Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
vor neue Katalog der Dresdner Gemäldegalerie.

Arbeit bezeichnet wird, liegt hinter uns, und es verlohnt daher nicht der Mühe,
auf ihre zahlreichen Irrtümer einzugehen, zumal, da sie zum Teil auf die
rührende Liebe zurückzuführen sind, mit welcher Hübner an dem ihm anver¬
trauten Schatze hing. Sein Katalog fällt nur dem allgemeinen Schicksale
menschlicher Dnrchschnittsarbeiten anheim, schnell vergessen und überholt zu
werden, und man wird demnach dem Urteile seines Nachfolgers, der 1884 den
Hühnerfeder Katalog "ein abgeschlossenes Werk der deutschen Litteratur- und
Kunstgeschichte" nannte, nur den Wert jener Pietät zuerkennen dürfen, welche
dem Nachfolger in Bezug auf seinen Amtsvvrgänger immer schön steht. In
Wirklichkeit ist der Woermmmsche Katalog, ohne es ausdrücklich zu sagen, allein
durch die strenge Logik des kritischen Verfahrens die schärfste Verurteilung, so-
zusagen die Negation des Hühnerfeder Verzeichnisses, und nicht bloß hinsichtlich
des kritischen Ergebnisses, sondern anch in Bezug auf die litterarische Form,
die bei Hübner, namentlich in den Bilderbeschreibungen, viel zu wünschen
übrig ließ.

Eine mehrjährige Reise durch sämtliche Städte Europas, in welchen sich
einigermaßen beachtenswerte Gemäldesammlungen befinden, hat Woermcmn so
gründlich für die der Dresdner Galerie würdige Abfassung ihres Bilderver¬
zeichnisses vorbereitet, daß wir keinen zweiten Kunstforscher zu nennen wüßten,
welcher dieser Aufgabe in gleichem Maße gewachsen wäre. Es kommt dabei
nicht allein jener änßere Vorteil in Betracht, den sich schließlich auch ein andrer,
mit entsprechenden Geldmitteln versehener Kunstforscher hätte verschaffen können.
In Woermann vereinigen sich zugleich die Fähigkeiten eines besonnenen, prü¬
fenden Blickes, einer geschickten Zusammenstellung des Gleichartigen und Zu¬
sammengehörigen, einer umfassenden Litteraturkenntnis und vornehmlich die Gabe
unbefangener Würdigung der kritischen Arbeiten andrer Forscher. Indem er
die Berechtigung eines jeden mit Gründen verteidigten Standpunktes anerkennt,
sucht er entweder zwischen einander gegenüberstehenden Ansichten zu vermitteln,
oder er entscheidet sich für eine, indem er zugleich die andern dem Publikum
zu eignem Urteil unterbreitet. Das ist in dem ganzen Buche mit solcher Um¬
sicht und Folgerichtigkeit durchgeführt wordeu, daß diesem Katalog das Schicksal,
zu veralten, auf lange Zeit erspart bleiben wird.

Obwohl die Beschreibungen der Bilder und die Angabe der biographischen
Einzelheiten bei den verschiednen Künstlern erheblich ausführlicher gehalten sind
als in dem Hühnerfeder Verzeichnis, und noch eine große Zahl von kritischen
Erörterungen und Zitaten hinzugetreten ist, hat weder die Übersichtlichkeit der
äußern Anordnung gelitten, noch ist der Umfang des Katalogs über Gebühr aus¬
gedehnt worden. Die Anordnung ist im Gegenteil weit übersichtlicher geworden,
und der Druck hat nichts an Klarheit verloren.

Auf Grund der Stellung, welche sich Woermann durch seine Fortsetzung
von Woltmcmns "Geschichte der Malerei" in der Kunstwissenschaft erworben


vor neue Katalog der Dresdner Gemäldegalerie.

Arbeit bezeichnet wird, liegt hinter uns, und es verlohnt daher nicht der Mühe,
auf ihre zahlreichen Irrtümer einzugehen, zumal, da sie zum Teil auf die
rührende Liebe zurückzuführen sind, mit welcher Hübner an dem ihm anver¬
trauten Schatze hing. Sein Katalog fällt nur dem allgemeinen Schicksale
menschlicher Dnrchschnittsarbeiten anheim, schnell vergessen und überholt zu
werden, und man wird demnach dem Urteile seines Nachfolgers, der 1884 den
Hühnerfeder Katalog „ein abgeschlossenes Werk der deutschen Litteratur- und
Kunstgeschichte" nannte, nur den Wert jener Pietät zuerkennen dürfen, welche
dem Nachfolger in Bezug auf seinen Amtsvvrgänger immer schön steht. In
Wirklichkeit ist der Woermmmsche Katalog, ohne es ausdrücklich zu sagen, allein
durch die strenge Logik des kritischen Verfahrens die schärfste Verurteilung, so-
zusagen die Negation des Hühnerfeder Verzeichnisses, und nicht bloß hinsichtlich
des kritischen Ergebnisses, sondern anch in Bezug auf die litterarische Form,
die bei Hübner, namentlich in den Bilderbeschreibungen, viel zu wünschen
übrig ließ.

Eine mehrjährige Reise durch sämtliche Städte Europas, in welchen sich
einigermaßen beachtenswerte Gemäldesammlungen befinden, hat Woermcmn so
gründlich für die der Dresdner Galerie würdige Abfassung ihres Bilderver¬
zeichnisses vorbereitet, daß wir keinen zweiten Kunstforscher zu nennen wüßten,
welcher dieser Aufgabe in gleichem Maße gewachsen wäre. Es kommt dabei
nicht allein jener änßere Vorteil in Betracht, den sich schließlich auch ein andrer,
mit entsprechenden Geldmitteln versehener Kunstforscher hätte verschaffen können.
In Woermann vereinigen sich zugleich die Fähigkeiten eines besonnenen, prü¬
fenden Blickes, einer geschickten Zusammenstellung des Gleichartigen und Zu¬
sammengehörigen, einer umfassenden Litteraturkenntnis und vornehmlich die Gabe
unbefangener Würdigung der kritischen Arbeiten andrer Forscher. Indem er
die Berechtigung eines jeden mit Gründen verteidigten Standpunktes anerkennt,
sucht er entweder zwischen einander gegenüberstehenden Ansichten zu vermitteln,
oder er entscheidet sich für eine, indem er zugleich die andern dem Publikum
zu eignem Urteil unterbreitet. Das ist in dem ganzen Buche mit solcher Um¬
sicht und Folgerichtigkeit durchgeführt wordeu, daß diesem Katalog das Schicksal,
zu veralten, auf lange Zeit erspart bleiben wird.

Obwohl die Beschreibungen der Bilder und die Angabe der biographischen
Einzelheiten bei den verschiednen Künstlern erheblich ausführlicher gehalten sind
als in dem Hühnerfeder Verzeichnis, und noch eine große Zahl von kritischen
Erörterungen und Zitaten hinzugetreten ist, hat weder die Übersichtlichkeit der
äußern Anordnung gelitten, noch ist der Umfang des Katalogs über Gebühr aus¬
gedehnt worden. Die Anordnung ist im Gegenteil weit übersichtlicher geworden,
und der Druck hat nichts an Klarheit verloren.

Auf Grund der Stellung, welche sich Woermann durch seine Fortsetzung
von Woltmcmns „Geschichte der Malerei" in der Kunstwissenschaft erworben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202203"/>
          <fw type="header" place="top"> vor neue Katalog der Dresdner Gemäldegalerie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_349" prev="#ID_348"> Arbeit bezeichnet wird, liegt hinter uns, und es verlohnt daher nicht der Mühe,<lb/>
auf ihre zahlreichen Irrtümer einzugehen, zumal, da sie zum Teil auf die<lb/>
rührende Liebe zurückzuführen sind, mit welcher Hübner an dem ihm anver¬<lb/>
trauten Schatze hing. Sein Katalog fällt nur dem allgemeinen Schicksale<lb/>
menschlicher Dnrchschnittsarbeiten anheim, schnell vergessen und überholt zu<lb/>
werden, und man wird demnach dem Urteile seines Nachfolgers, der 1884 den<lb/>
Hühnerfeder Katalog &#x201E;ein abgeschlossenes Werk der deutschen Litteratur- und<lb/>
Kunstgeschichte" nannte, nur den Wert jener Pietät zuerkennen dürfen, welche<lb/>
dem Nachfolger in Bezug auf seinen Amtsvvrgänger immer schön steht. In<lb/>
Wirklichkeit ist der Woermmmsche Katalog, ohne es ausdrücklich zu sagen, allein<lb/>
durch die strenge Logik des kritischen Verfahrens die schärfste Verurteilung, so-<lb/>
zusagen die Negation des Hühnerfeder Verzeichnisses, und nicht bloß hinsichtlich<lb/>
des kritischen Ergebnisses, sondern anch in Bezug auf die litterarische Form,<lb/>
die bei Hübner, namentlich in den Bilderbeschreibungen, viel zu wünschen<lb/>
übrig ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_350"> Eine mehrjährige Reise durch sämtliche Städte Europas, in welchen sich<lb/>
einigermaßen beachtenswerte Gemäldesammlungen befinden, hat Woermcmn so<lb/>
gründlich für die der Dresdner Galerie würdige Abfassung ihres Bilderver¬<lb/>
zeichnisses vorbereitet, daß wir keinen zweiten Kunstforscher zu nennen wüßten,<lb/>
welcher dieser Aufgabe in gleichem Maße gewachsen wäre. Es kommt dabei<lb/>
nicht allein jener änßere Vorteil in Betracht, den sich schließlich auch ein andrer,<lb/>
mit entsprechenden Geldmitteln versehener Kunstforscher hätte verschaffen können.<lb/>
In Woermann vereinigen sich zugleich die Fähigkeiten eines besonnenen, prü¬<lb/>
fenden Blickes, einer geschickten Zusammenstellung des Gleichartigen und Zu¬<lb/>
sammengehörigen, einer umfassenden Litteraturkenntnis und vornehmlich die Gabe<lb/>
unbefangener Würdigung der kritischen Arbeiten andrer Forscher. Indem er<lb/>
die Berechtigung eines jeden mit Gründen verteidigten Standpunktes anerkennt,<lb/>
sucht er entweder zwischen einander gegenüberstehenden Ansichten zu vermitteln,<lb/>
oder er entscheidet sich für eine, indem er zugleich die andern dem Publikum<lb/>
zu eignem Urteil unterbreitet. Das ist in dem ganzen Buche mit solcher Um¬<lb/>
sicht und Folgerichtigkeit durchgeführt wordeu, daß diesem Katalog das Schicksal,<lb/>
zu veralten, auf lange Zeit erspart bleiben wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_351"> Obwohl die Beschreibungen der Bilder und die Angabe der biographischen<lb/>
Einzelheiten bei den verschiednen Künstlern erheblich ausführlicher gehalten sind<lb/>
als in dem Hühnerfeder Verzeichnis, und noch eine große Zahl von kritischen<lb/>
Erörterungen und Zitaten hinzugetreten ist, hat weder die Übersichtlichkeit der<lb/>
äußern Anordnung gelitten, noch ist der Umfang des Katalogs über Gebühr aus¬<lb/>
gedehnt worden. Die Anordnung ist im Gegenteil weit übersichtlicher geworden,<lb/>
und der Druck hat nichts an Klarheit verloren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_352" next="#ID_353"> Auf Grund der Stellung, welche sich Woermann durch seine Fortsetzung<lb/>
von Woltmcmns &#x201E;Geschichte der Malerei" in der Kunstwissenschaft erworben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0104] vor neue Katalog der Dresdner Gemäldegalerie. Arbeit bezeichnet wird, liegt hinter uns, und es verlohnt daher nicht der Mühe, auf ihre zahlreichen Irrtümer einzugehen, zumal, da sie zum Teil auf die rührende Liebe zurückzuführen sind, mit welcher Hübner an dem ihm anver¬ trauten Schatze hing. Sein Katalog fällt nur dem allgemeinen Schicksale menschlicher Dnrchschnittsarbeiten anheim, schnell vergessen und überholt zu werden, und man wird demnach dem Urteile seines Nachfolgers, der 1884 den Hühnerfeder Katalog „ein abgeschlossenes Werk der deutschen Litteratur- und Kunstgeschichte" nannte, nur den Wert jener Pietät zuerkennen dürfen, welche dem Nachfolger in Bezug auf seinen Amtsvvrgänger immer schön steht. In Wirklichkeit ist der Woermmmsche Katalog, ohne es ausdrücklich zu sagen, allein durch die strenge Logik des kritischen Verfahrens die schärfste Verurteilung, so- zusagen die Negation des Hühnerfeder Verzeichnisses, und nicht bloß hinsichtlich des kritischen Ergebnisses, sondern anch in Bezug auf die litterarische Form, die bei Hübner, namentlich in den Bilderbeschreibungen, viel zu wünschen übrig ließ. Eine mehrjährige Reise durch sämtliche Städte Europas, in welchen sich einigermaßen beachtenswerte Gemäldesammlungen befinden, hat Woermcmn so gründlich für die der Dresdner Galerie würdige Abfassung ihres Bilderver¬ zeichnisses vorbereitet, daß wir keinen zweiten Kunstforscher zu nennen wüßten, welcher dieser Aufgabe in gleichem Maße gewachsen wäre. Es kommt dabei nicht allein jener änßere Vorteil in Betracht, den sich schließlich auch ein andrer, mit entsprechenden Geldmitteln versehener Kunstforscher hätte verschaffen können. In Woermann vereinigen sich zugleich die Fähigkeiten eines besonnenen, prü¬ fenden Blickes, einer geschickten Zusammenstellung des Gleichartigen und Zu¬ sammengehörigen, einer umfassenden Litteraturkenntnis und vornehmlich die Gabe unbefangener Würdigung der kritischen Arbeiten andrer Forscher. Indem er die Berechtigung eines jeden mit Gründen verteidigten Standpunktes anerkennt, sucht er entweder zwischen einander gegenüberstehenden Ansichten zu vermitteln, oder er entscheidet sich für eine, indem er zugleich die andern dem Publikum zu eignem Urteil unterbreitet. Das ist in dem ganzen Buche mit solcher Um¬ sicht und Folgerichtigkeit durchgeführt wordeu, daß diesem Katalog das Schicksal, zu veralten, auf lange Zeit erspart bleiben wird. Obwohl die Beschreibungen der Bilder und die Angabe der biographischen Einzelheiten bei den verschiednen Künstlern erheblich ausführlicher gehalten sind als in dem Hühnerfeder Verzeichnis, und noch eine große Zahl von kritischen Erörterungen und Zitaten hinzugetreten ist, hat weder die Übersichtlichkeit der äußern Anordnung gelitten, noch ist der Umfang des Katalogs über Gebühr aus¬ gedehnt worden. Die Anordnung ist im Gegenteil weit übersichtlicher geworden, und der Druck hat nichts an Klarheit verloren. Auf Grund der Stellung, welche sich Woermann durch seine Fortsetzung von Woltmcmns „Geschichte der Malerei" in der Kunstwissenschaft erworben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/104
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/104>, abgerufen am 23.06.2024.