Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch einmal die Unzulänglichkeit des theologischen Studiums.

nehmen mag und kann, weil er die Gaben dazu hat, die aber durchaus nicht
zu verallgemeinern sind.

Das geistliche Amt ist schlechterdings nur dazu da, daß wir zum Glauben
kommen. Zum Glauben aber kommen wir durchs Wort. Ganz sachlich sagt
die Oonkessio ^nZ'uswng,: I7t> Kg-ne Mein, oonsöyMinnr, institutnin, sse mini-
stsiium ciooencii svxmAslii. . . . ?>sg.in xsr vsrdum äong-tur Lxiritus Lklnotus,
Mi lläsm otLoit. Nicht als ob das Wort den Glauben -- Glaube immer
im höchsten Sinne als eine Hingebung an Gott und die Welt des Ewigen und
ein Vertrauen auf sie -- wirken müßte; denn der Glaube wird wie die Tugend
nicht gelehrt, sondern ergriffen; aber das Wort treibt zum Ergreifen, und der
Mensch, der sich treiben läßt, spürt schon den Zug zur Gnade, ans der dann
nicht bloß das Wollen, sondern das Guteswollen kommt. Wie das Gutes¬
wollen zu stände kommt, das bleibt ebenso das absolute Geheimnis der Welt,
als es das Böse bleibt. Auch die Kirche weiß dies Geheimnis mit ihrer Lehre
nicht zu lösen. Aber der Wollende hat als Grundgefühl seines religiösen Be¬
stimmtseins in sich, daß das Wollen des Guten ein Produkt seiner Selbst¬
bestimmung und göttlichen Wirkens, ein Produkt der Freiheit und Gnade ist,
und ebenso weiß er, daß das Wachstum in der Erkenntnis Gottes, also in der
Wahrheit, und das Wachstum im Wollen des Guten ein und dasselbe ist,
nichts anders, als ein Wachsen in die Ewigkeit selbst hinein. Das zu predigen,
so zu predigen, daß er Beistimmung findet, ist die Aufgabe des Geistlichen.
Damit hat er genug gethan. Denn solches Beistimmen ist sich erlösen lassen,
ein Herabziehen himmlischer Kraft ins irdische Leben, wie es ein Hinausgreifen
über die Grenzen unsers zeitlichen Lebens ist. Kuno Fischer sagte einmal im
Kolleg -- ich weiß nicht, ob er das schöne Wort auch irgendwo hat drucken
lassen --: "Wüßten wir, was der Tod ist, so brauchten wir keine Kirche;
da wir das nie wissen werden, so werden wir stets eine Kirche brauchen," d. s-
eine Anstalt, die wie ein Finger Gottes hinweist auf etwas, was hinter dem
Vorhang dieser unvollendeten Welt ruht, und das wir nicht mit Wissen, aber
mit Glauben erfassen. Und das ist mehr als das Wissen, nach seinem Werte
für das Leben gemessen. Auf diesem Glauben, wohlgemerkt, nicht auf dem
Dogma, von dem unsre heutige Welt los ist für immer, sondern auf dem
Glauben an eine Vollendung der Dinge und der Geister steht die moralische
Welt, wie unser Glück drauf steht. Wo der Mensch nicht das Ewige im Zeit¬
lichen erfaßt, da giebt es sich von selbst, daß er das Leben zum Leben machen
will durch deu Genuß; damit führt er den Tod herbei, jenen Unwert alles
Daseins, unter dem er wie seine Würde, so sein Glück und seine Freude be¬
gräbt. Denn es giebt schlechterdings keinen Genuß auf Erden, ebenso wie es
keinen Besitz giebt, aus dem die Empfindung des Glückes, aus dem die
Freude kommen müßte. Aber wohl giebt es Glück und Freude, die dauert,
sobald der Mensch anfängt, sich selbst als ein Glied der göttlichen Ort-


Noch einmal die Unzulänglichkeit des theologischen Studiums.

nehmen mag und kann, weil er die Gaben dazu hat, die aber durchaus nicht
zu verallgemeinern sind.

Das geistliche Amt ist schlechterdings nur dazu da, daß wir zum Glauben
kommen. Zum Glauben aber kommen wir durchs Wort. Ganz sachlich sagt
die Oonkessio ^nZ'uswng,: I7t> Kg-ne Mein, oonsöyMinnr, institutnin, sse mini-
stsiium ciooencii svxmAslii. . . . ?>sg.in xsr vsrdum äong-tur Lxiritus Lklnotus,
Mi lläsm otLoit. Nicht als ob das Wort den Glauben — Glaube immer
im höchsten Sinne als eine Hingebung an Gott und die Welt des Ewigen und
ein Vertrauen auf sie — wirken müßte; denn der Glaube wird wie die Tugend
nicht gelehrt, sondern ergriffen; aber das Wort treibt zum Ergreifen, und der
Mensch, der sich treiben läßt, spürt schon den Zug zur Gnade, ans der dann
nicht bloß das Wollen, sondern das Guteswollen kommt. Wie das Gutes¬
wollen zu stände kommt, das bleibt ebenso das absolute Geheimnis der Welt,
als es das Böse bleibt. Auch die Kirche weiß dies Geheimnis mit ihrer Lehre
nicht zu lösen. Aber der Wollende hat als Grundgefühl seines religiösen Be¬
stimmtseins in sich, daß das Wollen des Guten ein Produkt seiner Selbst¬
bestimmung und göttlichen Wirkens, ein Produkt der Freiheit und Gnade ist,
und ebenso weiß er, daß das Wachstum in der Erkenntnis Gottes, also in der
Wahrheit, und das Wachstum im Wollen des Guten ein und dasselbe ist,
nichts anders, als ein Wachsen in die Ewigkeit selbst hinein. Das zu predigen,
so zu predigen, daß er Beistimmung findet, ist die Aufgabe des Geistlichen.
Damit hat er genug gethan. Denn solches Beistimmen ist sich erlösen lassen,
ein Herabziehen himmlischer Kraft ins irdische Leben, wie es ein Hinausgreifen
über die Grenzen unsers zeitlichen Lebens ist. Kuno Fischer sagte einmal im
Kolleg — ich weiß nicht, ob er das schöne Wort auch irgendwo hat drucken
lassen —: „Wüßten wir, was der Tod ist, so brauchten wir keine Kirche;
da wir das nie wissen werden, so werden wir stets eine Kirche brauchen," d. s-
eine Anstalt, die wie ein Finger Gottes hinweist auf etwas, was hinter dem
Vorhang dieser unvollendeten Welt ruht, und das wir nicht mit Wissen, aber
mit Glauben erfassen. Und das ist mehr als das Wissen, nach seinem Werte
für das Leben gemessen. Auf diesem Glauben, wohlgemerkt, nicht auf dem
Dogma, von dem unsre heutige Welt los ist für immer, sondern auf dem
Glauben an eine Vollendung der Dinge und der Geister steht die moralische
Welt, wie unser Glück drauf steht. Wo der Mensch nicht das Ewige im Zeit¬
lichen erfaßt, da giebt es sich von selbst, daß er das Leben zum Leben machen
will durch deu Genuß; damit führt er den Tod herbei, jenen Unwert alles
Daseins, unter dem er wie seine Würde, so sein Glück und seine Freude be¬
gräbt. Denn es giebt schlechterdings keinen Genuß auf Erden, ebenso wie es
keinen Besitz giebt, aus dem die Empfindung des Glückes, aus dem die
Freude kommen müßte. Aber wohl giebt es Glück und Freude, die dauert,
sobald der Mensch anfängt, sich selbst als ein Glied der göttlichen Ort-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/288705"/>
          <fw type="header" place="top"> Noch einmal die Unzulänglichkeit des theologischen Studiums.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_753" prev="#ID_752"> nehmen mag und kann, weil er die Gaben dazu hat, die aber durchaus nicht<lb/>
zu verallgemeinern sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_754" next="#ID_755"> Das geistliche Amt ist schlechterdings nur dazu da, daß wir zum Glauben<lb/>
kommen. Zum Glauben aber kommen wir durchs Wort. Ganz sachlich sagt<lb/>
die Oonkessio ^nZ'uswng,: I7t&gt; Kg-ne Mein, oonsöyMinnr, institutnin, sse mini-<lb/>
stsiium ciooencii svxmAslii. . . . ?&gt;sg.in xsr vsrdum äong-tur Lxiritus Lklnotus,<lb/>
Mi lläsm otLoit. Nicht als ob das Wort den Glauben &#x2014; Glaube immer<lb/>
im höchsten Sinne als eine Hingebung an Gott und die Welt des Ewigen und<lb/>
ein Vertrauen auf sie &#x2014; wirken müßte; denn der Glaube wird wie die Tugend<lb/>
nicht gelehrt, sondern ergriffen; aber das Wort treibt zum Ergreifen, und der<lb/>
Mensch, der sich treiben läßt, spürt schon den Zug zur Gnade, ans der dann<lb/>
nicht bloß das Wollen, sondern das Guteswollen kommt. Wie das Gutes¬<lb/>
wollen zu stände kommt, das bleibt ebenso das absolute Geheimnis der Welt,<lb/>
als es das Böse bleibt. Auch die Kirche weiß dies Geheimnis mit ihrer Lehre<lb/>
nicht zu lösen. Aber der Wollende hat als Grundgefühl seines religiösen Be¬<lb/>
stimmtseins in sich, daß das Wollen des Guten ein Produkt seiner Selbst¬<lb/>
bestimmung und göttlichen Wirkens, ein Produkt der Freiheit und Gnade ist,<lb/>
und ebenso weiß er, daß das Wachstum in der Erkenntnis Gottes, also in der<lb/>
Wahrheit, und das Wachstum im Wollen des Guten ein und dasselbe ist,<lb/>
nichts anders, als ein Wachsen in die Ewigkeit selbst hinein. Das zu predigen,<lb/>
so zu predigen, daß er Beistimmung findet, ist die Aufgabe des Geistlichen.<lb/>
Damit hat er genug gethan. Denn solches Beistimmen ist sich erlösen lassen,<lb/>
ein Herabziehen himmlischer Kraft ins irdische Leben, wie es ein Hinausgreifen<lb/>
über die Grenzen unsers zeitlichen Lebens ist. Kuno Fischer sagte einmal im<lb/>
Kolleg &#x2014; ich weiß nicht, ob er das schöne Wort auch irgendwo hat drucken<lb/>
lassen &#x2014;: &#x201E;Wüßten wir, was der Tod ist, so brauchten wir keine Kirche;<lb/>
da wir das nie wissen werden, so werden wir stets eine Kirche brauchen," d. s-<lb/>
eine Anstalt, die wie ein Finger Gottes hinweist auf etwas, was hinter dem<lb/>
Vorhang dieser unvollendeten Welt ruht, und das wir nicht mit Wissen, aber<lb/>
mit Glauben erfassen. Und das ist mehr als das Wissen, nach seinem Werte<lb/>
für das Leben gemessen. Auf diesem Glauben, wohlgemerkt, nicht auf dem<lb/>
Dogma, von dem unsre heutige Welt los ist für immer, sondern auf dem<lb/>
Glauben an eine Vollendung der Dinge und der Geister steht die moralische<lb/>
Welt, wie unser Glück drauf steht. Wo der Mensch nicht das Ewige im Zeit¬<lb/>
lichen erfaßt, da giebt es sich von selbst, daß er das Leben zum Leben machen<lb/>
will durch deu Genuß; damit führt er den Tod herbei, jenen Unwert alles<lb/>
Daseins, unter dem er wie seine Würde, so sein Glück und seine Freude be¬<lb/>
gräbt. Denn es giebt schlechterdings keinen Genuß auf Erden, ebenso wie es<lb/>
keinen Besitz giebt, aus dem die Empfindung des Glückes, aus dem die<lb/>
Freude kommen müßte. Aber wohl giebt es Glück und Freude, die dauert,<lb/>
sobald der Mensch anfängt, sich selbst als ein Glied der göttlichen Ort-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0252] Noch einmal die Unzulänglichkeit des theologischen Studiums. nehmen mag und kann, weil er die Gaben dazu hat, die aber durchaus nicht zu verallgemeinern sind. Das geistliche Amt ist schlechterdings nur dazu da, daß wir zum Glauben kommen. Zum Glauben aber kommen wir durchs Wort. Ganz sachlich sagt die Oonkessio ^nZ'uswng,: I7t> Kg-ne Mein, oonsöyMinnr, institutnin, sse mini- stsiium ciooencii svxmAslii. . . . ?>sg.in xsr vsrdum äong-tur Lxiritus Lklnotus, Mi lläsm otLoit. Nicht als ob das Wort den Glauben — Glaube immer im höchsten Sinne als eine Hingebung an Gott und die Welt des Ewigen und ein Vertrauen auf sie — wirken müßte; denn der Glaube wird wie die Tugend nicht gelehrt, sondern ergriffen; aber das Wort treibt zum Ergreifen, und der Mensch, der sich treiben läßt, spürt schon den Zug zur Gnade, ans der dann nicht bloß das Wollen, sondern das Guteswollen kommt. Wie das Gutes¬ wollen zu stände kommt, das bleibt ebenso das absolute Geheimnis der Welt, als es das Böse bleibt. Auch die Kirche weiß dies Geheimnis mit ihrer Lehre nicht zu lösen. Aber der Wollende hat als Grundgefühl seines religiösen Be¬ stimmtseins in sich, daß das Wollen des Guten ein Produkt seiner Selbst¬ bestimmung und göttlichen Wirkens, ein Produkt der Freiheit und Gnade ist, und ebenso weiß er, daß das Wachstum in der Erkenntnis Gottes, also in der Wahrheit, und das Wachstum im Wollen des Guten ein und dasselbe ist, nichts anders, als ein Wachsen in die Ewigkeit selbst hinein. Das zu predigen, so zu predigen, daß er Beistimmung findet, ist die Aufgabe des Geistlichen. Damit hat er genug gethan. Denn solches Beistimmen ist sich erlösen lassen, ein Herabziehen himmlischer Kraft ins irdische Leben, wie es ein Hinausgreifen über die Grenzen unsers zeitlichen Lebens ist. Kuno Fischer sagte einmal im Kolleg — ich weiß nicht, ob er das schöne Wort auch irgendwo hat drucken lassen —: „Wüßten wir, was der Tod ist, so brauchten wir keine Kirche; da wir das nie wissen werden, so werden wir stets eine Kirche brauchen," d. s- eine Anstalt, die wie ein Finger Gottes hinweist auf etwas, was hinter dem Vorhang dieser unvollendeten Welt ruht, und das wir nicht mit Wissen, aber mit Glauben erfassen. Und das ist mehr als das Wissen, nach seinem Werte für das Leben gemessen. Auf diesem Glauben, wohlgemerkt, nicht auf dem Dogma, von dem unsre heutige Welt los ist für immer, sondern auf dem Glauben an eine Vollendung der Dinge und der Geister steht die moralische Welt, wie unser Glück drauf steht. Wo der Mensch nicht das Ewige im Zeit¬ lichen erfaßt, da giebt es sich von selbst, daß er das Leben zum Leben machen will durch deu Genuß; damit führt er den Tod herbei, jenen Unwert alles Daseins, unter dem er wie seine Würde, so sein Glück und seine Freude be¬ gräbt. Denn es giebt schlechterdings keinen Genuß auf Erden, ebenso wie es keinen Besitz giebt, aus dem die Empfindung des Glückes, aus dem die Freude kommen müßte. Aber wohl giebt es Glück und Freude, die dauert, sobald der Mensch anfängt, sich selbst als ein Glied der göttlichen Ort-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/252
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/252>, abgerufen am 17.09.2024.