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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

niedrigen Preise seien das Unglück der Landwirtschaft. Nur Vermehrung des
Geldes durch die Wiedereinführung des Silbers als Münze könne die Preise
wieder heben.

Wir wollen einmal auf den Gedanken eingehen (obwohl sich noch sehr
darüber streiten läßt und auch wirklich gestritten wird), daß in dem Golde nach
dem Maße seiner Gewinnung kein so reichliches Zahlmittel gegeben sei. wie
deren früher, als noch Silberwährung bei uns galt, vorhanden waren, und daß
infolge hiervon die Preise bleibend zurückgegangen seien. Was würde daraus
wirtschaftlich folgen?

Ein größerer Umschwung in dem Werte des Geldes ist zweimal in der
Geschichte vorgekommen, und zwar jedesmal nur in der Richtung, daß das
Geld sich erheblich vermehrt und dadurch an Wert verloren hat. Der erste
Umschwung dieser Art knüpfte sich an die Entdeckung von Amerika. Von dort
strömten Edelmetalle, und zwar vorzugsweise Silber, in nie gekannter Menge
nach der alten Welt herüber. Ohne Zweifel hat hierin der Grund gelegen,
daß im Laufe der letzten Jahrhunderte die Preise im Vergleich mit frühern
Zeiten gewaltig gestiegen sind. Nach der Natur des damaligen Verkehrs trat
jedoch dieses Zuströmen und die daran sich knüpfende Wirkung der Preis¬
steigerung nur ganz allmählich ein. Auch blieb das Verhältnis des Wertes
der beiden herrschenden Edelmetalle nicht dasselbe. Während früher das
Silber im Verhältnis zum Golde höher gestanden hatte (etwa wie 1:11),
sank infolge der Eröffnung der Bergwerke zu Potosi der Wert des Silbers im
Verhältnis zum Golde immer mehr, bis er auf das Verhältnis von etwa 1: 1S.5
gelangte und darauf lange Zeit stehen blieb. Denken wir nu" einmal, wir
hätten in Amerika nicht mehr Edelmetalle gefunden, als auch in der alten Welt
vorhanden waren, und auch in dieser hätte sich die Gewinnung der Edelmetalle
nicht erheblich vermehrt. Dann würden wir wahrscheinlich auch heute noch die
Preise des Mittelalters haben. Würde nun deshalb unser ganzes Leben ärm¬
licher sein? Vorausgesetzt, daß die Gütererzeugung im übrigen ganz so, wie
es geschehen ist. fortgeschritten wäre, müßten wir diese Frage mit einem ent¬
schiedenen Nein beantworten. Nur Schmucksachen und Geräte von Gold und
Silber würden wir weniger haben, sonst aber alles in gleichem Maße. Denn
wir leben ja nicht von dem Gelde, das wir besitzen, sondern von den Gütern,
die wir erzeugen, und das Geld dient nur dazu, den Austausch dieser Güter
zu vermitteln. So lange wir also das Metall, das nun einmal das beste
Austauschmittel bildet, noch so teilen können, daß wir alle Bedürfnisse damit
zu bezahlen imstande sind, ist es ganz gleichgiltig. ob für diesen Austausch eine
große oder kleine Menge Metall in der Welt vorhanden ist und ob wir danach
jedes einzelne Bedürfnis mit einem größeren oder kleineren Stück Metall bezahlen.

Einen ähnlichen, aber weit schnelleren Umschwung in dem Werte des Geldes
haben wir selbst erlebt, seit um die Mitte dieses Jahrhunderts die Goldfelder


Die neue Bewegung für die Doppelwährung.

niedrigen Preise seien das Unglück der Landwirtschaft. Nur Vermehrung des
Geldes durch die Wiedereinführung des Silbers als Münze könne die Preise
wieder heben.

Wir wollen einmal auf den Gedanken eingehen (obwohl sich noch sehr
darüber streiten läßt und auch wirklich gestritten wird), daß in dem Golde nach
dem Maße seiner Gewinnung kein so reichliches Zahlmittel gegeben sei. wie
deren früher, als noch Silberwährung bei uns galt, vorhanden waren, und daß
infolge hiervon die Preise bleibend zurückgegangen seien. Was würde daraus
wirtschaftlich folgen?

Ein größerer Umschwung in dem Werte des Geldes ist zweimal in der
Geschichte vorgekommen, und zwar jedesmal nur in der Richtung, daß das
Geld sich erheblich vermehrt und dadurch an Wert verloren hat. Der erste
Umschwung dieser Art knüpfte sich an die Entdeckung von Amerika. Von dort
strömten Edelmetalle, und zwar vorzugsweise Silber, in nie gekannter Menge
nach der alten Welt herüber. Ohne Zweifel hat hierin der Grund gelegen,
daß im Laufe der letzten Jahrhunderte die Preise im Vergleich mit frühern
Zeiten gewaltig gestiegen sind. Nach der Natur des damaligen Verkehrs trat
jedoch dieses Zuströmen und die daran sich knüpfende Wirkung der Preis¬
steigerung nur ganz allmählich ein. Auch blieb das Verhältnis des Wertes
der beiden herrschenden Edelmetalle nicht dasselbe. Während früher das
Silber im Verhältnis zum Golde höher gestanden hatte (etwa wie 1:11),
sank infolge der Eröffnung der Bergwerke zu Potosi der Wert des Silbers im
Verhältnis zum Golde immer mehr, bis er auf das Verhältnis von etwa 1: 1S.5
gelangte und darauf lange Zeit stehen blieb. Denken wir nu» einmal, wir
hätten in Amerika nicht mehr Edelmetalle gefunden, als auch in der alten Welt
vorhanden waren, und auch in dieser hätte sich die Gewinnung der Edelmetalle
nicht erheblich vermehrt. Dann würden wir wahrscheinlich auch heute noch die
Preise des Mittelalters haben. Würde nun deshalb unser ganzes Leben ärm¬
licher sein? Vorausgesetzt, daß die Gütererzeugung im übrigen ganz so, wie
es geschehen ist. fortgeschritten wäre, müßten wir diese Frage mit einem ent¬
schiedenen Nein beantworten. Nur Schmucksachen und Geräte von Gold und
Silber würden wir weniger haben, sonst aber alles in gleichem Maße. Denn
wir leben ja nicht von dem Gelde, das wir besitzen, sondern von den Gütern,
die wir erzeugen, und das Geld dient nur dazu, den Austausch dieser Güter
zu vermitteln. So lange wir also das Metall, das nun einmal das beste
Austauschmittel bildet, noch so teilen können, daß wir alle Bedürfnisse damit
zu bezahlen imstande sind, ist es ganz gleichgiltig. ob für diesen Austausch eine
große oder kleine Menge Metall in der Welt vorhanden ist und ob wir danach
jedes einzelne Bedürfnis mit einem größeren oder kleineren Stück Metall bezahlen.

Einen ähnlichen, aber weit schnelleren Umschwung in dem Werte des Geldes
haben wir selbst erlebt, seit um die Mitte dieses Jahrhunderts die Goldfelder


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[0021] Die neue Bewegung für die Doppelwährung. niedrigen Preise seien das Unglück der Landwirtschaft. Nur Vermehrung des Geldes durch die Wiedereinführung des Silbers als Münze könne die Preise wieder heben. Wir wollen einmal auf den Gedanken eingehen (obwohl sich noch sehr darüber streiten läßt und auch wirklich gestritten wird), daß in dem Golde nach dem Maße seiner Gewinnung kein so reichliches Zahlmittel gegeben sei. wie deren früher, als noch Silberwährung bei uns galt, vorhanden waren, und daß infolge hiervon die Preise bleibend zurückgegangen seien. Was würde daraus wirtschaftlich folgen? Ein größerer Umschwung in dem Werte des Geldes ist zweimal in der Geschichte vorgekommen, und zwar jedesmal nur in der Richtung, daß das Geld sich erheblich vermehrt und dadurch an Wert verloren hat. Der erste Umschwung dieser Art knüpfte sich an die Entdeckung von Amerika. Von dort strömten Edelmetalle, und zwar vorzugsweise Silber, in nie gekannter Menge nach der alten Welt herüber. Ohne Zweifel hat hierin der Grund gelegen, daß im Laufe der letzten Jahrhunderte die Preise im Vergleich mit frühern Zeiten gewaltig gestiegen sind. Nach der Natur des damaligen Verkehrs trat jedoch dieses Zuströmen und die daran sich knüpfende Wirkung der Preis¬ steigerung nur ganz allmählich ein. Auch blieb das Verhältnis des Wertes der beiden herrschenden Edelmetalle nicht dasselbe. Während früher das Silber im Verhältnis zum Golde höher gestanden hatte (etwa wie 1:11), sank infolge der Eröffnung der Bergwerke zu Potosi der Wert des Silbers im Verhältnis zum Golde immer mehr, bis er auf das Verhältnis von etwa 1: 1S.5 gelangte und darauf lange Zeit stehen blieb. Denken wir nu» einmal, wir hätten in Amerika nicht mehr Edelmetalle gefunden, als auch in der alten Welt vorhanden waren, und auch in dieser hätte sich die Gewinnung der Edelmetalle nicht erheblich vermehrt. Dann würden wir wahrscheinlich auch heute noch die Preise des Mittelalters haben. Würde nun deshalb unser ganzes Leben ärm¬ licher sein? Vorausgesetzt, daß die Gütererzeugung im übrigen ganz so, wie es geschehen ist. fortgeschritten wäre, müßten wir diese Frage mit einem ent¬ schiedenen Nein beantworten. Nur Schmucksachen und Geräte von Gold und Silber würden wir weniger haben, sonst aber alles in gleichem Maße. Denn wir leben ja nicht von dem Gelde, das wir besitzen, sondern von den Gütern, die wir erzeugen, und das Geld dient nur dazu, den Austausch dieser Güter zu vermitteln. So lange wir also das Metall, das nun einmal das beste Austauschmittel bildet, noch so teilen können, daß wir alle Bedürfnisse damit zu bezahlen imstande sind, ist es ganz gleichgiltig. ob für diesen Austausch eine große oder kleine Menge Metall in der Welt vorhanden ist und ob wir danach jedes einzelne Bedürfnis mit einem größeren oder kleineren Stück Metall bezahlen. Einen ähnlichen, aber weit schnelleren Umschwung in dem Werte des Geldes haben wir selbst erlebt, seit um die Mitte dieses Jahrhunderts die Goldfelder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/21>, abgerufen am 17.09.2024.