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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

sich die Deutschen in Böhmen dagegen, dann erkannte man auch in andern
Kreisen die Gefahr, mit welcher er das Deutschtum in Österreich bedrohte, eine
Erkenntnis, zu welcher namentlich der Antrag beitrug, den Schmerling im
Namen der Verfcissuugspartei des Herrenhauses in Wien gegen den Erlaß ein¬
brachte. Der Protest, der mit diesem Antrage gegen die verhängnisvolle Ma߬
regel eingelegt wurde, fand weithin Wiederhall. Eine sehr große Anzahl von
Gemeindevertretungen und von Vereinen schloß sich ihm an und bewies damit,
daß die zentralistische Partei immerhin noch viele Anhänger zählte, daß also
die alten Worte von der Einheit des Staates und seiner Verwaltung wenigstens
unter der deutschen Bevölkerung Österreichs noch lebendiger Sympathie begegnen,
und daß diese noch nicht aufgehört hat, zu glauben, daß Staatseinheit und
Deutschtum unzertrennlich miteinander verbundne Begriffe sind. Einen ^prak¬
tischen Erfolg hatte Schmerlings Vorgehen indessen ebensowenig als die Jnter¬
pellation seiner Parteifreunde im Abgcordnetenheusc. Der Erlaß steht heute
""es in Geltung, und die lebhaften Angriffe, welche die deutsche Linke un
böhmischen Landtage gegen ihn richtete, vermochten auch nichts an dieser That¬
sache zu ändern. Wie der Führer derselben, v. Pierer. in der vorhergehenden
Sitzungsperiode dieser Körperschaft einen Antrag ans Aufhebung der Sprachen-
Verordnung von 1880 und auf nationale Abgrenzung gestellt hatte, so bean¬
tragte er jetzt sofort nach dem Zusammentritte des Prager Landtages mit einer
Anzahl von Gesinnungsgenossen eine Resolution. welche die Beseitigung der
Justizministerial-Verordnung vom 23. September 1886 bezweckte und den
früheren Antrag ans sprachliche Abgrenzung der böhmischen Bezirke im wesent¬
lichen wiederholte. Hierüber gestatten Sie mir im folgenden Briefe ausführlich
-'U berichten. Hier nur noch kurz der Verlauf diese.- Sache, der wenigstens
'"sofern nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen war. als früher ".'gesehene
Parteihäupter wie Palacly und Rieger sich für eine Begrenzung dieser Art
ausgesprochen hatten. Am 22. Dezember 1886 erfolgte die Entscheidung
"ber diese Forderung der Vertreter des dentschböhmischen Volkes. Nachdem
Pierer dieselbe begründet und der Statthalter die damit verbundenen Angnffe
"uf die Regierung zurückzuweisen versucht hatte, beantragte der gleich andern
adlichen Großgrundbesitzern auf Seite" der Tschechen stehende Fürst Schwarzen-
b°rg. den Plenerschen Antrag, da er Abgelehntes wiederhole. Versass.."^widriges verlange und die Erfüllung eines Landtagsbeschlnsses (Vom 13. ^a'.nar
1886) rückgängig machen solle, durch Übergang zur Tagesordi.ung zu bese.t.geu
""d die Mehrheit beschloß darnach. Schmeikal erklärte darauf als Worts , r
der Vertreter Dentschböhmens, daß für sie hier kein Platz mehr ^ " ^ihnen nicht Bürgschaften für sachliche Behandlung ihrer Beschwerden geboten
würden, und die Herren verließen die Versammlung.




Deutsch-böhmische Briefe.

sich die Deutschen in Böhmen dagegen, dann erkannte man auch in andern
Kreisen die Gefahr, mit welcher er das Deutschtum in Österreich bedrohte, eine
Erkenntnis, zu welcher namentlich der Antrag beitrug, den Schmerling im
Namen der Verfcissuugspartei des Herrenhauses in Wien gegen den Erlaß ein¬
brachte. Der Protest, der mit diesem Antrage gegen die verhängnisvolle Ma߬
regel eingelegt wurde, fand weithin Wiederhall. Eine sehr große Anzahl von
Gemeindevertretungen und von Vereinen schloß sich ihm an und bewies damit,
daß die zentralistische Partei immerhin noch viele Anhänger zählte, daß also
die alten Worte von der Einheit des Staates und seiner Verwaltung wenigstens
unter der deutschen Bevölkerung Österreichs noch lebendiger Sympathie begegnen,
und daß diese noch nicht aufgehört hat, zu glauben, daß Staatseinheit und
Deutschtum unzertrennlich miteinander verbundne Begriffe sind. Einen ^prak¬
tischen Erfolg hatte Schmerlings Vorgehen indessen ebensowenig als die Jnter¬
pellation seiner Parteifreunde im Abgcordnetenheusc. Der Erlaß steht heute
"»es in Geltung, und die lebhaften Angriffe, welche die deutsche Linke un
böhmischen Landtage gegen ihn richtete, vermochten auch nichts an dieser That¬
sache zu ändern. Wie der Führer derselben, v. Pierer. in der vorhergehenden
Sitzungsperiode dieser Körperschaft einen Antrag ans Aufhebung der Sprachen-
Verordnung von 1880 und auf nationale Abgrenzung gestellt hatte, so bean¬
tragte er jetzt sofort nach dem Zusammentritte des Prager Landtages mit einer
Anzahl von Gesinnungsgenossen eine Resolution. welche die Beseitigung der
Justizministerial-Verordnung vom 23. September 1886 bezweckte und den
früheren Antrag ans sprachliche Abgrenzung der böhmischen Bezirke im wesent¬
lichen wiederholte. Hierüber gestatten Sie mir im folgenden Briefe ausführlich
-'U berichten. Hier nur noch kurz der Verlauf diese.- Sache, der wenigstens
'"sofern nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen war. als früher ".'gesehene
Parteihäupter wie Palacly und Rieger sich für eine Begrenzung dieser Art
ausgesprochen hatten. Am 22. Dezember 1886 erfolgte die Entscheidung
"ber diese Forderung der Vertreter des dentschböhmischen Volkes. Nachdem
Pierer dieselbe begründet und der Statthalter die damit verbundenen Angnffe
"uf die Regierung zurückzuweisen versucht hatte, beantragte der gleich andern
adlichen Großgrundbesitzern auf Seite» der Tschechen stehende Fürst Schwarzen-
b°rg. den Plenerschen Antrag, da er Abgelehntes wiederhole. Versass..»^widriges verlange und die Erfüllung eines Landtagsbeschlnsses (Vom 13. ^a'.nar
1886) rückgängig machen solle, durch Übergang zur Tagesordi.ung zu bese.t.geu
""d die Mehrheit beschloß darnach. Schmeikal erklärte darauf als Worts , r
der Vertreter Dentschböhmens, daß für sie hier kein Platz mehr ^ " ^ihnen nicht Bürgschaften für sachliche Behandlung ihrer Beschwerden geboten
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[0207] Deutsch-böhmische Briefe. sich die Deutschen in Böhmen dagegen, dann erkannte man auch in andern Kreisen die Gefahr, mit welcher er das Deutschtum in Österreich bedrohte, eine Erkenntnis, zu welcher namentlich der Antrag beitrug, den Schmerling im Namen der Verfcissuugspartei des Herrenhauses in Wien gegen den Erlaß ein¬ brachte. Der Protest, der mit diesem Antrage gegen die verhängnisvolle Ma߬ regel eingelegt wurde, fand weithin Wiederhall. Eine sehr große Anzahl von Gemeindevertretungen und von Vereinen schloß sich ihm an und bewies damit, daß die zentralistische Partei immerhin noch viele Anhänger zählte, daß also die alten Worte von der Einheit des Staates und seiner Verwaltung wenigstens unter der deutschen Bevölkerung Österreichs noch lebendiger Sympathie begegnen, und daß diese noch nicht aufgehört hat, zu glauben, daß Staatseinheit und Deutschtum unzertrennlich miteinander verbundne Begriffe sind. Einen ^prak¬ tischen Erfolg hatte Schmerlings Vorgehen indessen ebensowenig als die Jnter¬ pellation seiner Parteifreunde im Abgcordnetenheusc. Der Erlaß steht heute "»es in Geltung, und die lebhaften Angriffe, welche die deutsche Linke un böhmischen Landtage gegen ihn richtete, vermochten auch nichts an dieser That¬ sache zu ändern. Wie der Führer derselben, v. Pierer. in der vorhergehenden Sitzungsperiode dieser Körperschaft einen Antrag ans Aufhebung der Sprachen- Verordnung von 1880 und auf nationale Abgrenzung gestellt hatte, so bean¬ tragte er jetzt sofort nach dem Zusammentritte des Prager Landtages mit einer Anzahl von Gesinnungsgenossen eine Resolution. welche die Beseitigung der Justizministerial-Verordnung vom 23. September 1886 bezweckte und den früheren Antrag ans sprachliche Abgrenzung der böhmischen Bezirke im wesent¬ lichen wiederholte. Hierüber gestatten Sie mir im folgenden Briefe ausführlich -'U berichten. Hier nur noch kurz der Verlauf diese.- Sache, der wenigstens '"sofern nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen war. als früher ".'gesehene Parteihäupter wie Palacly und Rieger sich für eine Begrenzung dieser Art ausgesprochen hatten. Am 22. Dezember 1886 erfolgte die Entscheidung "ber diese Forderung der Vertreter des dentschböhmischen Volkes. Nachdem Pierer dieselbe begründet und der Statthalter die damit verbundenen Angnffe "uf die Regierung zurückzuweisen versucht hatte, beantragte der gleich andern adlichen Großgrundbesitzern auf Seite» der Tschechen stehende Fürst Schwarzen- b°rg. den Plenerschen Antrag, da er Abgelehntes wiederhole. Versass..»^widriges verlange und die Erfüllung eines Landtagsbeschlnsses (Vom 13. ^a'.nar 1886) rückgängig machen solle, durch Übergang zur Tagesordi.ung zu bese.t.geu ""d die Mehrheit beschloß darnach. Schmeikal erklärte darauf als Worts , r der Vertreter Dentschböhmens, daß für sie hier kein Platz mehr ^ " ^ihnen nicht Bürgschaften für sachliche Behandlung ihrer Beschwerden geboten würden, und die Herren verließen die Versammlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/207>, abgerufen am 17.09.2024.