Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn Deutschland seine Pflicht nicht ganz vernachlässigt, so ist nach fünfzig
Jahren der dann herrschende Sultan durch die zwingendste Interessengemein¬
schaft, er mag persönlich wollen oder nicht, an uns gekettet und überdies das
Küstenglied dem Körper unsrer Kolonie untrennbar angewachsen.

So sind denn die Hindernisse, deren es bei den verwickelten politischen
Verhältnissen Ostafrikas und der bereits vorhandenen arabisch-islamitischen Halb¬
kultur mehr gab und giebt, als in irgend einem andern unsrer Schutzgebiete,
hinlänglich beiseite geräumt, um dem Kolonistenfleiße und der organisatorischen
Kraft der Deutschen Luft und Spielraum zu gewähren. Auch in diesen Be¬
ziehungen sind die ersten Keime gleich nach der ersten Besitznahme ausgestreut
worden. Fünfzehn zweckmäßig verteilte Stationen, freilich noch mäßigen Um¬
fanges, blühen schon in dem fremden Lande auf, welche sich wirtschaftlich als
erste Versuchsfelder, politisch als erste Ansätze staatlicher Ordnung darstellen.
Fortan aber wird, wenn auch in administrativer wie wirtschaftlicher Beziehung ein
allmähliches Vordringen von der Küste ins Binnenland von den Grundsätzen
einer gefunden Kolonisationsmethode gefordert wird und bei der einigermaßen
gleichmäßig verteilten Fruchtbarkeit der Kolonie anch möglich ist, jene doppelte
Entwicklung in ein immer rascheres Tempo übergehen. Schon haben neuge-
bildete deutsche Missionen beider christlichen Bekenntnisse ihre mühsame, aber
auch dankbare Arbeit aufgenommen, schon warten eingedenk christlicher Liebes¬
pflichten deutsche Frauen, wenn auch zunächst nur in kleinen Krankenhäusern,
der Pflege erkrcmlter Landsleute, schon sind viele Hände geschäftig, in weiten
Pflanzungen tropische Nutzgewächse, Tabak, Baumwolle, Kaffee u. s. w. für deu
Ausfuhrhandel zu ziehen. Sie arbeiten nicht im Auftrage der herrschenden Kolonial¬
gesellschaft. Diese thut vielmehr recht daran, die eigentliche Nutzbarmachung
durch Ackerbau der Privatunternehmung, und zwar vorläufig mit möglichstem
Ausschluß einzelner Wirtschafter in Form größerer Kapitalgesellschaften zu über¬
lassen und sich auf die Durchführung der ebenso schwierigen als lohnenden Auf¬
gabe zu beschränken, die in unsrer Geschichte zum ersten male einem Kreise von Pri¬
vatleuten gestellt wird, nämlich gewissermaßen einen Staat im Staate zu bilden.
Sie bereitet nur den Boden, schafft die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen
Vorbedingungen privaten Anbaues und ist zur Zeit beschäftigt, ihr Stationen¬
netz innerlich zu kräftigen und über andre günstig gelegene Punkte auszudehnen,
einen ersten Hafen in Dar-es-Salam auszubauen, die nötigsten Straßen, womög¬
lich auch eine erste Eisenbahn anzulegen und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit
ihr Gebiet auf die Art der Benutzungs- und Besiedluugsfühigkeit zu durch¬
forschen. Auch kleine Trupps eingeborner Soldaten machen unter bewährter
deutscher Leitung schou ihre täglichen Übungen. Ihre Ausgaben bestreitet die Ge¬
sellschaft vorerst aus deu 2^ Millionen, mit denen ausgerüstet sie in ihre neue
Verfassungsform eintrat. Durch das jüngste Abkommen mit dem Sultan wird
ihr, wie man hofft, ohne daß ich eine nähere Berechnung anstellen kann, ein


Wenn Deutschland seine Pflicht nicht ganz vernachlässigt, so ist nach fünfzig
Jahren der dann herrschende Sultan durch die zwingendste Interessengemein¬
schaft, er mag persönlich wollen oder nicht, an uns gekettet und überdies das
Küstenglied dem Körper unsrer Kolonie untrennbar angewachsen.

So sind denn die Hindernisse, deren es bei den verwickelten politischen
Verhältnissen Ostafrikas und der bereits vorhandenen arabisch-islamitischen Halb¬
kultur mehr gab und giebt, als in irgend einem andern unsrer Schutzgebiete,
hinlänglich beiseite geräumt, um dem Kolonistenfleiße und der organisatorischen
Kraft der Deutschen Luft und Spielraum zu gewähren. Auch in diesen Be¬
ziehungen sind die ersten Keime gleich nach der ersten Besitznahme ausgestreut
worden. Fünfzehn zweckmäßig verteilte Stationen, freilich noch mäßigen Um¬
fanges, blühen schon in dem fremden Lande auf, welche sich wirtschaftlich als
erste Versuchsfelder, politisch als erste Ansätze staatlicher Ordnung darstellen.
Fortan aber wird, wenn auch in administrativer wie wirtschaftlicher Beziehung ein
allmähliches Vordringen von der Küste ins Binnenland von den Grundsätzen
einer gefunden Kolonisationsmethode gefordert wird und bei der einigermaßen
gleichmäßig verteilten Fruchtbarkeit der Kolonie anch möglich ist, jene doppelte
Entwicklung in ein immer rascheres Tempo übergehen. Schon haben neuge-
bildete deutsche Missionen beider christlichen Bekenntnisse ihre mühsame, aber
auch dankbare Arbeit aufgenommen, schon warten eingedenk christlicher Liebes¬
pflichten deutsche Frauen, wenn auch zunächst nur in kleinen Krankenhäusern,
der Pflege erkrcmlter Landsleute, schon sind viele Hände geschäftig, in weiten
Pflanzungen tropische Nutzgewächse, Tabak, Baumwolle, Kaffee u. s. w. für deu
Ausfuhrhandel zu ziehen. Sie arbeiten nicht im Auftrage der herrschenden Kolonial¬
gesellschaft. Diese thut vielmehr recht daran, die eigentliche Nutzbarmachung
durch Ackerbau der Privatunternehmung, und zwar vorläufig mit möglichstem
Ausschluß einzelner Wirtschafter in Form größerer Kapitalgesellschaften zu über¬
lassen und sich auf die Durchführung der ebenso schwierigen als lohnenden Auf¬
gabe zu beschränken, die in unsrer Geschichte zum ersten male einem Kreise von Pri¬
vatleuten gestellt wird, nämlich gewissermaßen einen Staat im Staate zu bilden.
Sie bereitet nur den Boden, schafft die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen
Vorbedingungen privaten Anbaues und ist zur Zeit beschäftigt, ihr Stationen¬
netz innerlich zu kräftigen und über andre günstig gelegene Punkte auszudehnen,
einen ersten Hafen in Dar-es-Salam auszubauen, die nötigsten Straßen, womög¬
lich auch eine erste Eisenbahn anzulegen und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit
ihr Gebiet auf die Art der Benutzungs- und Besiedluugsfühigkeit zu durch¬
forschen. Auch kleine Trupps eingeborner Soldaten machen unter bewährter
deutscher Leitung schou ihre täglichen Übungen. Ihre Ausgaben bestreitet die Ge¬
sellschaft vorerst aus deu 2^ Millionen, mit denen ausgerüstet sie in ihre neue
Verfassungsform eintrat. Durch das jüngste Abkommen mit dem Sultan wird
ihr, wie man hofft, ohne daß ich eine nähere Berechnung anstellen kann, ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201857"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1041" prev="#ID_1040"> Wenn Deutschland seine Pflicht nicht ganz vernachlässigt, so ist nach fünfzig<lb/>
Jahren der dann herrschende Sultan durch die zwingendste Interessengemein¬<lb/>
schaft, er mag persönlich wollen oder nicht, an uns gekettet und überdies das<lb/>
Küstenglied dem Körper unsrer Kolonie untrennbar angewachsen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1042" next="#ID_1043"> So sind denn die Hindernisse, deren es bei den verwickelten politischen<lb/>
Verhältnissen Ostafrikas und der bereits vorhandenen arabisch-islamitischen Halb¬<lb/>
kultur mehr gab und giebt, als in irgend einem andern unsrer Schutzgebiete,<lb/>
hinlänglich beiseite geräumt, um dem Kolonistenfleiße und der organisatorischen<lb/>
Kraft der Deutschen Luft und Spielraum zu gewähren. Auch in diesen Be¬<lb/>
ziehungen sind die ersten Keime gleich nach der ersten Besitznahme ausgestreut<lb/>
worden. Fünfzehn zweckmäßig verteilte Stationen, freilich noch mäßigen Um¬<lb/>
fanges, blühen schon in dem fremden Lande auf, welche sich wirtschaftlich als<lb/>
erste Versuchsfelder, politisch als erste Ansätze staatlicher Ordnung darstellen.<lb/>
Fortan aber wird, wenn auch in administrativer wie wirtschaftlicher Beziehung ein<lb/>
allmähliches Vordringen von der Küste ins Binnenland von den Grundsätzen<lb/>
einer gefunden Kolonisationsmethode gefordert wird und bei der einigermaßen<lb/>
gleichmäßig verteilten Fruchtbarkeit der Kolonie anch möglich ist, jene doppelte<lb/>
Entwicklung in ein immer rascheres Tempo übergehen. Schon haben neuge-<lb/>
bildete deutsche Missionen beider christlichen Bekenntnisse ihre mühsame, aber<lb/>
auch dankbare Arbeit aufgenommen, schon warten eingedenk christlicher Liebes¬<lb/>
pflichten deutsche Frauen, wenn auch zunächst nur in kleinen Krankenhäusern,<lb/>
der Pflege erkrcmlter Landsleute, schon sind viele Hände geschäftig, in weiten<lb/>
Pflanzungen tropische Nutzgewächse, Tabak, Baumwolle, Kaffee u. s. w. für deu<lb/>
Ausfuhrhandel zu ziehen. Sie arbeiten nicht im Auftrage der herrschenden Kolonial¬<lb/>
gesellschaft. Diese thut vielmehr recht daran, die eigentliche Nutzbarmachung<lb/>
durch Ackerbau der Privatunternehmung, und zwar vorläufig mit möglichstem<lb/>
Ausschluß einzelner Wirtschafter in Form größerer Kapitalgesellschaften zu über¬<lb/>
lassen und sich auf die Durchführung der ebenso schwierigen als lohnenden Auf¬<lb/>
gabe zu beschränken, die in unsrer Geschichte zum ersten male einem Kreise von Pri¬<lb/>
vatleuten gestellt wird, nämlich gewissermaßen einen Staat im Staate zu bilden.<lb/>
Sie bereitet nur den Boden, schafft die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen<lb/>
Vorbedingungen privaten Anbaues und ist zur Zeit beschäftigt, ihr Stationen¬<lb/>
netz innerlich zu kräftigen und über andre günstig gelegene Punkte auszudehnen,<lb/>
einen ersten Hafen in Dar-es-Salam auszubauen, die nötigsten Straßen, womög¬<lb/>
lich auch eine erste Eisenbahn anzulegen und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit<lb/>
ihr Gebiet auf die Art der Benutzungs- und Besiedluugsfühigkeit zu durch¬<lb/>
forschen. Auch kleine Trupps eingeborner Soldaten machen unter bewährter<lb/>
deutscher Leitung schou ihre täglichen Übungen. Ihre Ausgaben bestreitet die Ge¬<lb/>
sellschaft vorerst aus deu 2^ Millionen, mit denen ausgerüstet sie in ihre neue<lb/>
Verfassungsform eintrat. Durch das jüngste Abkommen mit dem Sultan wird<lb/>
ihr, wie man hofft, ohne daß ich eine nähere Berechnung anstellen kann, ein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0428] Wenn Deutschland seine Pflicht nicht ganz vernachlässigt, so ist nach fünfzig Jahren der dann herrschende Sultan durch die zwingendste Interessengemein¬ schaft, er mag persönlich wollen oder nicht, an uns gekettet und überdies das Küstenglied dem Körper unsrer Kolonie untrennbar angewachsen. So sind denn die Hindernisse, deren es bei den verwickelten politischen Verhältnissen Ostafrikas und der bereits vorhandenen arabisch-islamitischen Halb¬ kultur mehr gab und giebt, als in irgend einem andern unsrer Schutzgebiete, hinlänglich beiseite geräumt, um dem Kolonistenfleiße und der organisatorischen Kraft der Deutschen Luft und Spielraum zu gewähren. Auch in diesen Be¬ ziehungen sind die ersten Keime gleich nach der ersten Besitznahme ausgestreut worden. Fünfzehn zweckmäßig verteilte Stationen, freilich noch mäßigen Um¬ fanges, blühen schon in dem fremden Lande auf, welche sich wirtschaftlich als erste Versuchsfelder, politisch als erste Ansätze staatlicher Ordnung darstellen. Fortan aber wird, wenn auch in administrativer wie wirtschaftlicher Beziehung ein allmähliches Vordringen von der Küste ins Binnenland von den Grundsätzen einer gefunden Kolonisationsmethode gefordert wird und bei der einigermaßen gleichmäßig verteilten Fruchtbarkeit der Kolonie anch möglich ist, jene doppelte Entwicklung in ein immer rascheres Tempo übergehen. Schon haben neuge- bildete deutsche Missionen beider christlichen Bekenntnisse ihre mühsame, aber auch dankbare Arbeit aufgenommen, schon warten eingedenk christlicher Liebes¬ pflichten deutsche Frauen, wenn auch zunächst nur in kleinen Krankenhäusern, der Pflege erkrcmlter Landsleute, schon sind viele Hände geschäftig, in weiten Pflanzungen tropische Nutzgewächse, Tabak, Baumwolle, Kaffee u. s. w. für deu Ausfuhrhandel zu ziehen. Sie arbeiten nicht im Auftrage der herrschenden Kolonial¬ gesellschaft. Diese thut vielmehr recht daran, die eigentliche Nutzbarmachung durch Ackerbau der Privatunternehmung, und zwar vorläufig mit möglichstem Ausschluß einzelner Wirtschafter in Form größerer Kapitalgesellschaften zu über¬ lassen und sich auf die Durchführung der ebenso schwierigen als lohnenden Auf¬ gabe zu beschränken, die in unsrer Geschichte zum ersten male einem Kreise von Pri¬ vatleuten gestellt wird, nämlich gewissermaßen einen Staat im Staate zu bilden. Sie bereitet nur den Boden, schafft die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Vorbedingungen privaten Anbaues und ist zur Zeit beschäftigt, ihr Stationen¬ netz innerlich zu kräftigen und über andre günstig gelegene Punkte auszudehnen, einen ersten Hafen in Dar-es-Salam auszubauen, die nötigsten Straßen, womög¬ lich auch eine erste Eisenbahn anzulegen und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit ihr Gebiet auf die Art der Benutzungs- und Besiedluugsfühigkeit zu durch¬ forschen. Auch kleine Trupps eingeborner Soldaten machen unter bewährter deutscher Leitung schou ihre täglichen Übungen. Ihre Ausgaben bestreitet die Ge¬ sellschaft vorerst aus deu 2^ Millionen, mit denen ausgerüstet sie in ihre neue Verfassungsform eintrat. Durch das jüngste Abkommen mit dem Sultan wird ihr, wie man hofft, ohne daß ich eine nähere Berechnung anstellen kann, ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/428
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/428>, abgerufen am 22.07.2024.