Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.landwirtschaftliche Nöte. werde das besser verstehen; ich kaufe ja doch schon so und so viel billiger als Immer haben wir nun freilich die, nach unsrem eignen Eingeständnis landwirtschaftliche Nöte. werde das besser verstehen; ich kaufe ja doch schon so und so viel billiger als Immer haben wir nun freilich die, nach unsrem eignen Eingeständnis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202226"/> <fw type="header" place="top"> landwirtschaftliche Nöte.</fw><lb/> <p xml:id="ID_450" prev="#ID_449"> werde das besser verstehen; ich kaufe ja doch schon so und so viel billiger als<lb/> mein Vorgänger, da werde ich doch eher durchkommen — und was dergleichen<lb/> Erwägungen mehr sind, über die die Achseln zu zucken sehr wohlfeil ist, die<lb/> aber von vielen sonst einsichtigen und tüchtigen Leuten für solche gehalten<lb/> werden, auf die hin man es wagen könne. Was soll ein junger, als Land¬<lb/> wirt geborener und erzogener Mann, der ein paar tausend Thaler hat, übrigens<lb/> sonst machen? Er will doch Landwirt sein, und zum Inspektor oder auch<lb/> Verwalter hält er sich für zu gut. So übernimmt er denn, wenn er ruhig<lb/> und verständig ist, eine kleine Pachtung; ist er etwas obenhinaus und selbst¬<lb/> vertrauend, so kauft er ein „billiges" Gütchen — natürlich mit seinem ganzen<lb/> Gelde, indem er sich höchstens einige hundert Mark als „Betriebskapital" zurück¬<lb/> behält. Zerstöre einer Anschauungen und Wünsche, die nun einmal im Volke<lb/> tief gewurzelt sind! Endlich vergesse man auch das nicht, daß schließlich dieser<lb/> Hunger uach eignem, selbst bewirtschaftetem Besitze nicht nur eine der kräftigsten,<lb/> sondern auch eine der erfreulichsten Seiten unsers nationalen Wesens ist. Man<lb/> sollte doch wahrlich nicht gering darüber denken, daß selbst in so traurigen<lb/> Zeiten, selbst unter so zahlreichen und starken Abschreckungen der Sinn vieler<lb/> Leute unsers Volkes unverändert dahin gerichtet bleibt, auf dem Lande ein<lb/> arbeit- und entbehrungsreiches Leben führen zu dürfen, nur für das Bewußt¬<lb/> sein eignes den Kindern als festes Lauberde zu hinterlassenden Besitzes. So<lb/> lange dieser Sinn erhalten bleibt, so lange steht es nicht schlimm mit unserm<lb/> Volke. Hüten wir uns, die Lage der Landwirtschaft dahin zu bringen, daß<lb/> zuletzt doch das Trachten nach Grundbesitz dem Spotte verfällt!</p><lb/> <p xml:id="ID_451" next="#ID_452"> Immer haben wir nun freilich die, nach unsrem eignen Eingeständnis<lb/> schwierigere Frage noch unbeantwortet gelassen, ob nicht, wenn es auch richtig<lb/> sein möge, daß die Landwirtschaft sich als solche in einer „Notlage" befinde,<lb/> dennoch die Landwirte selbst oder doch ein großer Teil derselben die Haupt¬<lb/> schuld daran tragen. Erst kürzlich hat ja der bekannte freihändlerische land¬<lb/> wirtschaftliche Schriftsteller Herr Settegast erklärt, „noch immer habe ihm kein<lb/> Landwirt namhaft gemacht werden können, der zu Grunde gegangen sei, obwohl<lb/> er weder zu teuer gekauft habe, noch sein Baar- und sein Betriebskapital ver¬<lb/> hältnismäßig zu gering gewesen sei, noch in Wirtschaft oder Verwaltung Ver¬<lb/> säumnisse stattgefunden hätten, noch endlich der eigne Verbrauch zu viel bean¬<lb/> sprucht habe." Das heißt mit andren Worten: bei durchaus idealen Ver¬<lb/> hältnissen kann ein Landwirt auch heute noch bestehen; denn bei dieser so<lb/> überaus elastischen Formel würde ein strenger Beurteiler es doch stets in der<lb/> Hand haben, seine Anforderungen von einem normalen auf ein ideales Maß<lb/> hinaufzuschrauben. Was bedeutet „zu teuer gekauft," wenn doch thatsächlich<lb/> damals, als der Kauf erfolgte, der Reinertrag ungleich höher als heute war<lb/> und demgemäß dem gezählten Preise vielleicht völlig entsprach, wiewohl sich<lb/> heute allerdings der Preis als zu hoch darstellt? Der Käufer hat eben sein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0127]
landwirtschaftliche Nöte.
werde das besser verstehen; ich kaufe ja doch schon so und so viel billiger als
mein Vorgänger, da werde ich doch eher durchkommen — und was dergleichen
Erwägungen mehr sind, über die die Achseln zu zucken sehr wohlfeil ist, die
aber von vielen sonst einsichtigen und tüchtigen Leuten für solche gehalten
werden, auf die hin man es wagen könne. Was soll ein junger, als Land¬
wirt geborener und erzogener Mann, der ein paar tausend Thaler hat, übrigens
sonst machen? Er will doch Landwirt sein, und zum Inspektor oder auch
Verwalter hält er sich für zu gut. So übernimmt er denn, wenn er ruhig
und verständig ist, eine kleine Pachtung; ist er etwas obenhinaus und selbst¬
vertrauend, so kauft er ein „billiges" Gütchen — natürlich mit seinem ganzen
Gelde, indem er sich höchstens einige hundert Mark als „Betriebskapital" zurück¬
behält. Zerstöre einer Anschauungen und Wünsche, die nun einmal im Volke
tief gewurzelt sind! Endlich vergesse man auch das nicht, daß schließlich dieser
Hunger uach eignem, selbst bewirtschaftetem Besitze nicht nur eine der kräftigsten,
sondern auch eine der erfreulichsten Seiten unsers nationalen Wesens ist. Man
sollte doch wahrlich nicht gering darüber denken, daß selbst in so traurigen
Zeiten, selbst unter so zahlreichen und starken Abschreckungen der Sinn vieler
Leute unsers Volkes unverändert dahin gerichtet bleibt, auf dem Lande ein
arbeit- und entbehrungsreiches Leben führen zu dürfen, nur für das Bewußt¬
sein eignes den Kindern als festes Lauberde zu hinterlassenden Besitzes. So
lange dieser Sinn erhalten bleibt, so lange steht es nicht schlimm mit unserm
Volke. Hüten wir uns, die Lage der Landwirtschaft dahin zu bringen, daß
zuletzt doch das Trachten nach Grundbesitz dem Spotte verfällt!
Immer haben wir nun freilich die, nach unsrem eignen Eingeständnis
schwierigere Frage noch unbeantwortet gelassen, ob nicht, wenn es auch richtig
sein möge, daß die Landwirtschaft sich als solche in einer „Notlage" befinde,
dennoch die Landwirte selbst oder doch ein großer Teil derselben die Haupt¬
schuld daran tragen. Erst kürzlich hat ja der bekannte freihändlerische land¬
wirtschaftliche Schriftsteller Herr Settegast erklärt, „noch immer habe ihm kein
Landwirt namhaft gemacht werden können, der zu Grunde gegangen sei, obwohl
er weder zu teuer gekauft habe, noch sein Baar- und sein Betriebskapital ver¬
hältnismäßig zu gering gewesen sei, noch in Wirtschaft oder Verwaltung Ver¬
säumnisse stattgefunden hätten, noch endlich der eigne Verbrauch zu viel bean¬
sprucht habe." Das heißt mit andren Worten: bei durchaus idealen Ver¬
hältnissen kann ein Landwirt auch heute noch bestehen; denn bei dieser so
überaus elastischen Formel würde ein strenger Beurteiler es doch stets in der
Hand haben, seine Anforderungen von einem normalen auf ein ideales Maß
hinaufzuschrauben. Was bedeutet „zu teuer gekauft," wenn doch thatsächlich
damals, als der Kauf erfolgte, der Reinertrag ungleich höher als heute war
und demgemäß dem gezählten Preise vielleicht völlig entsprach, wiewohl sich
heute allerdings der Preis als zu hoch darstellt? Der Käufer hat eben sein
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