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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Friede mit Rom.

Grund, die preußische Negierung zu brüskiren, sie hatten sogar die gegründete
Hoffnung, daß diese dem Papsttum Italien gegenüber gute Dienste leisten
würde. Antvnelli war Staatsmann genug, um einzusehen, daß ein Krieg
des neuen Reiches gegen Italien die Lage des Papstes in Rom unmöglich
machen würde, und er gab deutlich zu verstehen, daß die Haltung des
Zentrums der Negierung gegenüber, besonders in der Adreßdebatte, in¬
korrekt und taktlos war. Unterdes; aber scheint der Jesuitismns mit seinem
Satze "Uns kann nur noch die Revolution helfen" bei den Entschließungen
der Kurie den Sieg davongetragen zu haben. Während die Monarchieen Europas,
Herrscher und Völker, gegenüber der Bresche in der Porta Pia teilnahmlos
blieben, zeigte sich allein das katholische Volk in Deutschland, durch Agita¬
tionen aufgehetzt, bereit, für die Kirche etwas zu thun. Diese Stimmung
des Papstes wurde geschickt von Führern des Zentrums ausgenutzt; die Suse-es
mixte" der deutschen und österreichischen katholischen Aristokratie verbanden sich
mit dem demokratischen Elemente, um den Papst mit seinem Staatssekretär von
dem Nutzen des Zentrums zu überzeugen, und alsbald zeigten Kundgebungen
der Kurie zu Gunsten des letzteren, daß die Bemühungen nicht erfolglos waren.
Man wird aus den veröffentlichten Depeschen der Langmut und dem Eifer
Gerechtigkeit widerfahren lassen, wie der Kanzler die guten Beziehungen mit
dem Papste zu erhalte" bemüht war. Seine einzige Bedingung war, daß Rom
aufgeben sollte, die Partei weiter zu decken; diese gerechte Forderung lehnte der
Papst ab, und damit war der Krieg begonnen. Bezeichnend dafür ist, daß die
preußische Regierung dieser Erklärung der Kurie mit der Aufhebung der katho¬
lischen Abteilung im Kultusministerium antwortete. Nachdem der Papst sich
auf die Seite der Feinde der Regierung gestellt hatte, konnte darin nicht
länger eine Behörde geduldet werden, welche unter königlicher Flagge päpstliche
Rechte vertrat. Immer aber gab die Negierung die Hoffnung nicht auf, mit
dem Papste zu einer Verständigung zu gelangen, sie ging in ihren Zugeständnissen
soweit, einen Kardinal der römischen Kirche für ihre Vertretung in Rom in
Vorschlag zu bringen, allein sie vermochte nicht den Einfluß der Jesuiten
innerhalb und außerhalb des Zentrums zu brechen. Jetzt begann ein Kampf,
der von Staat wie Kirche mit den heftigsten Mitteln geführt wurde, wobei
äußerlich die letztere insofern im Vorteil war, als sie mit ihrer absoluten Ver¬
fassung einem Gegner überlegen sein muß, welcher infolge der konstitutionellen
Regierungsform auf die wechselnde Gunst und Unterstützung politischer Par¬
teien angewiesen ist. Der Kanzler hat dabei niemals den Frieden, d. h. die Ver¬
ständigung mit Rom, aus den Angen verloren, die Parteien aber gingen anfangs
sehr viel weiter, ohne zu bedenken, daß der Kampf mit einer Macht, wie die rö¬
mische Kirche es ist, nur mit vereinten Kräften geführt werden konnte. Nicht lange
hat diese Unterstützung vorgehalten; nicht um die Rechte des Staates zu wahren,
sondern um ihren Fraktiousinteresseu zu dienen, suchten sie bei Gelegenheit


Der Friede mit Rom.

Grund, die preußische Negierung zu brüskiren, sie hatten sogar die gegründete
Hoffnung, daß diese dem Papsttum Italien gegenüber gute Dienste leisten
würde. Antvnelli war Staatsmann genug, um einzusehen, daß ein Krieg
des neuen Reiches gegen Italien die Lage des Papstes in Rom unmöglich
machen würde, und er gab deutlich zu verstehen, daß die Haltung des
Zentrums der Negierung gegenüber, besonders in der Adreßdebatte, in¬
korrekt und taktlos war. Unterdes; aber scheint der Jesuitismns mit seinem
Satze „Uns kann nur noch die Revolution helfen" bei den Entschließungen
der Kurie den Sieg davongetragen zu haben. Während die Monarchieen Europas,
Herrscher und Völker, gegenüber der Bresche in der Porta Pia teilnahmlos
blieben, zeigte sich allein das katholische Volk in Deutschland, durch Agita¬
tionen aufgehetzt, bereit, für die Kirche etwas zu thun. Diese Stimmung
des Papstes wurde geschickt von Führern des Zentrums ausgenutzt; die Suse-es
mixte« der deutschen und österreichischen katholischen Aristokratie verbanden sich
mit dem demokratischen Elemente, um den Papst mit seinem Staatssekretär von
dem Nutzen des Zentrums zu überzeugen, und alsbald zeigten Kundgebungen
der Kurie zu Gunsten des letzteren, daß die Bemühungen nicht erfolglos waren.
Man wird aus den veröffentlichten Depeschen der Langmut und dem Eifer
Gerechtigkeit widerfahren lassen, wie der Kanzler die guten Beziehungen mit
dem Papste zu erhalte« bemüht war. Seine einzige Bedingung war, daß Rom
aufgeben sollte, die Partei weiter zu decken; diese gerechte Forderung lehnte der
Papst ab, und damit war der Krieg begonnen. Bezeichnend dafür ist, daß die
preußische Regierung dieser Erklärung der Kurie mit der Aufhebung der katho¬
lischen Abteilung im Kultusministerium antwortete. Nachdem der Papst sich
auf die Seite der Feinde der Regierung gestellt hatte, konnte darin nicht
länger eine Behörde geduldet werden, welche unter königlicher Flagge päpstliche
Rechte vertrat. Immer aber gab die Negierung die Hoffnung nicht auf, mit
dem Papste zu einer Verständigung zu gelangen, sie ging in ihren Zugeständnissen
soweit, einen Kardinal der römischen Kirche für ihre Vertretung in Rom in
Vorschlag zu bringen, allein sie vermochte nicht den Einfluß der Jesuiten
innerhalb und außerhalb des Zentrums zu brechen. Jetzt begann ein Kampf,
der von Staat wie Kirche mit den heftigsten Mitteln geführt wurde, wobei
äußerlich die letztere insofern im Vorteil war, als sie mit ihrer absoluten Ver¬
fassung einem Gegner überlegen sein muß, welcher infolge der konstitutionellen
Regierungsform auf die wechselnde Gunst und Unterstützung politischer Par¬
teien angewiesen ist. Der Kanzler hat dabei niemals den Frieden, d. h. die Ver¬
ständigung mit Rom, aus den Angen verloren, die Parteien aber gingen anfangs
sehr viel weiter, ohne zu bedenken, daß der Kampf mit einer Macht, wie die rö¬
mische Kirche es ist, nur mit vereinten Kräften geführt werden konnte. Nicht lange
hat diese Unterstützung vorgehalten; nicht um die Rechte des Staates zu wahren,
sondern um ihren Fraktiousinteresseu zu dienen, suchten sie bei Gelegenheit


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[0412] Der Friede mit Rom. Grund, die preußische Negierung zu brüskiren, sie hatten sogar die gegründete Hoffnung, daß diese dem Papsttum Italien gegenüber gute Dienste leisten würde. Antvnelli war Staatsmann genug, um einzusehen, daß ein Krieg des neuen Reiches gegen Italien die Lage des Papstes in Rom unmöglich machen würde, und er gab deutlich zu verstehen, daß die Haltung des Zentrums der Negierung gegenüber, besonders in der Adreßdebatte, in¬ korrekt und taktlos war. Unterdes; aber scheint der Jesuitismns mit seinem Satze „Uns kann nur noch die Revolution helfen" bei den Entschließungen der Kurie den Sieg davongetragen zu haben. Während die Monarchieen Europas, Herrscher und Völker, gegenüber der Bresche in der Porta Pia teilnahmlos blieben, zeigte sich allein das katholische Volk in Deutschland, durch Agita¬ tionen aufgehetzt, bereit, für die Kirche etwas zu thun. Diese Stimmung des Papstes wurde geschickt von Führern des Zentrums ausgenutzt; die Suse-es mixte« der deutschen und österreichischen katholischen Aristokratie verbanden sich mit dem demokratischen Elemente, um den Papst mit seinem Staatssekretär von dem Nutzen des Zentrums zu überzeugen, und alsbald zeigten Kundgebungen der Kurie zu Gunsten des letzteren, daß die Bemühungen nicht erfolglos waren. Man wird aus den veröffentlichten Depeschen der Langmut und dem Eifer Gerechtigkeit widerfahren lassen, wie der Kanzler die guten Beziehungen mit dem Papste zu erhalte« bemüht war. Seine einzige Bedingung war, daß Rom aufgeben sollte, die Partei weiter zu decken; diese gerechte Forderung lehnte der Papst ab, und damit war der Krieg begonnen. Bezeichnend dafür ist, daß die preußische Regierung dieser Erklärung der Kurie mit der Aufhebung der katho¬ lischen Abteilung im Kultusministerium antwortete. Nachdem der Papst sich auf die Seite der Feinde der Regierung gestellt hatte, konnte darin nicht länger eine Behörde geduldet werden, welche unter königlicher Flagge päpstliche Rechte vertrat. Immer aber gab die Negierung die Hoffnung nicht auf, mit dem Papste zu einer Verständigung zu gelangen, sie ging in ihren Zugeständnissen soweit, einen Kardinal der römischen Kirche für ihre Vertretung in Rom in Vorschlag zu bringen, allein sie vermochte nicht den Einfluß der Jesuiten innerhalb und außerhalb des Zentrums zu brechen. Jetzt begann ein Kampf, der von Staat wie Kirche mit den heftigsten Mitteln geführt wurde, wobei äußerlich die letztere insofern im Vorteil war, als sie mit ihrer absoluten Ver¬ fassung einem Gegner überlegen sein muß, welcher infolge der konstitutionellen Regierungsform auf die wechselnde Gunst und Unterstützung politischer Par¬ teien angewiesen ist. Der Kanzler hat dabei niemals den Frieden, d. h. die Ver¬ ständigung mit Rom, aus den Angen verloren, die Parteien aber gingen anfangs sehr viel weiter, ohne zu bedenken, daß der Kampf mit einer Macht, wie die rö¬ mische Kirche es ist, nur mit vereinten Kräften geführt werden konnte. Nicht lange hat diese Unterstützung vorgehalten; nicht um die Rechte des Staates zu wahren, sondern um ihren Fraktiousinteresseu zu dienen, suchten sie bei Gelegenheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/412>, abgerufen am 17.09.2024.