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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Das britische Weltreich und seine Aussichten.

schon jetzt gefährlich sind und dies unter Umständen noch weit mehr werden
können.

Aber kehren wir nach Amerika und nach den westindischen Gewässern zurück.
Dort bereiten sich große Dinge vor, indem der schmalste Teil des Festlandes
durchbrochen und das Atlantische Meer durch einen doppelten Kanal mit dem
Stillen Ozean vereinigt werden soll. Lesseps arbeitet mit Macht an der Voll¬
endung einer Wasserstraße zwischen Panama und Aspinwall. während die Nord¬
amerikaner weiter nördlich an einem Kanal bauen, welcher von San Juan de
Nicaragua Seeschiffe nach dem Hafen Brito an der Westküste tragen wird.
Diese Werke werden Umwälzungen im Weltverkehr zur Folge haben, die wahrhaft
ungeheurer Art sein werden. Schon jetzt läßt sich ermessen, daß nach Eröffnung
dieser Wege alle westindischen Seerouten und jeder Stützpunkt im amerikanischen
Mittelmeere rasch zehnfach erhöhte Bedeutung gewinnen werden, und daß den
Vereinigten Staaten dabei durch Verbindung ihrer atlantischen und pacifischen
Küsten der Löwenanteil zufallen und Zentralamerika bald ganz in deren Macht¬
kreis fallen wird. Es ist der größte Schritt zur Verwirklichung der Monroe-
Doktrin. der hier gethan wird. Diese schließliche Verwirklichung kaun die
Abdankung nicht bloß Englands, sondern ganz Europas in diesen Gegenden
der Erde bedeuten. Auch Frankreich wird nicht sich erfüllen sehen, was Frey-
cinet hoffte, als er im Panamakanal sich eine strategische Straße für die fran¬
zösische Kriegsflotte nach .Hinterindien öffnen sah. Hier, am amerikanischen
Isthmus, Schürze sich ein Knoten, den nur das Schwert eines gegen Nord¬
amerika vereinigten Europa einst zerhauen wird, und um die Wassergräben
zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean wird wahrscheinlich härter
gekümpft werden, als um die Straße zwischen dem Mittel- und dem Roten
Meere. Es gab eine Zeit, wo England dies verhüten konnte. Es mußte den
Mut haben, während des Sezessivnstrieges die Südstaaten mit allen Mitteln
zu unterstützen und so die Union zu sprengen, die dann ohne Zweifel nicht
bloß in zwei, sondern in vier nach Charakter und Interessen wesentlich ver¬
schiedene Teile zerfallen wäre. Es fand diesen Mut nicht, und es hat jetzt
kaum Aussicht, das Versäumte wieder einzubringen. Wenn das Ringen zwischen
ihm und der Union um jene Wasserwege und ihre Ufer beginnt, wird es nicht
bloß hier einem gewaltigen Gegner die Spitze zu bieten haben, sondern auch
in Kanada, dessen französische Bevölkerung sich leicht gegen die ihr immer
fremd gebliebenen Briten aufregen läßt, obwohl sie im ganzen nicht über Be¬
drückung durch sie zu klagen hat.

Indem wir den Verfasser der Schrift, aus welcher dies großenteils ent¬
nommen ist, nach Europa zurück begleiten, übergehen wir, was er über die in
neuester Zeit veränderte Stellung Großbritanniens zu den Fragen sagt, welche
mit der Ostsee und den Mächten an deren Gestade zusammenhängen, und richten
unsre Blicke nun auf das Mittelmeer. So lange Großbritannien Besitzungen in


Das britische Weltreich und seine Aussichten.

schon jetzt gefährlich sind und dies unter Umständen noch weit mehr werden
können.

Aber kehren wir nach Amerika und nach den westindischen Gewässern zurück.
Dort bereiten sich große Dinge vor, indem der schmalste Teil des Festlandes
durchbrochen und das Atlantische Meer durch einen doppelten Kanal mit dem
Stillen Ozean vereinigt werden soll. Lesseps arbeitet mit Macht an der Voll¬
endung einer Wasserstraße zwischen Panama und Aspinwall. während die Nord¬
amerikaner weiter nördlich an einem Kanal bauen, welcher von San Juan de
Nicaragua Seeschiffe nach dem Hafen Brito an der Westküste tragen wird.
Diese Werke werden Umwälzungen im Weltverkehr zur Folge haben, die wahrhaft
ungeheurer Art sein werden. Schon jetzt läßt sich ermessen, daß nach Eröffnung
dieser Wege alle westindischen Seerouten und jeder Stützpunkt im amerikanischen
Mittelmeere rasch zehnfach erhöhte Bedeutung gewinnen werden, und daß den
Vereinigten Staaten dabei durch Verbindung ihrer atlantischen und pacifischen
Küsten der Löwenanteil zufallen und Zentralamerika bald ganz in deren Macht¬
kreis fallen wird. Es ist der größte Schritt zur Verwirklichung der Monroe-
Doktrin. der hier gethan wird. Diese schließliche Verwirklichung kaun die
Abdankung nicht bloß Englands, sondern ganz Europas in diesen Gegenden
der Erde bedeuten. Auch Frankreich wird nicht sich erfüllen sehen, was Frey-
cinet hoffte, als er im Panamakanal sich eine strategische Straße für die fran¬
zösische Kriegsflotte nach .Hinterindien öffnen sah. Hier, am amerikanischen
Isthmus, Schürze sich ein Knoten, den nur das Schwert eines gegen Nord¬
amerika vereinigten Europa einst zerhauen wird, und um die Wassergräben
zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean wird wahrscheinlich härter
gekümpft werden, als um die Straße zwischen dem Mittel- und dem Roten
Meere. Es gab eine Zeit, wo England dies verhüten konnte. Es mußte den
Mut haben, während des Sezessivnstrieges die Südstaaten mit allen Mitteln
zu unterstützen und so die Union zu sprengen, die dann ohne Zweifel nicht
bloß in zwei, sondern in vier nach Charakter und Interessen wesentlich ver¬
schiedene Teile zerfallen wäre. Es fand diesen Mut nicht, und es hat jetzt
kaum Aussicht, das Versäumte wieder einzubringen. Wenn das Ringen zwischen
ihm und der Union um jene Wasserwege und ihre Ufer beginnt, wird es nicht
bloß hier einem gewaltigen Gegner die Spitze zu bieten haben, sondern auch
in Kanada, dessen französische Bevölkerung sich leicht gegen die ihr immer
fremd gebliebenen Briten aufregen läßt, obwohl sie im ganzen nicht über Be¬
drückung durch sie zu klagen hat.

Indem wir den Verfasser der Schrift, aus welcher dies großenteils ent¬
nommen ist, nach Europa zurück begleiten, übergehen wir, was er über die in
neuester Zeit veränderte Stellung Großbritanniens zu den Fragen sagt, welche
mit der Ostsee und den Mächten an deren Gestade zusammenhängen, und richten
unsre Blicke nun auf das Mittelmeer. So lange Großbritannien Besitzungen in


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[0507] Das britische Weltreich und seine Aussichten. schon jetzt gefährlich sind und dies unter Umständen noch weit mehr werden können. Aber kehren wir nach Amerika und nach den westindischen Gewässern zurück. Dort bereiten sich große Dinge vor, indem der schmalste Teil des Festlandes durchbrochen und das Atlantische Meer durch einen doppelten Kanal mit dem Stillen Ozean vereinigt werden soll. Lesseps arbeitet mit Macht an der Voll¬ endung einer Wasserstraße zwischen Panama und Aspinwall. während die Nord¬ amerikaner weiter nördlich an einem Kanal bauen, welcher von San Juan de Nicaragua Seeschiffe nach dem Hafen Brito an der Westküste tragen wird. Diese Werke werden Umwälzungen im Weltverkehr zur Folge haben, die wahrhaft ungeheurer Art sein werden. Schon jetzt läßt sich ermessen, daß nach Eröffnung dieser Wege alle westindischen Seerouten und jeder Stützpunkt im amerikanischen Mittelmeere rasch zehnfach erhöhte Bedeutung gewinnen werden, und daß den Vereinigten Staaten dabei durch Verbindung ihrer atlantischen und pacifischen Küsten der Löwenanteil zufallen und Zentralamerika bald ganz in deren Macht¬ kreis fallen wird. Es ist der größte Schritt zur Verwirklichung der Monroe- Doktrin. der hier gethan wird. Diese schließliche Verwirklichung kaun die Abdankung nicht bloß Englands, sondern ganz Europas in diesen Gegenden der Erde bedeuten. Auch Frankreich wird nicht sich erfüllen sehen, was Frey- cinet hoffte, als er im Panamakanal sich eine strategische Straße für die fran¬ zösische Kriegsflotte nach .Hinterindien öffnen sah. Hier, am amerikanischen Isthmus, Schürze sich ein Knoten, den nur das Schwert eines gegen Nord¬ amerika vereinigten Europa einst zerhauen wird, und um die Wassergräben zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean wird wahrscheinlich härter gekümpft werden, als um die Straße zwischen dem Mittel- und dem Roten Meere. Es gab eine Zeit, wo England dies verhüten konnte. Es mußte den Mut haben, während des Sezessivnstrieges die Südstaaten mit allen Mitteln zu unterstützen und so die Union zu sprengen, die dann ohne Zweifel nicht bloß in zwei, sondern in vier nach Charakter und Interessen wesentlich ver¬ schiedene Teile zerfallen wäre. Es fand diesen Mut nicht, und es hat jetzt kaum Aussicht, das Versäumte wieder einzubringen. Wenn das Ringen zwischen ihm und der Union um jene Wasserwege und ihre Ufer beginnt, wird es nicht bloß hier einem gewaltigen Gegner die Spitze zu bieten haben, sondern auch in Kanada, dessen französische Bevölkerung sich leicht gegen die ihr immer fremd gebliebenen Briten aufregen läßt, obwohl sie im ganzen nicht über Be¬ drückung durch sie zu klagen hat. Indem wir den Verfasser der Schrift, aus welcher dies großenteils ent¬ nommen ist, nach Europa zurück begleiten, übergehen wir, was er über die in neuester Zeit veränderte Stellung Großbritanniens zu den Fragen sagt, welche mit der Ostsee und den Mächten an deren Gestade zusammenhängen, und richten unsre Blicke nun auf das Mittelmeer. So lange Großbritannien Besitzungen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/507>, abgerufen am 17.09.2024.