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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Eine Fahrt in den Grient.

M xollilt A.n<1 Iroras Allee du^t hoopoe tiws
^Kor last I Iisart ttisir sootdivZ odios.

übereilt, wo griechische Kultur Wurzel schlug, hier wie bei Smyrnci, auf Cypern
und an der thessalisch-mazedonischen Grenze, belegte sie die höchsten Berge mit
dem Namen Olympos, und so streiten die Gelehrten, welcher von ihnen der
homerische Sitz der Götter gewesen sei. Als ich am Morgen mit Monsieur
Alexander lind unsern beiden türkischen Führern Abdallah und Mohammed auf¬
brach, ließ ich alle archäologischen Zweifel beiseite und wiegte mich in dem
Gedanken, nach dem Sitz der Götter aufzubrechen. Mühevoll genug war der
Aufstieg zu der Wohnung der Seligen, ewig Dauernden. Oft mußten wir
unsre Tiere selbst ziehen, und oft sahen wir, wie nahe der Abgrund bei der
Höhe liegt. Aber alles prangte in herrlichem Grün und schien anzudeuten,
daß, wie die Bewohner des Himmels ewig jung bleiben, auch ihr Sitz ewige
Frische bewahrt. Würde in dem Reichtum an Schluchten der Beweis für die
Echtheit des homerischen Olymps gesucht werden, so könnte der mysische in dem
Wettkampfe den Sieg davontragen, denn immer wieder, wenn wir eine neue
Höhe erklommen hatten, zeigte sich ein neuer Einschnitt. Von dem ersten
Plateau sahen wir im Schleier des Morgens das weithin ausgedehnte
Brussa vor uns liegen, und der märchenhafte Zauber, der am Abend vorher
von dem Orchangrab die Landschaft verhüllt hielt, war einem hellen Blicke ge¬
wichen. Eine lachende Landschaft lag vor uns, und was die Nachlässigkeit der
Menschen und der Schmutz der Jahrhunderte gesündigt haben mochte, hier ent¬
zogen Gärten und Wälder dem Auge das Häßliche und gestalteten es zu einem
anmuthvoller Bilde. Von dem zweiten Plateau aber enthüllt sich das Meer
und die fruchtbare Ebene von Mysien und Bithynien und läßt erwarten, daß
sich auf dem Gipfel auch die trvische Ebene dem begeisterten Auge zeige" werde.
Wir mußten es leider für diesmal aufgeben, nach dem Göttersitz zu gelangen
und mußten unsrer Wanderung hier ein Ziel setzen, da der Nachmittag noch
Brussa gewidmet sein sollte. Muß doch die Mehrzahl der Sterblichen, welche
zur Höhe strebt, inmitten des Weges wieder umkehren, denn nur wenige von
den Berufenen sind auserwählt.

Längst hatte die Sonne ihre Höhe überschritten, als wir in unserm Hotel
anlangten- Aber nachdem durch die Güte von Madame Brote "die Begierde
nach Trank und nach Speise gestillt" war, wurden frische Esel bestiegen, und
vorwärts ging es dnrch die Stadt. Diese bietet das Bild von Stambul in
höherer Potenz, das orientalische Leben und Treiben ist uoch unverfälschter und
wird durch die umgebende Natur uoch malerischer. Gegen die sengenden Strahlen
der Sonne bilden rankende Bäume und Tücher, die sich von einer Seite
der Straße zur andern ziehen, eigentümlich und anmutig geformte Schutzdächer
und erinnern an die verdeckte Straße, welche Hildebrands Meisterhand verewigt
hat. Lange Karawanen schwerbeladener Kameele, die von Bagdad die Waaren


Eine Fahrt in den Grient.

M xollilt A.n<1 Iroras Allee du^t hoopoe tiws
^Kor last I Iisart ttisir sootdivZ odios.

übereilt, wo griechische Kultur Wurzel schlug, hier wie bei Smyrnci, auf Cypern
und an der thessalisch-mazedonischen Grenze, belegte sie die höchsten Berge mit
dem Namen Olympos, und so streiten die Gelehrten, welcher von ihnen der
homerische Sitz der Götter gewesen sei. Als ich am Morgen mit Monsieur
Alexander lind unsern beiden türkischen Führern Abdallah und Mohammed auf¬
brach, ließ ich alle archäologischen Zweifel beiseite und wiegte mich in dem
Gedanken, nach dem Sitz der Götter aufzubrechen. Mühevoll genug war der
Aufstieg zu der Wohnung der Seligen, ewig Dauernden. Oft mußten wir
unsre Tiere selbst ziehen, und oft sahen wir, wie nahe der Abgrund bei der
Höhe liegt. Aber alles prangte in herrlichem Grün und schien anzudeuten,
daß, wie die Bewohner des Himmels ewig jung bleiben, auch ihr Sitz ewige
Frische bewahrt. Würde in dem Reichtum an Schluchten der Beweis für die
Echtheit des homerischen Olymps gesucht werden, so könnte der mysische in dem
Wettkampfe den Sieg davontragen, denn immer wieder, wenn wir eine neue
Höhe erklommen hatten, zeigte sich ein neuer Einschnitt. Von dem ersten
Plateau sahen wir im Schleier des Morgens das weithin ausgedehnte
Brussa vor uns liegen, und der märchenhafte Zauber, der am Abend vorher
von dem Orchangrab die Landschaft verhüllt hielt, war einem hellen Blicke ge¬
wichen. Eine lachende Landschaft lag vor uns, und was die Nachlässigkeit der
Menschen und der Schmutz der Jahrhunderte gesündigt haben mochte, hier ent¬
zogen Gärten und Wälder dem Auge das Häßliche und gestalteten es zu einem
anmuthvoller Bilde. Von dem zweiten Plateau aber enthüllt sich das Meer
und die fruchtbare Ebene von Mysien und Bithynien und läßt erwarten, daß
sich auf dem Gipfel auch die trvische Ebene dem begeisterten Auge zeige» werde.
Wir mußten es leider für diesmal aufgeben, nach dem Göttersitz zu gelangen
und mußten unsrer Wanderung hier ein Ziel setzen, da der Nachmittag noch
Brussa gewidmet sein sollte. Muß doch die Mehrzahl der Sterblichen, welche
zur Höhe strebt, inmitten des Weges wieder umkehren, denn nur wenige von
den Berufenen sind auserwählt.

Längst hatte die Sonne ihre Höhe überschritten, als wir in unserm Hotel
anlangten- Aber nachdem durch die Güte von Madame Brote „die Begierde
nach Trank und nach Speise gestillt" war, wurden frische Esel bestiegen, und
vorwärts ging es dnrch die Stadt. Diese bietet das Bild von Stambul in
höherer Potenz, das orientalische Leben und Treiben ist uoch unverfälschter und
wird durch die umgebende Natur uoch malerischer. Gegen die sengenden Strahlen
der Sonne bilden rankende Bäume und Tücher, die sich von einer Seite
der Straße zur andern ziehen, eigentümlich und anmutig geformte Schutzdächer
und erinnern an die verdeckte Straße, welche Hildebrands Meisterhand verewigt
hat. Lange Karawanen schwerbeladener Kameele, die von Bagdad die Waaren


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[0254] Eine Fahrt in den Grient. M xollilt A.n<1 Iroras Allee du^t hoopoe tiws ^Kor last I Iisart ttisir sootdivZ odios. übereilt, wo griechische Kultur Wurzel schlug, hier wie bei Smyrnci, auf Cypern und an der thessalisch-mazedonischen Grenze, belegte sie die höchsten Berge mit dem Namen Olympos, und so streiten die Gelehrten, welcher von ihnen der homerische Sitz der Götter gewesen sei. Als ich am Morgen mit Monsieur Alexander lind unsern beiden türkischen Führern Abdallah und Mohammed auf¬ brach, ließ ich alle archäologischen Zweifel beiseite und wiegte mich in dem Gedanken, nach dem Sitz der Götter aufzubrechen. Mühevoll genug war der Aufstieg zu der Wohnung der Seligen, ewig Dauernden. Oft mußten wir unsre Tiere selbst ziehen, und oft sahen wir, wie nahe der Abgrund bei der Höhe liegt. Aber alles prangte in herrlichem Grün und schien anzudeuten, daß, wie die Bewohner des Himmels ewig jung bleiben, auch ihr Sitz ewige Frische bewahrt. Würde in dem Reichtum an Schluchten der Beweis für die Echtheit des homerischen Olymps gesucht werden, so könnte der mysische in dem Wettkampfe den Sieg davontragen, denn immer wieder, wenn wir eine neue Höhe erklommen hatten, zeigte sich ein neuer Einschnitt. Von dem ersten Plateau sahen wir im Schleier des Morgens das weithin ausgedehnte Brussa vor uns liegen, und der märchenhafte Zauber, der am Abend vorher von dem Orchangrab die Landschaft verhüllt hielt, war einem hellen Blicke ge¬ wichen. Eine lachende Landschaft lag vor uns, und was die Nachlässigkeit der Menschen und der Schmutz der Jahrhunderte gesündigt haben mochte, hier ent¬ zogen Gärten und Wälder dem Auge das Häßliche und gestalteten es zu einem anmuthvoller Bilde. Von dem zweiten Plateau aber enthüllt sich das Meer und die fruchtbare Ebene von Mysien und Bithynien und läßt erwarten, daß sich auf dem Gipfel auch die trvische Ebene dem begeisterten Auge zeige» werde. Wir mußten es leider für diesmal aufgeben, nach dem Göttersitz zu gelangen und mußten unsrer Wanderung hier ein Ziel setzen, da der Nachmittag noch Brussa gewidmet sein sollte. Muß doch die Mehrzahl der Sterblichen, welche zur Höhe strebt, inmitten des Weges wieder umkehren, denn nur wenige von den Berufenen sind auserwählt. Längst hatte die Sonne ihre Höhe überschritten, als wir in unserm Hotel anlangten- Aber nachdem durch die Güte von Madame Brote „die Begierde nach Trank und nach Speise gestillt" war, wurden frische Esel bestiegen, und vorwärts ging es dnrch die Stadt. Diese bietet das Bild von Stambul in höherer Potenz, das orientalische Leben und Treiben ist uoch unverfälschter und wird durch die umgebende Natur uoch malerischer. Gegen die sengenden Strahlen der Sonne bilden rankende Bäume und Tücher, die sich von einer Seite der Straße zur andern ziehen, eigentümlich und anmutig geformte Schutzdächer und erinnern an die verdeckte Straße, welche Hildebrands Meisterhand verewigt hat. Lange Karawanen schwerbeladener Kameele, die von Bagdad die Waaren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/254>, abgerufen am 22.07.2024.