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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Überproduktion.

dazu, daß das Kapital teilweise unproduktiv wird, teilweise aber (das Betriebs¬
kapital) frei und zu anderweitiger Verwendung verfügbar wird. Auch werden
Arbeitskräfte entbehrlich, die Kvnsumtiousfähigkeit der Entlassener schrumpft
auf ein Geringes zusammen, und indem sie durch das Anerbieten ihrer Arbeits¬
kraft den übrigen Arbeitern Konkurrenz machen, tragen sie dazu bei, daß der
Lohn heruntergeht und also auch die Kaufkraft der uoch beschäftigten Arbeiter
abnimmt. Wenn aber der Preis der Waare infolge der Beschränkung der Pro¬
duktion wirklich steigen sollte, so wird der Verbrauch derselben alsbald abnehmen,
und dadurch der Vorteil des höheren Preises ausgeglichen oder auch durch die
Beschränkung des Verbrauches die bezweckte Steigerung des Preises wieder rück¬
gängig gemacht werden.

Die Überproduktion -- das zeigt sich am deutlichsten hierin -- liegt nicht
in einer zu umfangreichen Produktion, sondern in einer zu wenig umfangreichen
Konsumtion. Hier ist also der Hebel anzusetzen, wenn es sich um Beseitigung
des Übels handelt. Es kommt darauf an, daß die Konsumtion der jeweiligen
Produktion zu folgen vermöge, und es kommt ferner darauf an, zu bewirken,
daß da, wo das Bedürfnis hervortritt, auch die nötige Kaufkraft nicht fehle.

Es könnte eingewandt werden, daß doch alles Kapital bei seiner Ver-
wendung in Arbeitskraft umgesetzt werde, und daß es gleichgiltig sei, ob es in
unproduktiver Weise oder zu fernerer Produktion verwandt werde, und es ist
ja richtig, daß das Ersparte -- das Prvduzirte -- schließlich immer zum
Unterhalt von Menschen dient. Ob ich meinen Anteil an der Produktiv" zu
Zigarren, Teppichen, Theater verwende, oder ob ich eine Drainage machen lasse,
eine Werkstätte einrichte oder eine Fabrik gründe, immer zahle ich Arbeitslohn,
der zur menschlichen Erncihruug im weitern Sinne dient. Aber in dem einen
Falle ist mein Kapital mehr oder weniger rasch vernichtet, in dem andern Falle
tritt etwas an die Stelle, was bei der Produktion mitwirkt: die Drainage, die
Werkstätte, die Fabrik. Diese letztere Art der Verwendung tritt in den Vorder¬
grund, wenn es Leute giebt, deren Einkommen so groß ist, daß sie es auf ihren
und der Ihrigen Lebensunterhalt nicht verwenden können. Je mehr solche
Leute vorhanden sind und je größer ihr Einkommen ist, desto mehr produktive
Anlagen werden gemacht werden. Wenn aber nicht gleichzeitig die Zahl der¬
jenigen wächst, welche das Ergebnis der neuen Anlagen kaufen können, oder
wenn nicht die Kaufkraft der schon dagewesenen zunimmt, so ist die Zunahme
der Produktion kein Gewinn für das Gemeinwesen; es wäre besser gewesen,
wenn nicht das Einkommen der besser Gestellten Überschüsse ergeben Hütte, sondern
statt dessen das Einkommen derjenigen, die ihre Lebensbedürfnisse nur unvoll¬
kommen befriedigen können, zugenommen hätte. Denn der Verbrauch der letzteren
schafft Raum für neue Produktion, während die produktiv angelegten Ersparnisse
der reichen Leute die Masse des Prvduzirten vermehren, ohne gleichzeitig aus-
gedehnteren Verbrauch herbeizuführen.


Überproduktion.

dazu, daß das Kapital teilweise unproduktiv wird, teilweise aber (das Betriebs¬
kapital) frei und zu anderweitiger Verwendung verfügbar wird. Auch werden
Arbeitskräfte entbehrlich, die Kvnsumtiousfähigkeit der Entlassener schrumpft
auf ein Geringes zusammen, und indem sie durch das Anerbieten ihrer Arbeits¬
kraft den übrigen Arbeitern Konkurrenz machen, tragen sie dazu bei, daß der
Lohn heruntergeht und also auch die Kaufkraft der uoch beschäftigten Arbeiter
abnimmt. Wenn aber der Preis der Waare infolge der Beschränkung der Pro¬
duktion wirklich steigen sollte, so wird der Verbrauch derselben alsbald abnehmen,
und dadurch der Vorteil des höheren Preises ausgeglichen oder auch durch die
Beschränkung des Verbrauches die bezweckte Steigerung des Preises wieder rück¬
gängig gemacht werden.

Die Überproduktion — das zeigt sich am deutlichsten hierin — liegt nicht
in einer zu umfangreichen Produktion, sondern in einer zu wenig umfangreichen
Konsumtion. Hier ist also der Hebel anzusetzen, wenn es sich um Beseitigung
des Übels handelt. Es kommt darauf an, daß die Konsumtion der jeweiligen
Produktion zu folgen vermöge, und es kommt ferner darauf an, zu bewirken,
daß da, wo das Bedürfnis hervortritt, auch die nötige Kaufkraft nicht fehle.

Es könnte eingewandt werden, daß doch alles Kapital bei seiner Ver-
wendung in Arbeitskraft umgesetzt werde, und daß es gleichgiltig sei, ob es in
unproduktiver Weise oder zu fernerer Produktion verwandt werde, und es ist
ja richtig, daß das Ersparte — das Prvduzirte — schließlich immer zum
Unterhalt von Menschen dient. Ob ich meinen Anteil an der Produktiv» zu
Zigarren, Teppichen, Theater verwende, oder ob ich eine Drainage machen lasse,
eine Werkstätte einrichte oder eine Fabrik gründe, immer zahle ich Arbeitslohn,
der zur menschlichen Erncihruug im weitern Sinne dient. Aber in dem einen
Falle ist mein Kapital mehr oder weniger rasch vernichtet, in dem andern Falle
tritt etwas an die Stelle, was bei der Produktion mitwirkt: die Drainage, die
Werkstätte, die Fabrik. Diese letztere Art der Verwendung tritt in den Vorder¬
grund, wenn es Leute giebt, deren Einkommen so groß ist, daß sie es auf ihren
und der Ihrigen Lebensunterhalt nicht verwenden können. Je mehr solche
Leute vorhanden sind und je größer ihr Einkommen ist, desto mehr produktive
Anlagen werden gemacht werden. Wenn aber nicht gleichzeitig die Zahl der¬
jenigen wächst, welche das Ergebnis der neuen Anlagen kaufen können, oder
wenn nicht die Kaufkraft der schon dagewesenen zunimmt, so ist die Zunahme
der Produktion kein Gewinn für das Gemeinwesen; es wäre besser gewesen,
wenn nicht das Einkommen der besser Gestellten Überschüsse ergeben Hütte, sondern
statt dessen das Einkommen derjenigen, die ihre Lebensbedürfnisse nur unvoll¬
kommen befriedigen können, zugenommen hätte. Denn der Verbrauch der letzteren
schafft Raum für neue Produktion, während die produktiv angelegten Ersparnisse
der reichen Leute die Masse des Prvduzirten vermehren, ohne gleichzeitig aus-
gedehnteren Verbrauch herbeizuführen.


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[0076] Überproduktion. dazu, daß das Kapital teilweise unproduktiv wird, teilweise aber (das Betriebs¬ kapital) frei und zu anderweitiger Verwendung verfügbar wird. Auch werden Arbeitskräfte entbehrlich, die Kvnsumtiousfähigkeit der Entlassener schrumpft auf ein Geringes zusammen, und indem sie durch das Anerbieten ihrer Arbeits¬ kraft den übrigen Arbeitern Konkurrenz machen, tragen sie dazu bei, daß der Lohn heruntergeht und also auch die Kaufkraft der uoch beschäftigten Arbeiter abnimmt. Wenn aber der Preis der Waare infolge der Beschränkung der Pro¬ duktion wirklich steigen sollte, so wird der Verbrauch derselben alsbald abnehmen, und dadurch der Vorteil des höheren Preises ausgeglichen oder auch durch die Beschränkung des Verbrauches die bezweckte Steigerung des Preises wieder rück¬ gängig gemacht werden. Die Überproduktion — das zeigt sich am deutlichsten hierin — liegt nicht in einer zu umfangreichen Produktion, sondern in einer zu wenig umfangreichen Konsumtion. Hier ist also der Hebel anzusetzen, wenn es sich um Beseitigung des Übels handelt. Es kommt darauf an, daß die Konsumtion der jeweiligen Produktion zu folgen vermöge, und es kommt ferner darauf an, zu bewirken, daß da, wo das Bedürfnis hervortritt, auch die nötige Kaufkraft nicht fehle. Es könnte eingewandt werden, daß doch alles Kapital bei seiner Ver- wendung in Arbeitskraft umgesetzt werde, und daß es gleichgiltig sei, ob es in unproduktiver Weise oder zu fernerer Produktion verwandt werde, und es ist ja richtig, daß das Ersparte — das Prvduzirte — schließlich immer zum Unterhalt von Menschen dient. Ob ich meinen Anteil an der Produktiv» zu Zigarren, Teppichen, Theater verwende, oder ob ich eine Drainage machen lasse, eine Werkstätte einrichte oder eine Fabrik gründe, immer zahle ich Arbeitslohn, der zur menschlichen Erncihruug im weitern Sinne dient. Aber in dem einen Falle ist mein Kapital mehr oder weniger rasch vernichtet, in dem andern Falle tritt etwas an die Stelle, was bei der Produktion mitwirkt: die Drainage, die Werkstätte, die Fabrik. Diese letztere Art der Verwendung tritt in den Vorder¬ grund, wenn es Leute giebt, deren Einkommen so groß ist, daß sie es auf ihren und der Ihrigen Lebensunterhalt nicht verwenden können. Je mehr solche Leute vorhanden sind und je größer ihr Einkommen ist, desto mehr produktive Anlagen werden gemacht werden. Wenn aber nicht gleichzeitig die Zahl der¬ jenigen wächst, welche das Ergebnis der neuen Anlagen kaufen können, oder wenn nicht die Kaufkraft der schon dagewesenen zunimmt, so ist die Zunahme der Produktion kein Gewinn für das Gemeinwesen; es wäre besser gewesen, wenn nicht das Einkommen der besser Gestellten Überschüsse ergeben Hütte, sondern statt dessen das Einkommen derjenigen, die ihre Lebensbedürfnisse nur unvoll¬ kommen befriedigen können, zugenommen hätte. Denn der Verbrauch der letzteren schafft Raum für neue Produktion, während die produktiv angelegten Ersparnisse der reichen Leute die Masse des Prvduzirten vermehren, ohne gleichzeitig aus- gedehnteren Verbrauch herbeizuführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/76>, abgerufen am 22.07.2024.