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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.


Zunächst wollen wir sehen, durch welche besondern Umstände Uhland auf
dieses Studium hingewiesen wurde. Sein eignes Vaterland. Würtemberg. ge¬
hörte zum Rheinbünde, ein Name, unter welchem die gänzliche Abhängigkeit des
sudlichen Deutschlands von dem französischen Kaisertum maskirt wurde. Es war
schon aus diesem Grunde sehr ratsam für jeden angehenden Beamten, die fran¬
zösische Sprache und sonstige französische Einrichtungen kennen zu lernen. Zelt
und Muße dazu hatte Uhland genug. Als vierzehnjähriger Knabe war er an
der Universität inskribirt worden, von 5us hörte er aber fast gcmuchts. Sein
Hauptaugenmerk war auf die Kenntnis deutscher und fremder Literatur gerichtet,
"ud in Professor Seybold fand er hierin eiuen geistvollen Berater und Führer.
Besonders interessirte ihn die ältere Zeit unsrer Literatur, und gierig verschlang
er die Hilfsmittel, welche ihm unter die Hände kamen. So lernte er das Wal-
tarilied kennen, so den Saxo und damit die nordische Heldensage. So fand er
jetzt auch weitere Nahrung in "Des Knaben Wunderhorn." welches 1805 er^-
schien. Auch Herders Volkslieder wurden ihm bekannt, und wie dieser durch
die vom Bischof Perev gesammelten und herausgegebenen altengüschen Lieder zu
seinen Forschungen veranlaßt worden war, so wurde nun Uhland angetrieben
""t dem Französischen und Englischen, später mit nordisch und Spari,es sich
zu beschäftigen, um die alten Lieder im Urtexte lesen zu können. Alles dieses
trieb er. außer dem Französischen, still für sich. Einen Beweis dafür, daß er
diese Studien mit vollem Bewußtsein und mit einem bestimmten Zwecke pflegte,
haben wir in einem Briefe von 1806 an Leo von Seckendorff: "Wir haben zwar
einige Volksromanc (obgleich wenige der bekannten ursprünglich deutsch sein
wogen). ihre Anzahl ist aber so gering, daß die brauchbaren meist schon von
Tieck und andern bearbeitet sind. Leider liegt zwischen uns und der Zeit, wo
solche Müren im Gange waren, eine altkluge Periode, welche auf jene roma.n
dischen Kunden verachtend herabsah und sie der Vergessenheit überließ oder gar
gewaltsam in dieselbe hineinstieß. Umso ernster sollte man in unsern Tagen
daran denken, zu retten, was noch zu retten ist. Aber nicht bloß deutsche, auch
die Kunden verwandter Völker, von den Rittern der Tafelrunde, des Gralv
Karls des Großen u s w.. sowie die alten nordischen Sagen verdienen alle Aul-
merksamkeit. Ein Geist des gotischen Rittertums hatte sich über d.e in" tu.
Völker Europas ausgebreitet. . . . Auch mir ist es sehr wichtig, wem. .es solche
Kunden zu Gesicht bekommen oder Andeutungen erhalten konnte, in welchen
alten oder neuen Büchern derlei zu finden sind----"

"-^^Wir sehen also, ans dem jugendliche" Schwärmer für alle- ^calculum
sür die mittelalterlichen Ritter und Nonnen, wie sie besonders bet Spieß und


geblieben," und den Männer wie Diez, Hertz, Michelant u. s. w. bis an seinen
Tod mit dankbarer Anerkennung einen der ihrigen nannten. Aus diesem Grunde
>"ögen auch die folgenden Zeilen als Gruß der Freunde unsrer Wissenschaft in
den allgemeinen Jubelgruß Deutschlands mit einstimmen.
Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie.


Zunächst wollen wir sehen, durch welche besondern Umstände Uhland auf
dieses Studium hingewiesen wurde. Sein eignes Vaterland. Würtemberg. ge¬
hörte zum Rheinbünde, ein Name, unter welchem die gänzliche Abhängigkeit des
sudlichen Deutschlands von dem französischen Kaisertum maskirt wurde. Es war
schon aus diesem Grunde sehr ratsam für jeden angehenden Beamten, die fran¬
zösische Sprache und sonstige französische Einrichtungen kennen zu lernen. Zelt
und Muße dazu hatte Uhland genug. Als vierzehnjähriger Knabe war er an
der Universität inskribirt worden, von 5us hörte er aber fast gcmuchts. Sein
Hauptaugenmerk war auf die Kenntnis deutscher und fremder Literatur gerichtet,
"ud in Professor Seybold fand er hierin eiuen geistvollen Berater und Führer.
Besonders interessirte ihn die ältere Zeit unsrer Literatur, und gierig verschlang
er die Hilfsmittel, welche ihm unter die Hände kamen. So lernte er das Wal-
tarilied kennen, so den Saxo und damit die nordische Heldensage. So fand er
jetzt auch weitere Nahrung in „Des Knaben Wunderhorn." welches 1805 er^-
schien. Auch Herders Volkslieder wurden ihm bekannt, und wie dieser durch
die vom Bischof Perev gesammelten und herausgegebenen altengüschen Lieder zu
seinen Forschungen veranlaßt worden war, so wurde nun Uhland angetrieben
""t dem Französischen und Englischen, später mit nordisch und Spari,es sich
zu beschäftigen, um die alten Lieder im Urtexte lesen zu können. Alles dieses
trieb er. außer dem Französischen, still für sich. Einen Beweis dafür, daß er
diese Studien mit vollem Bewußtsein und mit einem bestimmten Zwecke pflegte,
haben wir in einem Briefe von 1806 an Leo von Seckendorff: „Wir haben zwar
einige Volksromanc (obgleich wenige der bekannten ursprünglich deutsch sein
wogen). ihre Anzahl ist aber so gering, daß die brauchbaren meist schon von
Tieck und andern bearbeitet sind. Leider liegt zwischen uns und der Zeit, wo
solche Müren im Gange waren, eine altkluge Periode, welche auf jene roma.n
dischen Kunden verachtend herabsah und sie der Vergessenheit überließ oder gar
gewaltsam in dieselbe hineinstieß. Umso ernster sollte man in unsern Tagen
daran denken, zu retten, was noch zu retten ist. Aber nicht bloß deutsche, auch
die Kunden verwandter Völker, von den Rittern der Tafelrunde, des Gralv
Karls des Großen u s w.. sowie die alten nordischen Sagen verdienen alle Aul-
merksamkeit. Ein Geist des gotischen Rittertums hatte sich über d.e in« tu.
Völker Europas ausgebreitet. . . . Auch mir ist es sehr wichtig, wem. .es solche
Kunden zu Gesicht bekommen oder Andeutungen erhalten konnte, in welchen
alten oder neuen Büchern derlei zu finden sind----"

„-^^Wir sehen also, ans dem jugendliche» Schwärmer für alle- ^calculum
sür die mittelalterlichen Ritter und Nonnen, wie sie besonders bet Spieß und


geblieben," und den Männer wie Diez, Hertz, Michelant u. s. w. bis an seinen
Tod mit dankbarer Anerkennung einen der ihrigen nannten. Aus diesem Grunde
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den allgemeinen Jubelgruß Deutschlands mit einstimmen.
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[0215] Ludwig Uhland und die altfranzösische Poesie. Zunächst wollen wir sehen, durch welche besondern Umstände Uhland auf dieses Studium hingewiesen wurde. Sein eignes Vaterland. Würtemberg. ge¬ hörte zum Rheinbünde, ein Name, unter welchem die gänzliche Abhängigkeit des sudlichen Deutschlands von dem französischen Kaisertum maskirt wurde. Es war schon aus diesem Grunde sehr ratsam für jeden angehenden Beamten, die fran¬ zösische Sprache und sonstige französische Einrichtungen kennen zu lernen. Zelt und Muße dazu hatte Uhland genug. Als vierzehnjähriger Knabe war er an der Universität inskribirt worden, von 5us hörte er aber fast gcmuchts. Sein Hauptaugenmerk war auf die Kenntnis deutscher und fremder Literatur gerichtet, "ud in Professor Seybold fand er hierin eiuen geistvollen Berater und Führer. Besonders interessirte ihn die ältere Zeit unsrer Literatur, und gierig verschlang er die Hilfsmittel, welche ihm unter die Hände kamen. So lernte er das Wal- tarilied kennen, so den Saxo und damit die nordische Heldensage. So fand er jetzt auch weitere Nahrung in „Des Knaben Wunderhorn." welches 1805 er^- schien. Auch Herders Volkslieder wurden ihm bekannt, und wie dieser durch die vom Bischof Perev gesammelten und herausgegebenen altengüschen Lieder zu seinen Forschungen veranlaßt worden war, so wurde nun Uhland angetrieben ""t dem Französischen und Englischen, später mit nordisch und Spari,es sich zu beschäftigen, um die alten Lieder im Urtexte lesen zu können. Alles dieses trieb er. außer dem Französischen, still für sich. Einen Beweis dafür, daß er diese Studien mit vollem Bewußtsein und mit einem bestimmten Zwecke pflegte, haben wir in einem Briefe von 1806 an Leo von Seckendorff: „Wir haben zwar einige Volksromanc (obgleich wenige der bekannten ursprünglich deutsch sein wogen). ihre Anzahl ist aber so gering, daß die brauchbaren meist schon von Tieck und andern bearbeitet sind. Leider liegt zwischen uns und der Zeit, wo solche Müren im Gange waren, eine altkluge Periode, welche auf jene roma.n dischen Kunden verachtend herabsah und sie der Vergessenheit überließ oder gar gewaltsam in dieselbe hineinstieß. Umso ernster sollte man in unsern Tagen daran denken, zu retten, was noch zu retten ist. Aber nicht bloß deutsche, auch die Kunden verwandter Völker, von den Rittern der Tafelrunde, des Gralv Karls des Großen u s w.. sowie die alten nordischen Sagen verdienen alle Aul- merksamkeit. Ein Geist des gotischen Rittertums hatte sich über d.e in« tu. Völker Europas ausgebreitet. . . . Auch mir ist es sehr wichtig, wem. .es solche Kunden zu Gesicht bekommen oder Andeutungen erhalten konnte, in welchen alten oder neuen Büchern derlei zu finden sind----" „-^^Wir sehen also, ans dem jugendliche» Schwärmer für alle- ^calculum sür die mittelalterlichen Ritter und Nonnen, wie sie besonders bet Spieß und geblieben," und den Männer wie Diez, Hertz, Michelant u. s. w. bis an seinen Tod mit dankbarer Anerkennung einen der ihrigen nannten. Aus diesem Grunde >"ögen auch die folgenden Zeilen als Gruß der Freunde unsrer Wissenschaft in den allgemeinen Jubelgruß Deutschlands mit einstimmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/215>, abgerufen am 17.09.2024.