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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

handelt, in denen nach wie vor die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, anderseits
daß die Berichterstattung durch die Presse, wie sie seither beliebt worden ist, selbst
bei großen Zeitungen gar keinen Anspruch auf wissenschaftliche Beachtung hat.
Wer, der an öffentlichen Verhandlungen beteiligt war, hat es nicht schon erlebt,
daß über solche Verhandlungen hernach in den Zeitungen Dinge berichtet, daß den
Beteiligten Worte in den Mund gelegt wurden, die man nicht anders als mit dem
Ausdrucke "haarsträubender Blödsinn" bezeichnen kann. Wehe dem Juristen, sei er
Theoretiker oder Praktiker, der auf Grund von Zeitungsberichten ein Urteil über
eine Gerichtsverhandlung abgeben wollte! Er würde sich dem Vorwurfe nicht ent¬
ziehen können, daß er höchst leichtfertig gehandelt habe. Also das sind Phrasen,
was wir da hören. Die Wissenschaft wird durch das Verbot der Berichterstattung
in den wenigen nicht sür die Öffentlichkeit geeigneten Fällen nicht geschädigt
werden; im Gegenteil durch das Verbot werden manche falsche Urteile, die auf
Grund von schlechten Berichten über gerichtliche Urteile abgegeben wurden, unter¬
drückt und unmöglich gemacht werden. In der Ncichstagskommissivu ist mau denn
auch dem Gesetzentwurfe günstig gestimmt, und wenn auch einzelne Aenderungen
daran beliebt werden sollten, die wesentlichste Vorschrift, die des Verbots der
Berichterstattung über nicht öffentliche Verhandlungen, hat in der Kommission schon
die Mehrheit gefunden und wird sie Wohl auch im Reichstage finden.




Ein unbekanntes Gedicht von Karoline Reuber.

Die auf der Leip¬
ziger Stadtbibliothek aufbewahrte Büchersammlung der Deutschen Gesellschaft zu
Leipzig enthält unter ihren Schätzen meist Bücher, welche der Gesellschaft einst von
Mitgliedern oder Freunden verehrt worden sind. Auch Frauen, welche den Be¬
strebungen der Gesellschaft nahe standen, finden sich als Schenkgeberinnen, so die
Gottschedin, Christiane Mariane von Ziegler, die Freundin Sebastian Bachs, und
auch die Neuberiu. Das Buch, welches Karoline Reuber dargebracht hat, gewährt
durch ein eigenhändiges Widmungsgedicht der Schauspielerin noch ein besondres
Interesse. Es sind die "Sittlichen Zuchtbücher, des Hochberümpten Philosophi und
lerers Lueii Annel Seneca. In welchen, leer und underweisung funden Wirt, wie
sich ein mersch, der tugend gemäß, halten soll. . . . Durch Michael Herr, der freyen
kunst und artzney liebhaber, neulich verdeutscht. Straßburg M. D. XXXVI." --
eine Übersetzung der unter dem Namen der Dialoge bekannten echten und un¬
echten Schriften Senecas. Ans der Vorderseite des Vorsetzblattes steht von der
Hand der Neuberin geschrieben:


An
Die sämmtliche Deutsche Gesellschafft
über giebt
mit gebührender Hochachtung
dieses Buch

1'iivclvriea Og-rylms, Ueubsrin ^ob.
Deutsche Lomvoäiimtin.

Leipzig d. 16. vüvvmdr im Jahr
1733.



Die Rückseite trägt folgendes Gedicht:


Geh Weiser SsnovÄ zu andern Klugen Schrifften,
und laße Dir dnrch Sie ein wahres Deuckmcchl heissem,
Du trittst mit größern ruhen in die Gescllschafft ein,
als wenn Dn immer holst bey einer Frauen seyn,

Kleinere Mitteilungen.

handelt, in denen nach wie vor die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, anderseits
daß die Berichterstattung durch die Presse, wie sie seither beliebt worden ist, selbst
bei großen Zeitungen gar keinen Anspruch auf wissenschaftliche Beachtung hat.
Wer, der an öffentlichen Verhandlungen beteiligt war, hat es nicht schon erlebt,
daß über solche Verhandlungen hernach in den Zeitungen Dinge berichtet, daß den
Beteiligten Worte in den Mund gelegt wurden, die man nicht anders als mit dem
Ausdrucke „haarsträubender Blödsinn" bezeichnen kann. Wehe dem Juristen, sei er
Theoretiker oder Praktiker, der auf Grund von Zeitungsberichten ein Urteil über
eine Gerichtsverhandlung abgeben wollte! Er würde sich dem Vorwurfe nicht ent¬
ziehen können, daß er höchst leichtfertig gehandelt habe. Also das sind Phrasen,
was wir da hören. Die Wissenschaft wird durch das Verbot der Berichterstattung
in den wenigen nicht sür die Öffentlichkeit geeigneten Fällen nicht geschädigt
werden; im Gegenteil durch das Verbot werden manche falsche Urteile, die auf
Grund von schlechten Berichten über gerichtliche Urteile abgegeben wurden, unter¬
drückt und unmöglich gemacht werden. In der Ncichstagskommissivu ist mau denn
auch dem Gesetzentwurfe günstig gestimmt, und wenn auch einzelne Aenderungen
daran beliebt werden sollten, die wesentlichste Vorschrift, die des Verbots der
Berichterstattung über nicht öffentliche Verhandlungen, hat in der Kommission schon
die Mehrheit gefunden und wird sie Wohl auch im Reichstage finden.




Ein unbekanntes Gedicht von Karoline Reuber.

Die auf der Leip¬
ziger Stadtbibliothek aufbewahrte Büchersammlung der Deutschen Gesellschaft zu
Leipzig enthält unter ihren Schätzen meist Bücher, welche der Gesellschaft einst von
Mitgliedern oder Freunden verehrt worden sind. Auch Frauen, welche den Be¬
strebungen der Gesellschaft nahe standen, finden sich als Schenkgeberinnen, so die
Gottschedin, Christiane Mariane von Ziegler, die Freundin Sebastian Bachs, und
auch die Neuberiu. Das Buch, welches Karoline Reuber dargebracht hat, gewährt
durch ein eigenhändiges Widmungsgedicht der Schauspielerin noch ein besondres
Interesse. Es sind die „Sittlichen Zuchtbücher, des Hochberümpten Philosophi und
lerers Lueii Annel Seneca. In welchen, leer und underweisung funden Wirt, wie
sich ein mersch, der tugend gemäß, halten soll. . . . Durch Michael Herr, der freyen
kunst und artzney liebhaber, neulich verdeutscht. Straßburg M. D. XXXVI." —
eine Übersetzung der unter dem Namen der Dialoge bekannten echten und un¬
echten Schriften Senecas. Ans der Vorderseite des Vorsetzblattes steht von der
Hand der Neuberin geschrieben:


An
Die sämmtliche Deutsche Gesellschafft
über giebt
mit gebührender Hochachtung
dieses Buch

1'iivclvriea Og-rylms, Ueubsrin ^ob.
Deutsche Lomvoäiimtin.

Leipzig d. 16. vüvvmdr im Jahr
1733.



Die Rückseite trägt folgendes Gedicht:


Geh Weiser SsnovÄ zu andern Klugen Schrifften,
und laße Dir dnrch Sie ein wahres Deuckmcchl heissem,
Du trittst mit größern ruhen in die Gescllschafft ein,
als wenn Dn immer holst bey einer Frauen seyn,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/452>, abgerufen am 17.09.2024.