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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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ander verbunden sind. Dazu kommen in den sechs Forts und sechs Batterien
der Insel Alderney und den drei Forts, die auf Jersey errichtet worden sind,
noch detachirte Werke, welche das französische Ufer bei Cherbourg fast bestreichen
und von welchen man Bewegungen dortiger Gegner beobachten und flankiren
kann. Nur hunderteinundsechzig Kilometer Küste trennen Portsmouth von
Dover, dem englischen Hafen, der dem Festlande am nächsten liegt und so einem
Angriff von dorther am meisten ausgesetzt scheint, der aber anderseits einer
Vereinigung der deutschen mit der französischen Flotte zu gemeinsamer Aktion
gegen England, die für die Zukunft keineswegs ganz undenkbar wäre, einen
Riegel vorschieben könnte. Indes beherrschen zwar die gut befestigten Höhen
bei Dover die Küste, aber ein eigentlicher Kriegshafen ist der Ort nicht, und
eine Landung wäre hier unter Umständen sehr wohl zu bewerkstelligen, auch
könnte sich dieser Punkt zur Stütze für ferneren Nachschub empfehlen. Zwei¬
undsiebzig Kilometer östlich von hier stehen wir vor der Mündung der Themse
mit ihren Befestigungen: den Forts Coalhouse (dreizehn), Cliff (sechs), Shornmead
(elf), Tilbnry (sieben) und New Tavern (sechs Geschütze). Ihnen ist der Schutz
der Weltstadt London anvertraut, und innerhalb ihrer Schlagweite liegen die
großen Militär- und Marine-Etablissements am untern Laufe des Stromes:
Sheerneß mit zwei Forts, Woolwich, Purfleet und Deptford. Sheerneß kann
als Festung zweiten Ranges gelten, Chatham ist auf der Westseite hinsicht¬
lich der Befestigung vollständig vernachlässigt, und so sind nicht nur sein
Seearsenal und seine großen Flutdocks gefährdet, sondern es ist auch die Ver¬
teidigung des Fahrwassers der Themse weiter aufwärts gelähmt, da sich dort
keine Befestigungen mehr befinden. Als letzter Punkt von Bedeutung endlich
auf der von Wellington als gefährdet bezeichneten Küstenlinie ist der Hafen
von Harwich zu nennen, der als Stützpunkt eines Nordseegeschwaders dienen
könnte, und den das Fort Sandguard mit fünf Geschützen deckt. Ver¬
gebens sucht das Auge an den übrigen Küstensäumen, Flußmündungen,
Buchten und Häfen, am Clyde, Humber, Tyne, am Kanal von Bristol nach
Verteidigungsanstalten, nur den Mersey deckt eine Batterie mit sieben großen
Stücken.

Die englischen Kriegshafen zerfallen in solche, welche ein Hauptmarine¬
depot einschließen, dnrch dessen Wegnahme die Flotte also nachhaltig geschädigt
werden würde, und in solche, die nur untergeordnete Depot- und Werftanlagen
W schützen haben. Zur ersten Klasse gehören Plymouth, Portsmouth und
Chatham. zur zweiten Milforthaven, Portland, die befestigten Orte an der Themse,
Sheerneß, Dover, Kork und Harwich. Mehrere davon sind an sich sehr stark,
aber entscheidend für die Möglichkeit ihrer Verteidigung ist die Beantwortung
von zwei Fragen, und diese werden von dem Verfasser unsrer Schrift, was die
erste betrifft, bestimmt verneint, was die zweite angeht, zweifelhaft gelassen.
Die in Großbritannien stehende Artillerie ist nach ihm nicht zahlreich genug,


ander verbunden sind. Dazu kommen in den sechs Forts und sechs Batterien
der Insel Alderney und den drei Forts, die auf Jersey errichtet worden sind,
noch detachirte Werke, welche das französische Ufer bei Cherbourg fast bestreichen
und von welchen man Bewegungen dortiger Gegner beobachten und flankiren
kann. Nur hunderteinundsechzig Kilometer Küste trennen Portsmouth von
Dover, dem englischen Hafen, der dem Festlande am nächsten liegt und so einem
Angriff von dorther am meisten ausgesetzt scheint, der aber anderseits einer
Vereinigung der deutschen mit der französischen Flotte zu gemeinsamer Aktion
gegen England, die für die Zukunft keineswegs ganz undenkbar wäre, einen
Riegel vorschieben könnte. Indes beherrschen zwar die gut befestigten Höhen
bei Dover die Küste, aber ein eigentlicher Kriegshafen ist der Ort nicht, und
eine Landung wäre hier unter Umständen sehr wohl zu bewerkstelligen, auch
könnte sich dieser Punkt zur Stütze für ferneren Nachschub empfehlen. Zwei¬
undsiebzig Kilometer östlich von hier stehen wir vor der Mündung der Themse
mit ihren Befestigungen: den Forts Coalhouse (dreizehn), Cliff (sechs), Shornmead
(elf), Tilbnry (sieben) und New Tavern (sechs Geschütze). Ihnen ist der Schutz
der Weltstadt London anvertraut, und innerhalb ihrer Schlagweite liegen die
großen Militär- und Marine-Etablissements am untern Laufe des Stromes:
Sheerneß mit zwei Forts, Woolwich, Purfleet und Deptford. Sheerneß kann
als Festung zweiten Ranges gelten, Chatham ist auf der Westseite hinsicht¬
lich der Befestigung vollständig vernachlässigt, und so sind nicht nur sein
Seearsenal und seine großen Flutdocks gefährdet, sondern es ist auch die Ver¬
teidigung des Fahrwassers der Themse weiter aufwärts gelähmt, da sich dort
keine Befestigungen mehr befinden. Als letzter Punkt von Bedeutung endlich
auf der von Wellington als gefährdet bezeichneten Küstenlinie ist der Hafen
von Harwich zu nennen, der als Stützpunkt eines Nordseegeschwaders dienen
könnte, und den das Fort Sandguard mit fünf Geschützen deckt. Ver¬
gebens sucht das Auge an den übrigen Küstensäumen, Flußmündungen,
Buchten und Häfen, am Clyde, Humber, Tyne, am Kanal von Bristol nach
Verteidigungsanstalten, nur den Mersey deckt eine Batterie mit sieben großen
Stücken.

Die englischen Kriegshafen zerfallen in solche, welche ein Hauptmarine¬
depot einschließen, dnrch dessen Wegnahme die Flotte also nachhaltig geschädigt
werden würde, und in solche, die nur untergeordnete Depot- und Werftanlagen
W schützen haben. Zur ersten Klasse gehören Plymouth, Portsmouth und
Chatham. zur zweiten Milforthaven, Portland, die befestigten Orte an der Themse,
Sheerneß, Dover, Kork und Harwich. Mehrere davon sind an sich sehr stark,
aber entscheidend für die Möglichkeit ihrer Verteidigung ist die Beantwortung
von zwei Fragen, und diese werden von dem Verfasser unsrer Schrift, was die
erste betrifft, bestimmt verneint, was die zweite angeht, zweifelhaft gelassen.
Die in Großbritannien stehende Artillerie ist nach ihm nicht zahlreich genug,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/461>, abgerufen am 17.09.2024.