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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Beusts Erinnerungen.

stellenweise offenbar Gedanken, welche sich angesichts vollendeter Thatsachen bei
dem greisen Staatsmann eingestellt haben, in Zeiten zurückdatirt worden seien,
in denen das Eintreten jener Thatsachen noch nicht vorauszusehen war. Aber
welcher Stümper ist Fürst Metternich neben dem Grafen Beust! Wäre er,
wie beabsichtigt war. schon im März 1848 sächsischer Minister geworden, so
würde er das Überwuchern der Demokratie in Sachsen verhütet haben, und es
wäre mindestens nicht zu dem Maiaufstände von 1349 gekommen. Hätte Fürst
Windischgrätz ihn gefragt, so wäre Blum nicht erschossen worden, und "es ist
nicht ganz zweifellos, ob ohne diesen Zmischenfall die Abstimmung in der Kaiser¬
frage die gleiche gewesen wäre," wobei nicht vergessen werden darf, daß Friedrich
Wilhelm IV. erklärte, die Wahl gebe ihm ein Anrecht; "der Gedanke des An¬
rechts wurde seitdem nie aufgegeben." Folglich: ohne Blums Erschießung anch
kein preußisches Kaisertum! Wäre es nach ihm gegangen, so hätte die Zu¬
sammenkunft in Olmtttz uicht stattgefunden, sondern Österreich im Verein mit
Sachsen und Baiern in Berlin den Frieden diktirt und den Hegcmoniegelüsten
Preußens ein- für allemal ein Ende gemacht. (Er erzählt hier, zu Anfang 1851
habe der damalige Prinz von Preußen ihm gesagt: "Sie wären bis Berlin ge¬
kommen, aber wie wieder hinaus?" "Die Ehrerbietung -- setzt Beust hinzu --
verbot mir zu antworten, daß, wenn mau drin ist, das Hinausgehen uicht
schwer, das Hinauswerfen aber nicht leicht ist." Daneben möge nun folgende
verbürgte Anekdote einen Platz finden, welche Graf Beust vielleicht auch in
Wien gehört haben würde, wenn zu seiner Zeit die beteiligten Personen noch
am Leben gewesen wären. In dem Ministerrat oder Kronrat oder wie die
Versammlung sonst hieß, in welcher das Ultimatum an Preußen beschlossen
wurde, stimmte Marschall Radetzky gegen den Krieg und ergab sich mit den
Worten: "Nun gut, wenn geschehen muß, was nicht geschehen sollte, so mar-
schiren wir, und in vierzehn Tagen sind wir in Berlin." Allein geblieben mit
dem Protokollführer, richtete Fürst Schmarzcnberg an diesen die Frage, weshalb
er vor sich hin gelächelt habe, und dieser legte auf das Drängen des Ministers
seinen Gedankengang dar: wir schlagen die Preußen, wir nehmen den Prinzen
von Preußen gefangen, wir besetzen Berlin -- was dann weiter? Schwarzen¬
berg stutzte einen Augenblick und meinte dann, darüber sich den Kopf zu zer¬
brechen, sei noch zu früh.)

Fahren wir indessen fort in dem Verlaufe der Weltgeschichte, wie Beust
ihn geleitet haben würde. 1852 belehrte er den Kaiser Nikolaus, daß es
weise sein würde, den dynastischen Rechtstitel des zweiten Kaiserreiches anzu¬
erkennen. "Der Kaiser ließ sich nicht überzeugen. Wäre es mir gelungen, wie
anders wären die Dinge gekommen! Die Frage des von trers hatte dann
kein Objekt mehr, und ohne diese Frage gab es keinen Krimkrieg." Während
der Londoner Konferenz 1864 .bat Beust, Österreich möge einen Bundcsbeschluß
auf Anerkennung und Einsetzung des Prinzen von Augustenburg als Herzog


Grenzboten II. 1387. 4
Beusts Erinnerungen.

stellenweise offenbar Gedanken, welche sich angesichts vollendeter Thatsachen bei
dem greisen Staatsmann eingestellt haben, in Zeiten zurückdatirt worden seien,
in denen das Eintreten jener Thatsachen noch nicht vorauszusehen war. Aber
welcher Stümper ist Fürst Metternich neben dem Grafen Beust! Wäre er,
wie beabsichtigt war. schon im März 1848 sächsischer Minister geworden, so
würde er das Überwuchern der Demokratie in Sachsen verhütet haben, und es
wäre mindestens nicht zu dem Maiaufstände von 1349 gekommen. Hätte Fürst
Windischgrätz ihn gefragt, so wäre Blum nicht erschossen worden, und „es ist
nicht ganz zweifellos, ob ohne diesen Zmischenfall die Abstimmung in der Kaiser¬
frage die gleiche gewesen wäre," wobei nicht vergessen werden darf, daß Friedrich
Wilhelm IV. erklärte, die Wahl gebe ihm ein Anrecht; „der Gedanke des An¬
rechts wurde seitdem nie aufgegeben." Folglich: ohne Blums Erschießung anch
kein preußisches Kaisertum! Wäre es nach ihm gegangen, so hätte die Zu¬
sammenkunft in Olmtttz uicht stattgefunden, sondern Österreich im Verein mit
Sachsen und Baiern in Berlin den Frieden diktirt und den Hegcmoniegelüsten
Preußens ein- für allemal ein Ende gemacht. (Er erzählt hier, zu Anfang 1851
habe der damalige Prinz von Preußen ihm gesagt: „Sie wären bis Berlin ge¬
kommen, aber wie wieder hinaus?" „Die Ehrerbietung — setzt Beust hinzu —
verbot mir zu antworten, daß, wenn mau drin ist, das Hinausgehen uicht
schwer, das Hinauswerfen aber nicht leicht ist." Daneben möge nun folgende
verbürgte Anekdote einen Platz finden, welche Graf Beust vielleicht auch in
Wien gehört haben würde, wenn zu seiner Zeit die beteiligten Personen noch
am Leben gewesen wären. In dem Ministerrat oder Kronrat oder wie die
Versammlung sonst hieß, in welcher das Ultimatum an Preußen beschlossen
wurde, stimmte Marschall Radetzky gegen den Krieg und ergab sich mit den
Worten: „Nun gut, wenn geschehen muß, was nicht geschehen sollte, so mar-
schiren wir, und in vierzehn Tagen sind wir in Berlin." Allein geblieben mit
dem Protokollführer, richtete Fürst Schmarzcnberg an diesen die Frage, weshalb
er vor sich hin gelächelt habe, und dieser legte auf das Drängen des Ministers
seinen Gedankengang dar: wir schlagen die Preußen, wir nehmen den Prinzen
von Preußen gefangen, wir besetzen Berlin — was dann weiter? Schwarzen¬
berg stutzte einen Augenblick und meinte dann, darüber sich den Kopf zu zer¬
brechen, sei noch zu früh.)

Fahren wir indessen fort in dem Verlaufe der Weltgeschichte, wie Beust
ihn geleitet haben würde. 1852 belehrte er den Kaiser Nikolaus, daß es
weise sein würde, den dynastischen Rechtstitel des zweiten Kaiserreiches anzu¬
erkennen. „Der Kaiser ließ sich nicht überzeugen. Wäre es mir gelungen, wie
anders wären die Dinge gekommen! Die Frage des von trers hatte dann
kein Objekt mehr, und ohne diese Frage gab es keinen Krimkrieg." Während
der Londoner Konferenz 1864 .bat Beust, Österreich möge einen Bundcsbeschluß
auf Anerkennung und Einsetzung des Prinzen von Augustenburg als Herzog


Grenzboten II. 1387. 4
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/33>, abgerufen am 17.09.2024.