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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

an den Giebeln etwas übergreifende Dach ist mit Stroh oder Schindeln gedeckt
und im ersteren Falle mit Stangen festgehalten, die über dem First kreuzweise
zusammengefügt sind. Den Eintretenden empfangt eine Hausflur mit ge¬
stampftem Estrich; vor sich sieht er im Hintergrunde die Hofthür, rechts und
links zwei kleine Thüren, die zu zwei Zimmern führen -- bei ärmeren Bauern
musz eins genügen --, darüber liegt der Bodenraum. Das ist alles für eine
zuweilen zahlreiche Familie. In der Ecke des Zimmers ragt der unvermeid-
liche riesige Ofen, ringsum läuft eine hölzerne Bank. Ist daneben noch ein
Bett vorhanden oder ein Tisch und ein paar Schemel, so kann der Bauer für
Wohlhabend gelten. Doch alles erscheint sauber und reinlich. So bescheidenen
Verhältnissen entspricht der Hof, ein mäßig großes Viereck, ringsum ein¬
geschlossen von einer schuppenartigen Bedachung auf starken Holzpfeilern, da¬
zwischen ein paar niedrige, geschlossene Ställe für Kleinvieh "ut Vvrratshänscheu;
der Boden ist mit Dünger und Moos hoch bedeckt und kaum gangbar. Selten
bemerkt man vor dem Hause ein paar Sträucher oder Blumen, fast niemals
einen Baum. Zur Vervollständigung der ganzen Wirtschaft gehört noch der
Eiskeller, eine Erdhöhle mit Hvlzdach, und die Badestnbe,' das Urbild des rus¬
sischen Dampfbades, ein kleines Blockhaus, in zwei Räume geteilt, der vordere
für das Auskleiden, der innere für das kunstlose Schwitzbad: man gießt Wasser
auf einen Häuser glühend gemachter Steine, bis die Temperatur hoch genng
ist und der Dampf reichlich hervorströmt. (Schluß folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Die Entstehung des Lebens.

"Ist dies schon Tollheit, hat es doch
Methode." So könnte man mit Polomus von dem Buche des pharmazeutischen
und physiologischen Chemikers Julius Hensel sagen: Das Leben. Seine Grund¬
lagen und die Mittel zu seiner Erhaltung. Physikalisch erklärt zum praktischen
Nutzen für Ackerbau, Forstwirtschaft, Heilkunde und allgemeine Wohlfahrt.
(Christianin, Huseberg u. Comp.) Es wäre nicht schwer, dieses Buch äußerst lächerlich
zu machen, aber der Unsinn darin ist interessant dnrch die Folgerichtigkeit bei aller
phantastischen Kühnheit des Verfassers. Er will "die Fackel des logischen Denkens
benutzen, um das Dunkel des Lebensrätsels in Licht zu verwandeln." Vier That¬
sachen führt er an, ans welchen er seine Theorie von der fortwährend noch an¬
dauernden Urzeugung begründet. Einmal waren ihm Motten in ein mit Glas¬
stöpsel verschlossenes Gefäß mit Salevpulver gekommen, um welches er sich zwei
Jahre lang nicht gekümmert hatte; ein andermal zeigten sich Käferlarven an alten,
Uig gewordenen menschlichen Knochen, die er in einer Pappschachtel aufbewahrt
hatte; ein drittesmal schrieb ihm eine Dame, daß sie lebendige Mehlwürmer in
ihrem Brote gefunden habe, die garnicht auf dem sonst gebräuchlichen Wege in
das Mehl des Bäckers hineingekommen sein konnten; ein viertesmal endlich, berichtet


Kleinere Mitteilungen.

an den Giebeln etwas übergreifende Dach ist mit Stroh oder Schindeln gedeckt
und im ersteren Falle mit Stangen festgehalten, die über dem First kreuzweise
zusammengefügt sind. Den Eintretenden empfangt eine Hausflur mit ge¬
stampftem Estrich; vor sich sieht er im Hintergrunde die Hofthür, rechts und
links zwei kleine Thüren, die zu zwei Zimmern führen — bei ärmeren Bauern
musz eins genügen —, darüber liegt der Bodenraum. Das ist alles für eine
zuweilen zahlreiche Familie. In der Ecke des Zimmers ragt der unvermeid-
liche riesige Ofen, ringsum läuft eine hölzerne Bank. Ist daneben noch ein
Bett vorhanden oder ein Tisch und ein paar Schemel, so kann der Bauer für
Wohlhabend gelten. Doch alles erscheint sauber und reinlich. So bescheidenen
Verhältnissen entspricht der Hof, ein mäßig großes Viereck, ringsum ein¬
geschlossen von einer schuppenartigen Bedachung auf starken Holzpfeilern, da¬
zwischen ein paar niedrige, geschlossene Ställe für Kleinvieh »ut Vvrratshänscheu;
der Boden ist mit Dünger und Moos hoch bedeckt und kaum gangbar. Selten
bemerkt man vor dem Hause ein paar Sträucher oder Blumen, fast niemals
einen Baum. Zur Vervollständigung der ganzen Wirtschaft gehört noch der
Eiskeller, eine Erdhöhle mit Hvlzdach, und die Badestnbe,' das Urbild des rus¬
sischen Dampfbades, ein kleines Blockhaus, in zwei Räume geteilt, der vordere
für das Auskleiden, der innere für das kunstlose Schwitzbad: man gießt Wasser
auf einen Häuser glühend gemachter Steine, bis die Temperatur hoch genng
ist und der Dampf reichlich hervorströmt. (Schluß folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Die Entstehung des Lebens.

„Ist dies schon Tollheit, hat es doch
Methode." So könnte man mit Polomus von dem Buche des pharmazeutischen
und physiologischen Chemikers Julius Hensel sagen: Das Leben. Seine Grund¬
lagen und die Mittel zu seiner Erhaltung. Physikalisch erklärt zum praktischen
Nutzen für Ackerbau, Forstwirtschaft, Heilkunde und allgemeine Wohlfahrt.
(Christianin, Huseberg u. Comp.) Es wäre nicht schwer, dieses Buch äußerst lächerlich
zu machen, aber der Unsinn darin ist interessant dnrch die Folgerichtigkeit bei aller
phantastischen Kühnheit des Verfassers. Er will „die Fackel des logischen Denkens
benutzen, um das Dunkel des Lebensrätsels in Licht zu verwandeln." Vier That¬
sachen führt er an, ans welchen er seine Theorie von der fortwährend noch an¬
dauernden Urzeugung begründet. Einmal waren ihm Motten in ein mit Glas¬
stöpsel verschlossenes Gefäß mit Salevpulver gekommen, um welches er sich zwei
Jahre lang nicht gekümmert hatte; ein andermal zeigten sich Käferlarven an alten,
Uig gewordenen menschlichen Knochen, die er in einer Pappschachtel aufbewahrt
hatte; ein drittesmal schrieb ihm eine Dame, daß sie lebendige Mehlwürmer in
ihrem Brote gefunden habe, die garnicht auf dem sonst gebräuchlichen Wege in
das Mehl des Bäckers hineingekommen sein konnten; ein viertesmal endlich, berichtet


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[0549] Kleinere Mitteilungen. an den Giebeln etwas übergreifende Dach ist mit Stroh oder Schindeln gedeckt und im ersteren Falle mit Stangen festgehalten, die über dem First kreuzweise zusammengefügt sind. Den Eintretenden empfangt eine Hausflur mit ge¬ stampftem Estrich; vor sich sieht er im Hintergrunde die Hofthür, rechts und links zwei kleine Thüren, die zu zwei Zimmern führen — bei ärmeren Bauern musz eins genügen —, darüber liegt der Bodenraum. Das ist alles für eine zuweilen zahlreiche Familie. In der Ecke des Zimmers ragt der unvermeid- liche riesige Ofen, ringsum läuft eine hölzerne Bank. Ist daneben noch ein Bett vorhanden oder ein Tisch und ein paar Schemel, so kann der Bauer für Wohlhabend gelten. Doch alles erscheint sauber und reinlich. So bescheidenen Verhältnissen entspricht der Hof, ein mäßig großes Viereck, ringsum ein¬ geschlossen von einer schuppenartigen Bedachung auf starken Holzpfeilern, da¬ zwischen ein paar niedrige, geschlossene Ställe für Kleinvieh »ut Vvrratshänscheu; der Boden ist mit Dünger und Moos hoch bedeckt und kaum gangbar. Selten bemerkt man vor dem Hause ein paar Sträucher oder Blumen, fast niemals einen Baum. Zur Vervollständigung der ganzen Wirtschaft gehört noch der Eiskeller, eine Erdhöhle mit Hvlzdach, und die Badestnbe,' das Urbild des rus¬ sischen Dampfbades, ein kleines Blockhaus, in zwei Räume geteilt, der vordere für das Auskleiden, der innere für das kunstlose Schwitzbad: man gießt Wasser auf einen Häuser glühend gemachter Steine, bis die Temperatur hoch genng ist und der Dampf reichlich hervorströmt. (Schluß folgt.) Kleinere Mitteilungen. Die Entstehung des Lebens. „Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode." So könnte man mit Polomus von dem Buche des pharmazeutischen und physiologischen Chemikers Julius Hensel sagen: Das Leben. Seine Grund¬ lagen und die Mittel zu seiner Erhaltung. Physikalisch erklärt zum praktischen Nutzen für Ackerbau, Forstwirtschaft, Heilkunde und allgemeine Wohlfahrt. (Christianin, Huseberg u. Comp.) Es wäre nicht schwer, dieses Buch äußerst lächerlich zu machen, aber der Unsinn darin ist interessant dnrch die Folgerichtigkeit bei aller phantastischen Kühnheit des Verfassers. Er will „die Fackel des logischen Denkens benutzen, um das Dunkel des Lebensrätsels in Licht zu verwandeln." Vier That¬ sachen führt er an, ans welchen er seine Theorie von der fortwährend noch an¬ dauernden Urzeugung begründet. Einmal waren ihm Motten in ein mit Glas¬ stöpsel verschlossenes Gefäß mit Salevpulver gekommen, um welches er sich zwei Jahre lang nicht gekümmert hatte; ein andermal zeigten sich Käferlarven an alten, Uig gewordenen menschlichen Knochen, die er in einer Pappschachtel aufbewahrt hatte; ein drittesmal schrieb ihm eine Dame, daß sie lebendige Mehlwürmer in ihrem Brote gefunden habe, die garnicht auf dem sonst gebräuchlichen Wege in das Mehl des Bäckers hineingekommen sein konnten; ein viertesmal endlich, berichtet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/549>, abgerufen am 17.09.2024.