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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Rolonisationsbestrebungen in Gstafrika.

freilich die Armut an schiffbaren Strömen der eindringenden Kultur kaum
überwindbare Hindernisse entgegenstellen, anderseits hatten die Seestaaten vor¬
derhand genug und übergenug Kolonialbesitz, und schließlich ist die Thatsäch-
lichkeit jener Behauptung selber einzuschränken, insofern andre Nationen seit
längerer oder kürzerer Zeit geschäftig waren, uns in der Erwerbung des be¬
treffenden Gebietes den Rang abzulaufen. Daß es nicht geschah, darf eben
unser Stolz und unsre Freude sein. Auch blickt das Land auf eine eigentümliche
Geschichte zurück, die es nur empfehlen und uus in unsern Hoffnungen bestärken
kann. Dem Reisenden starren in dem Küstengebiete als stummberedte Zeugen
besserer Tage zahlreiche Trümmerreste umfänglicher Bauwerke entgegen, die zum
kleinern Teil der arabischen Ansiedlungsperiode vor Vascos kühner Entdeckungs-
nnd Eroberungsfahrt, zum größer" Teil der darauf folgenden portugiesischen ange¬
hören. Selbst ius vorchristliche Altertum führen deutliche Spuren zurück. Erst
die im achtzehnten Jahrhundert zum zweitenmal eindringende arabische Halbkultur,
welche nach der mit der Ausbeutung Amerikas eintretenden Preissteigerung der
afrikanischen Menschcnwaare alle Schrecken des Sklavenhandels über das Land
verhängte, brachte die Verödung und damit ein bedingtes Recht zu der Gering-
schätzung, mit dem ein oberflächlicher Beobachter das Land in seinem seit¬
herigen Zustande ansehen mochte und mag.

Wie aber kam es an Deutschland, das ihm ein Befreier, ein Retter werden
soll? Es ist für die Geschichte unsrer Kolonialpolitik sehr bezeichnend, daß und
wie sich Staat und Volk in die neue Aufgabe teilten. Ihre Anregung konnte
wohl ausgehen vom Volle, sie eigentlich stellen aber konnte nur der Staat:
ohne seine Billigung wäre natürlich jedes Kvlonialunternehmen ein totgebornes
Kind gewesen. Aber die Durchführung wiederum hat er in weiser Erwägung
der herrschenden parlamentarischen Verhältnisse und mehr noch der von andern
Völkern gemachten Erfahrungen dem privaten Unternehmungsgeist überlassen
und sich nur auf eine bald größere, bald geringere Unterstützung beschränkt.
Namentlich ist Ostafrika vorzugsweise und in höherm Grade als unsre andern
Kolonien ein eigenster Gewinn der Privatunternehmung, und zwar so, daß das
Verdienst eines Mannes das aller Mitwirkenden weit überragt. Wenn man
einmal gewohnt ist, große Bestrebungen und Bewegungen, abgesehen von den
Mitthätigen, aus den Namen ihres kräftigsten Vorkämpfers zu taufen, wenn
man die großartige gesetzgeberische Thätigkeit zur Zeit der Freiheitskriege nach
Stein und Hardenberg und unser. ganzes Zeitalter nach Bismarck nennt, so
führt uns die Erwerbung Ostafrikas, wenn wir Kleines mit Großem vergleichen
sollen, unzweifelhaft auf den Namen des Dr. Peters, eines noch jungen Mannes,
der dreierlei besitzt, was den bedeutenden PolitikerMacht: Schwung der Ideen,
Schärfe des Gedankens und die Richtungsstetigleit eines thatkräftigen Willens.

(Schluß folgt.)




Die deutschen Rolonisationsbestrebungen in Gstafrika.

freilich die Armut an schiffbaren Strömen der eindringenden Kultur kaum
überwindbare Hindernisse entgegenstellen, anderseits hatten die Seestaaten vor¬
derhand genug und übergenug Kolonialbesitz, und schließlich ist die Thatsäch-
lichkeit jener Behauptung selber einzuschränken, insofern andre Nationen seit
längerer oder kürzerer Zeit geschäftig waren, uns in der Erwerbung des be¬
treffenden Gebietes den Rang abzulaufen. Daß es nicht geschah, darf eben
unser Stolz und unsre Freude sein. Auch blickt das Land auf eine eigentümliche
Geschichte zurück, die es nur empfehlen und uus in unsern Hoffnungen bestärken
kann. Dem Reisenden starren in dem Küstengebiete als stummberedte Zeugen
besserer Tage zahlreiche Trümmerreste umfänglicher Bauwerke entgegen, die zum
kleinern Teil der arabischen Ansiedlungsperiode vor Vascos kühner Entdeckungs-
nnd Eroberungsfahrt, zum größer» Teil der darauf folgenden portugiesischen ange¬
hören. Selbst ius vorchristliche Altertum führen deutliche Spuren zurück. Erst
die im achtzehnten Jahrhundert zum zweitenmal eindringende arabische Halbkultur,
welche nach der mit der Ausbeutung Amerikas eintretenden Preissteigerung der
afrikanischen Menschcnwaare alle Schrecken des Sklavenhandels über das Land
verhängte, brachte die Verödung und damit ein bedingtes Recht zu der Gering-
schätzung, mit dem ein oberflächlicher Beobachter das Land in seinem seit¬
herigen Zustande ansehen mochte und mag.

Wie aber kam es an Deutschland, das ihm ein Befreier, ein Retter werden
soll? Es ist für die Geschichte unsrer Kolonialpolitik sehr bezeichnend, daß und
wie sich Staat und Volk in die neue Aufgabe teilten. Ihre Anregung konnte
wohl ausgehen vom Volle, sie eigentlich stellen aber konnte nur der Staat:
ohne seine Billigung wäre natürlich jedes Kvlonialunternehmen ein totgebornes
Kind gewesen. Aber die Durchführung wiederum hat er in weiser Erwägung
der herrschenden parlamentarischen Verhältnisse und mehr noch der von andern
Völkern gemachten Erfahrungen dem privaten Unternehmungsgeist überlassen
und sich nur auf eine bald größere, bald geringere Unterstützung beschränkt.
Namentlich ist Ostafrika vorzugsweise und in höherm Grade als unsre andern
Kolonien ein eigenster Gewinn der Privatunternehmung, und zwar so, daß das
Verdienst eines Mannes das aller Mitwirkenden weit überragt. Wenn man
einmal gewohnt ist, große Bestrebungen und Bewegungen, abgesehen von den
Mitthätigen, aus den Namen ihres kräftigsten Vorkämpfers zu taufen, wenn
man die großartige gesetzgeberische Thätigkeit zur Zeit der Freiheitskriege nach
Stein und Hardenberg und unser. ganzes Zeitalter nach Bismarck nennt, so
führt uns die Erwerbung Ostafrikas, wenn wir Kleines mit Großem vergleichen
sollen, unzweifelhaft auf den Namen des Dr. Peters, eines noch jungen Mannes,
der dreierlei besitzt, was den bedeutenden PolitikerMacht: Schwung der Ideen,
Schärfe des Gedankens und die Richtungsstetigleit eines thatkräftigen Willens.

(Schluß folgt.)




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[0366] Die deutschen Rolonisationsbestrebungen in Gstafrika. freilich die Armut an schiffbaren Strömen der eindringenden Kultur kaum überwindbare Hindernisse entgegenstellen, anderseits hatten die Seestaaten vor¬ derhand genug und übergenug Kolonialbesitz, und schließlich ist die Thatsäch- lichkeit jener Behauptung selber einzuschränken, insofern andre Nationen seit längerer oder kürzerer Zeit geschäftig waren, uns in der Erwerbung des be¬ treffenden Gebietes den Rang abzulaufen. Daß es nicht geschah, darf eben unser Stolz und unsre Freude sein. Auch blickt das Land auf eine eigentümliche Geschichte zurück, die es nur empfehlen und uus in unsern Hoffnungen bestärken kann. Dem Reisenden starren in dem Küstengebiete als stummberedte Zeugen besserer Tage zahlreiche Trümmerreste umfänglicher Bauwerke entgegen, die zum kleinern Teil der arabischen Ansiedlungsperiode vor Vascos kühner Entdeckungs- nnd Eroberungsfahrt, zum größer» Teil der darauf folgenden portugiesischen ange¬ hören. Selbst ius vorchristliche Altertum führen deutliche Spuren zurück. Erst die im achtzehnten Jahrhundert zum zweitenmal eindringende arabische Halbkultur, welche nach der mit der Ausbeutung Amerikas eintretenden Preissteigerung der afrikanischen Menschcnwaare alle Schrecken des Sklavenhandels über das Land verhängte, brachte die Verödung und damit ein bedingtes Recht zu der Gering- schätzung, mit dem ein oberflächlicher Beobachter das Land in seinem seit¬ herigen Zustande ansehen mochte und mag. Wie aber kam es an Deutschland, das ihm ein Befreier, ein Retter werden soll? Es ist für die Geschichte unsrer Kolonialpolitik sehr bezeichnend, daß und wie sich Staat und Volk in die neue Aufgabe teilten. Ihre Anregung konnte wohl ausgehen vom Volle, sie eigentlich stellen aber konnte nur der Staat: ohne seine Billigung wäre natürlich jedes Kvlonialunternehmen ein totgebornes Kind gewesen. Aber die Durchführung wiederum hat er in weiser Erwägung der herrschenden parlamentarischen Verhältnisse und mehr noch der von andern Völkern gemachten Erfahrungen dem privaten Unternehmungsgeist überlassen und sich nur auf eine bald größere, bald geringere Unterstützung beschränkt. Namentlich ist Ostafrika vorzugsweise und in höherm Grade als unsre andern Kolonien ein eigenster Gewinn der Privatunternehmung, und zwar so, daß das Verdienst eines Mannes das aller Mitwirkenden weit überragt. Wenn man einmal gewohnt ist, große Bestrebungen und Bewegungen, abgesehen von den Mitthätigen, aus den Namen ihres kräftigsten Vorkämpfers zu taufen, wenn man die großartige gesetzgeberische Thätigkeit zur Zeit der Freiheitskriege nach Stein und Hardenberg und unser. ganzes Zeitalter nach Bismarck nennt, so führt uns die Erwerbung Ostafrikas, wenn wir Kleines mit Großem vergleichen sollen, unzweifelhaft auf den Namen des Dr. Peters, eines noch jungen Mannes, der dreierlei besitzt, was den bedeutenden PolitikerMacht: Schwung der Ideen, Schärfe des Gedankens und die Richtungsstetigleit eines thatkräftigen Willens. (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/366>, abgerufen am 04.07.2024.