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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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So sollen die Tage der Villa Aldobrandini an der Via Nazivnale bereits ge¬
zählt sein. Der amtliche Bebanungs- und Regulirungsplcm von Rom, der die
Stellen, an denen Neubauten aufgeführt werden sollen, aufs genaueste ver¬
zeichnet, weiß hiervon nichts; er weiß auch nichts davon, daß der schöne Zy¬
pressengarten des Palazzo Colonna am Südabhange des Quirinals als Opfer
der Vernichtungswut fallen soll. Und Villa Mattei in der Nähe von San
Stefano Rotondo? Wird sie nicht auch dem grausamen Geschick anheimfallen?
Das Geschick einer derartigen Besitzung dürfte doch in diesem Falle -- da an
ein Expropriationsverfahren noch niemand gedacht hat -- von dem Willen des
Besitzers abhängen. Der verstorbene König Viktor Emanuel hatte einst den
Wunsch, die Villa für sich zu erwerben; er bot dem jetzigen Besitzer als be¬
sondre Entschädigung die Villa Melliui auf dem Monte Mario an. Das An¬
gebot wurde jedoch zurückgewiesen. Ist da die Vermutung gerechtfertigt, daß
der jetzige Besitzer, ein Deutscher, der sein Eigentum so lieb gewonnen hat, daß
er selbst dem Wunsche eines Königs nicht Folge geben zu können glaubte, es
Geldgesellschaften zur Ausschlachtung preisgeben würde? Von Villa Wvlkonsly
in der Nähe des Laterans hat der jetzige Eigentümer, der Marchese Campanari,
ein kleines, meist für Gartenbau bestimmtes Stück Land verkauft; auf dem ver¬
kauften Boden baut er sich selbst jetzt ein neues Kasino. Der übrige größte
Teil des Parkes bleibt vollständig erhalten.

Der Charakter des päpstlichen Roms wird zum größten Teile den um¬
fassenden Umgestaltungen der Stadt im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert
verdankt; ein Stadtteil, die Monti, ist das Werk Sixtus des Fünften, der zuletzt
in einer geradezu schreckenerregenden Weise den alten Baudenkmälern den
Untergang bereitete, sodaß behauptet werden konnte: hätten Zeit und Geld
ausgereicht, wir würden heute von den kaum ein Dutzend ausmachenden größeren
Ruinen auch nicht eine mehr besitzen. Ans dem linken Tibcrufer bildete, wie
teilweise noch heutigen Tages, der von der Piazza del Popolo nach der Piazza
Venezia führende Corso die Hauptverkehrsader, von der sich rechts und links
Seitenstraßen in großer Zahl abzweigen, von diesen wieder Parallelstraßen zum
Corso. In dem Innern der Stadt, in der Gegend zwischen Corso und dem
Tiber, sind es enge, dumpfige Gassen mit hohen Häusern und geringem Licht¬
einfall und ungesunder Luft. Ueber die Unredlichkeit und den Schmutz der
durch keine öffentliche Kontrole beaufsichtigten und zurechtgewiesenen Bewohner
wußte man auch zu erzählen, wenn man von dem "alten" Rom sprach. Aber
das nannte man früher "malerisch." Dieselbe Erscheinung bemerkte man in
dem jenseits des Tiber gelegenen Stadtteile, dem Borgo und den angrenzenden
Straßen. Hier that Abhilfe dringend not. Sie konnte nur auf zweierlei Weise
bewerkstelligt werden: durch strenge, die öffentliche Reinlichkeit betreffende Polizei¬
maßregeln und durch einen sachgemäßen Ncguliruugsplau dieser Straßen und
Gassen. Man braucht sich nicht auf andre Großstädte zu berufen, um den


Grenzboten IV. 1887. 47

So sollen die Tage der Villa Aldobrandini an der Via Nazivnale bereits ge¬
zählt sein. Der amtliche Bebanungs- und Regulirungsplcm von Rom, der die
Stellen, an denen Neubauten aufgeführt werden sollen, aufs genaueste ver¬
zeichnet, weiß hiervon nichts; er weiß auch nichts davon, daß der schöne Zy¬
pressengarten des Palazzo Colonna am Südabhange des Quirinals als Opfer
der Vernichtungswut fallen soll. Und Villa Mattei in der Nähe von San
Stefano Rotondo? Wird sie nicht auch dem grausamen Geschick anheimfallen?
Das Geschick einer derartigen Besitzung dürfte doch in diesem Falle — da an
ein Expropriationsverfahren noch niemand gedacht hat — von dem Willen des
Besitzers abhängen. Der verstorbene König Viktor Emanuel hatte einst den
Wunsch, die Villa für sich zu erwerben; er bot dem jetzigen Besitzer als be¬
sondre Entschädigung die Villa Melliui auf dem Monte Mario an. Das An¬
gebot wurde jedoch zurückgewiesen. Ist da die Vermutung gerechtfertigt, daß
der jetzige Besitzer, ein Deutscher, der sein Eigentum so lieb gewonnen hat, daß
er selbst dem Wunsche eines Königs nicht Folge geben zu können glaubte, es
Geldgesellschaften zur Ausschlachtung preisgeben würde? Von Villa Wvlkonsly
in der Nähe des Laterans hat der jetzige Eigentümer, der Marchese Campanari,
ein kleines, meist für Gartenbau bestimmtes Stück Land verkauft; auf dem ver¬
kauften Boden baut er sich selbst jetzt ein neues Kasino. Der übrige größte
Teil des Parkes bleibt vollständig erhalten.

Der Charakter des päpstlichen Roms wird zum größten Teile den um¬
fassenden Umgestaltungen der Stadt im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert
verdankt; ein Stadtteil, die Monti, ist das Werk Sixtus des Fünften, der zuletzt
in einer geradezu schreckenerregenden Weise den alten Baudenkmälern den
Untergang bereitete, sodaß behauptet werden konnte: hätten Zeit und Geld
ausgereicht, wir würden heute von den kaum ein Dutzend ausmachenden größeren
Ruinen auch nicht eine mehr besitzen. Ans dem linken Tibcrufer bildete, wie
teilweise noch heutigen Tages, der von der Piazza del Popolo nach der Piazza
Venezia führende Corso die Hauptverkehrsader, von der sich rechts und links
Seitenstraßen in großer Zahl abzweigen, von diesen wieder Parallelstraßen zum
Corso. In dem Innern der Stadt, in der Gegend zwischen Corso und dem
Tiber, sind es enge, dumpfige Gassen mit hohen Häusern und geringem Licht¬
einfall und ungesunder Luft. Ueber die Unredlichkeit und den Schmutz der
durch keine öffentliche Kontrole beaufsichtigten und zurechtgewiesenen Bewohner
wußte man auch zu erzählen, wenn man von dem „alten" Rom sprach. Aber
das nannte man früher „malerisch." Dieselbe Erscheinung bemerkte man in
dem jenseits des Tiber gelegenen Stadtteile, dem Borgo und den angrenzenden
Straßen. Hier that Abhilfe dringend not. Sie konnte nur auf zweierlei Weise
bewerkstelligt werden: durch strenge, die öffentliche Reinlichkeit betreffende Polizei¬
maßregeln und durch einen sachgemäßen Ncguliruugsplau dieser Straßen und
Gassen. Man braucht sich nicht auf andre Großstädte zu berufen, um den


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[0377] So sollen die Tage der Villa Aldobrandini an der Via Nazivnale bereits ge¬ zählt sein. Der amtliche Bebanungs- und Regulirungsplcm von Rom, der die Stellen, an denen Neubauten aufgeführt werden sollen, aufs genaueste ver¬ zeichnet, weiß hiervon nichts; er weiß auch nichts davon, daß der schöne Zy¬ pressengarten des Palazzo Colonna am Südabhange des Quirinals als Opfer der Vernichtungswut fallen soll. Und Villa Mattei in der Nähe von San Stefano Rotondo? Wird sie nicht auch dem grausamen Geschick anheimfallen? Das Geschick einer derartigen Besitzung dürfte doch in diesem Falle — da an ein Expropriationsverfahren noch niemand gedacht hat — von dem Willen des Besitzers abhängen. Der verstorbene König Viktor Emanuel hatte einst den Wunsch, die Villa für sich zu erwerben; er bot dem jetzigen Besitzer als be¬ sondre Entschädigung die Villa Melliui auf dem Monte Mario an. Das An¬ gebot wurde jedoch zurückgewiesen. Ist da die Vermutung gerechtfertigt, daß der jetzige Besitzer, ein Deutscher, der sein Eigentum so lieb gewonnen hat, daß er selbst dem Wunsche eines Königs nicht Folge geben zu können glaubte, es Geldgesellschaften zur Ausschlachtung preisgeben würde? Von Villa Wvlkonsly in der Nähe des Laterans hat der jetzige Eigentümer, der Marchese Campanari, ein kleines, meist für Gartenbau bestimmtes Stück Land verkauft; auf dem ver¬ kauften Boden baut er sich selbst jetzt ein neues Kasino. Der übrige größte Teil des Parkes bleibt vollständig erhalten. Der Charakter des päpstlichen Roms wird zum größten Teile den um¬ fassenden Umgestaltungen der Stadt im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert verdankt; ein Stadtteil, die Monti, ist das Werk Sixtus des Fünften, der zuletzt in einer geradezu schreckenerregenden Weise den alten Baudenkmälern den Untergang bereitete, sodaß behauptet werden konnte: hätten Zeit und Geld ausgereicht, wir würden heute von den kaum ein Dutzend ausmachenden größeren Ruinen auch nicht eine mehr besitzen. Ans dem linken Tibcrufer bildete, wie teilweise noch heutigen Tages, der von der Piazza del Popolo nach der Piazza Venezia führende Corso die Hauptverkehrsader, von der sich rechts und links Seitenstraßen in großer Zahl abzweigen, von diesen wieder Parallelstraßen zum Corso. In dem Innern der Stadt, in der Gegend zwischen Corso und dem Tiber, sind es enge, dumpfige Gassen mit hohen Häusern und geringem Licht¬ einfall und ungesunder Luft. Ueber die Unredlichkeit und den Schmutz der durch keine öffentliche Kontrole beaufsichtigten und zurechtgewiesenen Bewohner wußte man auch zu erzählen, wenn man von dem „alten" Rom sprach. Aber das nannte man früher „malerisch." Dieselbe Erscheinung bemerkte man in dem jenseits des Tiber gelegenen Stadtteile, dem Borgo und den angrenzenden Straßen. Hier that Abhilfe dringend not. Sie konnte nur auf zweierlei Weise bewerkstelligt werden: durch strenge, die öffentliche Reinlichkeit betreffende Polizei¬ maßregeln und durch einen sachgemäßen Ncguliruugsplau dieser Straßen und Gassen. Man braucht sich nicht auf andre Großstädte zu berufen, um den Grenzboten IV. 1887. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/377>, abgerufen am 22.07.2024.