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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Der Friede mit Rom.

fand Anklang bei allen, welche den Grenzstrcit zwischen Staat und Kirche im
Sinne des erster,, zu entscheiden willens waren, vielleicht nicht am wenigsten
bei dem damaligen Kultusminister Falk, obgleich Fürst Bismarck deutlich und
wiederholt erklärt hatte, daß der Zeit des Kampfes eine Zeit des Friedens,
dem kriegerischen Papst ein friedlicher folgen müsse, und obgleich er keine
Gelegenheit hatte vorübergehen lassen, selbst mit Pius IX. wieder auf einen
bessern Fuß zu gelangen. Diese Worte des Kanzlers verhallten gegenüber dem
Kampseseifer der Partei, welche nicht nach der Meinung des Führers, sondern
"ach eignem Gutdünken den Krieg zu führen suchte. Die jetzt veröffentlichten
Depeschen zwischen dem Kanzler und den Vertretern Deutschlands denn ^all an
aus der Konzilszeit haben auch die Gegner davon überzeugt, daß der ^eichs-
lauzlcr von der Unfehlbarkeitsfrage nicht berührt wurde; er knüpfte weder
Hoffnungen noch Befürchtungen daran und bewahrte die gleiche zurückhal¬
tende Stellung, obgleich der deutsche Gesandte von Arnim von Rom aus
immer wieder aufs neue ein Einschreiten des Staates in dieser rein kirchlichen
Angelegenheit verlangte. Fürst Bisiuarck ließ sich aus seiner Reserve nicht
heraufdrangen, sein Grundsatz war, daß aus dem Unfehlbarkeitsdogma nur
Listigkeiten innerhalb der katholischen Kirche, nicht aber zwischen dieser und
dem Staate entstehen könnten, und daß der Staat jedes Eingreifen auf se,n eigne"
Gebiet durch die Gesetzgebung abwehren würde. Gegenüber denjenigen, welche
auch heute noch nicht müde werden, die Politik des Grafen von Amur als
weise Voraussicht zu preisen, die uus den Kulturkampf vermieden haben wurde,darf man fragen, ob während der ganzen Zeit des Kulturkampfes auch nur
ein einziges mal der Papst mit seiner Unfehlbarkeit zu Felde zog. Das Dogma
diente lediglich in den oratorischen Debatten des Reichs- und Landtages als
deklamatorischer Nedcschmnck. um auf die Massen zu wirken. Es ist dies auch
ganz natürlich, denn theoretisch und thatsächlich war bereits vor dem Dogma
der Papst unfehlbar, und das Dogma war nur eine Sanktion, d,e an den prak¬
tischen Verhältnissen nichts änderte. Wohl aber bewahrheitete sich die Meinung
des Fürsten Vismarck, denn das Unfehlbarkeitsdogma hatte innerhalb der katho¬
lischen Kirche eine Scheidung zur Folge, indem es die Altkatholiken hervorrief
und "och jetzt am Ausgange des Kulturkampfes die separatistische Neigungder deutschen Katholiken gegen den Papst ans Licht brachte. Wie richtig es
war, daß Preußen nicht allein gegen Konzil und Dogma auftrat, beweist
auch die nachmalige Haltung der deutschen Bischöfe. Sie fanden auf dem
Konzil die volle Unterstützung unsrer Vertretung, es war ihnen kein Zweifel,
gelassen, daß ihre Opposition gegen das Dogma den Staat nicht bewegen
würde, gegen sie einzuschreiten. Der Gesandte von Amur durfte nichts
thun, wenn er sich nicht vorher des Einverständnisses mit unsern Bischöfen
versichert hatte, und trotzdem "ahn der deutsche Episkopat später das Dogma
der Unfehlbarkeit an. Was wäre die Folge gewesen, wenn der Staat sich


Grenzboten II. 1837.
Der Friede mit Rom.

fand Anklang bei allen, welche den Grenzstrcit zwischen Staat und Kirche im
Sinne des erster,, zu entscheiden willens waren, vielleicht nicht am wenigsten
bei dem damaligen Kultusminister Falk, obgleich Fürst Bismarck deutlich und
wiederholt erklärt hatte, daß der Zeit des Kampfes eine Zeit des Friedens,
dem kriegerischen Papst ein friedlicher folgen müsse, und obgleich er keine
Gelegenheit hatte vorübergehen lassen, selbst mit Pius IX. wieder auf einen
bessern Fuß zu gelangen. Diese Worte des Kanzlers verhallten gegenüber dem
Kampseseifer der Partei, welche nicht nach der Meinung des Führers, sondern
»ach eignem Gutdünken den Krieg zu führen suchte. Die jetzt veröffentlichten
Depeschen zwischen dem Kanzler und den Vertretern Deutschlands denn ^all an
aus der Konzilszeit haben auch die Gegner davon überzeugt, daß der ^eichs-
lauzlcr von der Unfehlbarkeitsfrage nicht berührt wurde; er knüpfte weder
Hoffnungen noch Befürchtungen daran und bewahrte die gleiche zurückhal¬
tende Stellung, obgleich der deutsche Gesandte von Arnim von Rom aus
immer wieder aufs neue ein Einschreiten des Staates in dieser rein kirchlichen
Angelegenheit verlangte. Fürst Bisiuarck ließ sich aus seiner Reserve nicht
heraufdrangen, sein Grundsatz war, daß aus dem Unfehlbarkeitsdogma nur
Listigkeiten innerhalb der katholischen Kirche, nicht aber zwischen dieser und
dem Staate entstehen könnten, und daß der Staat jedes Eingreifen auf se,n eigne»
Gebiet durch die Gesetzgebung abwehren würde. Gegenüber denjenigen, welche
auch heute noch nicht müde werden, die Politik des Grafen von Amur als
weise Voraussicht zu preisen, die uus den Kulturkampf vermieden haben wurde,darf man fragen, ob während der ganzen Zeit des Kulturkampfes auch nur
ein einziges mal der Papst mit seiner Unfehlbarkeit zu Felde zog. Das Dogma
diente lediglich in den oratorischen Debatten des Reichs- und Landtages als
deklamatorischer Nedcschmnck. um auf die Massen zu wirken. Es ist dies auch
ganz natürlich, denn theoretisch und thatsächlich war bereits vor dem Dogma
der Papst unfehlbar, und das Dogma war nur eine Sanktion, d,e an den prak¬
tischen Verhältnissen nichts änderte. Wohl aber bewahrheitete sich die Meinung
des Fürsten Vismarck, denn das Unfehlbarkeitsdogma hatte innerhalb der katho¬
lischen Kirche eine Scheidung zur Folge, indem es die Altkatholiken hervorrief
und „och jetzt am Ausgange des Kulturkampfes die separatistische Neigungder deutschen Katholiken gegen den Papst ans Licht brachte. Wie richtig es
war, daß Preußen nicht allein gegen Konzil und Dogma auftrat, beweist
auch die nachmalige Haltung der deutschen Bischöfe. Sie fanden auf dem
Konzil die volle Unterstützung unsrer Vertretung, es war ihnen kein Zweifel,
gelassen, daß ihre Opposition gegen das Dogma den Staat nicht bewegen
würde, gegen sie einzuschreiten. Der Gesandte von Amur durfte nichts
thun, wenn er sich nicht vorher des Einverständnisses mit unsern Bischöfen
versichert hatte, und trotzdem „ahn der deutsche Episkopat später das Dogma
der Unfehlbarkeit an. Was wäre die Folge gewesen, wenn der Staat sich


Grenzboten II. 1837.
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[0409] Der Friede mit Rom. fand Anklang bei allen, welche den Grenzstrcit zwischen Staat und Kirche im Sinne des erster,, zu entscheiden willens waren, vielleicht nicht am wenigsten bei dem damaligen Kultusminister Falk, obgleich Fürst Bismarck deutlich und wiederholt erklärt hatte, daß der Zeit des Kampfes eine Zeit des Friedens, dem kriegerischen Papst ein friedlicher folgen müsse, und obgleich er keine Gelegenheit hatte vorübergehen lassen, selbst mit Pius IX. wieder auf einen bessern Fuß zu gelangen. Diese Worte des Kanzlers verhallten gegenüber dem Kampseseifer der Partei, welche nicht nach der Meinung des Führers, sondern »ach eignem Gutdünken den Krieg zu führen suchte. Die jetzt veröffentlichten Depeschen zwischen dem Kanzler und den Vertretern Deutschlands denn ^all an aus der Konzilszeit haben auch die Gegner davon überzeugt, daß der ^eichs- lauzlcr von der Unfehlbarkeitsfrage nicht berührt wurde; er knüpfte weder Hoffnungen noch Befürchtungen daran und bewahrte die gleiche zurückhal¬ tende Stellung, obgleich der deutsche Gesandte von Arnim von Rom aus immer wieder aufs neue ein Einschreiten des Staates in dieser rein kirchlichen Angelegenheit verlangte. Fürst Bisiuarck ließ sich aus seiner Reserve nicht heraufdrangen, sein Grundsatz war, daß aus dem Unfehlbarkeitsdogma nur Listigkeiten innerhalb der katholischen Kirche, nicht aber zwischen dieser und dem Staate entstehen könnten, und daß der Staat jedes Eingreifen auf se,n eigne» Gebiet durch die Gesetzgebung abwehren würde. Gegenüber denjenigen, welche auch heute noch nicht müde werden, die Politik des Grafen von Amur als weise Voraussicht zu preisen, die uus den Kulturkampf vermieden haben wurde,darf man fragen, ob während der ganzen Zeit des Kulturkampfes auch nur ein einziges mal der Papst mit seiner Unfehlbarkeit zu Felde zog. Das Dogma diente lediglich in den oratorischen Debatten des Reichs- und Landtages als deklamatorischer Nedcschmnck. um auf die Massen zu wirken. Es ist dies auch ganz natürlich, denn theoretisch und thatsächlich war bereits vor dem Dogma der Papst unfehlbar, und das Dogma war nur eine Sanktion, d,e an den prak¬ tischen Verhältnissen nichts änderte. Wohl aber bewahrheitete sich die Meinung des Fürsten Vismarck, denn das Unfehlbarkeitsdogma hatte innerhalb der katho¬ lischen Kirche eine Scheidung zur Folge, indem es die Altkatholiken hervorrief und „och jetzt am Ausgange des Kulturkampfes die separatistische Neigungder deutschen Katholiken gegen den Papst ans Licht brachte. Wie richtig es war, daß Preußen nicht allein gegen Konzil und Dogma auftrat, beweist auch die nachmalige Haltung der deutschen Bischöfe. Sie fanden auf dem Konzil die volle Unterstützung unsrer Vertretung, es war ihnen kein Zweifel, gelassen, daß ihre Opposition gegen das Dogma den Staat nicht bewegen würde, gegen sie einzuschreiten. Der Gesandte von Amur durfte nichts thun, wenn er sich nicht vorher des Einverständnisses mit unsern Bischöfen versichert hatte, und trotzdem „ahn der deutsche Episkopat später das Dogma der Unfehlbarkeit an. Was wäre die Folge gewesen, wenn der Staat sich Grenzboten II. 1837.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/409>, abgerufen am 17.09.2024.