für sich haben, wir sind aber der
Meinung, daß die Beweisgründe der Gegner zutreffender erscheinen, und daß schon
aus sozialen Rücksichten das Schulgeld in den Volksschulen aufgehoben werden
sollte, da es eine ungleiche Verteilung einer der ganzen Gesellschaft obliegenden
Last in sich schließt. Kommt auch der Nutzen der Schule in erster Linie denen
zu Gute, die sie besuchen, so hat doch auch die Gesamtheit, der Staat wie die
Gemeinde, an diesem Nutzen ihren Anteil, und deshalb darf sich diese auch
ihrem Anteile an den Kosten nicht entziehen; ein richtiger Ausgleich aber ist
unsers Erachtens nur dadurch zu erreichen, daß das Schulgeld als eine Steuer
angesehen wird, zu welcher jeder Gemeindebürger nach seiner Steuerfähigkeit
beizutragen hat, und nicht als eine Kopfsteuer, die nur den einen Teil trifft,
während sie den andern frei läßt.

Weniger Gewicht ist unsrer Ansicht nach auf den für die Aufhebung des
Schulgeldes geltend gemachten schultechnischen Grund zu legen, daß es nämlich
für den Lehrer ein demütigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern
seiner Schüler unterhalten zu werden. Wollte man diesen Grund als stich¬
haltig ansehen, so müßten die verschiednen Klassen von öffentlichen Beamte",
welche anstatt eines festen Gehaltes Gebühren für ihre Einzelleistungen beziehen,
nnter demselben Bewußtsein leiden, so müßten ferner auch der Privatlehrer, der
Arzt, der Notar, der Rechtsanwalt uuter dem Drucke dieses Gefühls stehen,
da auch sie für eine bestimmte Leistung eine bestimmte Vergütung von den¬
jenigen empfangen, welche diese Leistungen gefordert haben.


Zur Schulgeldfrage.

bewußt, dem Papste den Weg in die evangelisch-protestantische Kirche; denn
dieser Standpunkt selbst ist der päpstliche. Luthers Wort aber bleibt: „Aus
dem Papsttum kann nichts Gutes kommen!"




Zur ^chulgeldfrage.

er Aufsatz in Ur. 37 und 38 des vorigen Jahrganges der Grenz¬
boten hat zur Lösung der Schulgeldfrage einen sehr wertvollen
Beitrag geliefert, indem der Verfasser die finanziellen, die so¬
zialen, die schultechnischen und die rechtlichen Gründe, welche von
den Gegnern sowohl als von den Freunden des Schulgeldes für
ihre Ansichten geltend gemacht worden sind, einer sachlichen und vorurteilsfreien
Prüfung unterzieht.

Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß auch die von den Anhängern des
Schulgeldes vorgebrachten Gründe manches für sich haben, wir sind aber der
Meinung, daß die Beweisgründe der Gegner zutreffender erscheinen, und daß schon
aus sozialen Rücksichten das Schulgeld in den Volksschulen aufgehoben werden
sollte, da es eine ungleiche Verteilung einer der ganzen Gesellschaft obliegenden
Last in sich schließt. Kommt auch der Nutzen der Schule in erster Linie denen
zu Gute, die sie besuchen, so hat doch auch die Gesamtheit, der Staat wie die
Gemeinde, an diesem Nutzen ihren Anteil, und deshalb darf sich diese auch
ihrem Anteile an den Kosten nicht entziehen; ein richtiger Ausgleich aber ist
unsers Erachtens nur dadurch zu erreichen, daß das Schulgeld als eine Steuer
angesehen wird, zu welcher jeder Gemeindebürger nach seiner Steuerfähigkeit
beizutragen hat, und nicht als eine Kopfsteuer, die nur den einen Teil trifft,
während sie den andern frei läßt.

Weniger Gewicht ist unsrer Ansicht nach auf den für die Aufhebung des
Schulgeldes geltend gemachten schultechnischen Grund zu legen, daß es nämlich
für den Lehrer ein demütigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern
seiner Schüler unterhalten zu werden. Wollte man diesen Grund als stich¬
haltig ansehen, so müßten die verschiednen Klassen von öffentlichen Beamte»,
welche anstatt eines festen Gehaltes Gebühren für ihre Einzelleistungen beziehen,
nnter demselben Bewußtsein leiden, so müßten ferner auch der Privatlehrer, der
Arzt, der Notar, der Rechtsanwalt uuter dem Drucke dieses Gefühls stehen,
da auch sie für eine bestimmte Leistung eine bestimmte Vergütung von den¬
jenigen empfangen, welche diese Leistungen gefordert haben.


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[0140] Zur Schulgeldfrage. bewußt, dem Papste den Weg in die evangelisch-protestantische Kirche; denn dieser Standpunkt selbst ist der päpstliche. Luthers Wort aber bleibt: „Aus dem Papsttum kann nichts Gutes kommen!" Zur ^chulgeldfrage. er Aufsatz in Ur. 37 und 38 des vorigen Jahrganges der Grenz¬ boten hat zur Lösung der Schulgeldfrage einen sehr wertvollen Beitrag geliefert, indem der Verfasser die finanziellen, die so¬ zialen, die schultechnischen und die rechtlichen Gründe, welche von den Gegnern sowohl als von den Freunden des Schulgeldes für ihre Ansichten geltend gemacht worden sind, einer sachlichen und vorurteilsfreien Prüfung unterzieht. Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß auch die von den Anhängern des Schulgeldes vorgebrachten Gründe manches für sich haben, wir sind aber der Meinung, daß die Beweisgründe der Gegner zutreffender erscheinen, und daß schon aus sozialen Rücksichten das Schulgeld in den Volksschulen aufgehoben werden sollte, da es eine ungleiche Verteilung einer der ganzen Gesellschaft obliegenden Last in sich schließt. Kommt auch der Nutzen der Schule in erster Linie denen zu Gute, die sie besuchen, so hat doch auch die Gesamtheit, der Staat wie die Gemeinde, an diesem Nutzen ihren Anteil, und deshalb darf sich diese auch ihrem Anteile an den Kosten nicht entziehen; ein richtiger Ausgleich aber ist unsers Erachtens nur dadurch zu erreichen, daß das Schulgeld als eine Steuer angesehen wird, zu welcher jeder Gemeindebürger nach seiner Steuerfähigkeit beizutragen hat, und nicht als eine Kopfsteuer, die nur den einen Teil trifft, während sie den andern frei läßt. Weniger Gewicht ist unsrer Ansicht nach auf den für die Aufhebung des Schulgeldes geltend gemachten schultechnischen Grund zu legen, daß es nämlich für den Lehrer ein demütigendes Bewußtsein sei, durch Beiträge der Eltern seiner Schüler unterhalten zu werden. Wollte man diesen Grund als stich¬ haltig ansehen, so müßten die verschiednen Klassen von öffentlichen Beamte», welche anstatt eines festen Gehaltes Gebühren für ihre Einzelleistungen beziehen, nnter demselben Bewußtsein leiden, so müßten ferner auch der Privatlehrer, der Arzt, der Notar, der Rechtsanwalt uuter dem Drucke dieses Gefühls stehen, da auch sie für eine bestimmte Leistung eine bestimmte Vergütung von den¬ jenigen empfangen, welche diese Leistungen gefordert haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/140>, abgerufen am 28.09.2024.