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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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zur Aufgabe habe. Obgleich Andreae in spätern Schriften seine Mitteilungen
über das Vorhandensein eines Nosenkrenzerbnndcs selbst für erdichtet erklärte,
und obgleich niemals ein sicherer Beweis für das damalige wirkliche Bestehen
eines solchen erbracht worden war, so glaubten dennoch viele daran, viele
wurden Mitglieder dieses vermeintlichen Bundes, und so entstand schließlich in
der That eine Art von geheimem Bund, der bis dahin uur in der Einbildung
gelebt hatte, und dem eine eigentliche Organisation auch jetzt noch fehlte. Unter
den der Roseukreuzerbruderschaft zur Verfügung stehenden geheimen Kenntnissen
wurde Ende des vorigen Jahrhunderts die schon verfallende Alchemie von neuem
genannt und ging unter dem Schutze der rosenkreuzerischen Flagge auf frische
Eroberungen aus. Auf der andern Seite gewannen alle diejenigen, welche sich
als Mitglieder des Nvscukreuzerbuudes betrachteten, engern Anschluß unter
einander, gemeinsame Erkennungszeichen und einen gemeinsamen Anhalts-- und
Ausgangspunkt durch Anschluß an den Freimaurerbund, der Ende des zweiten
Jahrzehntes des vorigen Jahrhunderts in England zu der jetzt uoch von ihm
festgehaltenen Gestaltung gekommen mar. Und daß man die Freimaurerei als
eine" Geheimbund betrachtete, dessen höhern Graden sich die Geheimnisse der
Magie, der Theosophie und Alchemie offenbaren, kam namentlich wieder der
letztern zu statten. Die Freimaurerei galt aber nur als der Vorhof des Tempels,
dessen verborgener Eingang nur den würdigen Freimaurern sich entdeckte, und
so war für jeden erst einmal in den Freimaurerbund eingetretenen die Gefahr
groß, dafür gewonnen zu werden, daß er ans der Freimaurerloge in einen
Nvseukreuzcrzirkcl und von der harmlosen Beschäftigung mit Freimaurerei, an
welcher sich zu beteiligen er zuerst nur gedacht hatte, zu der aufreibenden und
nie befriedigenden Erwartung der Einweihung in höheres Gehcimwissen und oft
zu materiellem und moralischem Ruin überging. Zwei hervorragende Männer
dieser Art waren der Graf Se. Germain, welcher stark verschuldet, und der
Graf Cagliostro, welcher in lebenslänglicher Haft endete (Schillers "Geisterseher"
erinnert an das Treiben des letztern). In Berlin erreichte die Nosenkrenzerei
die höchsten Kreise. Es ist bekannt, wie die von Bischoffswerder und Wöllner
den König Friedrich Wilhelm II. zu fesseln, in den Bund aufzunehmen und in
jeder Art, auch durch Geisterbeschwörung, auf ihn einzuwirken wußten. Vielfach
wurde hier auch praktisch in Alchemie gearbeitet (Generalchirurgns Theden).
In Kassel nahmen bedeutende Männer wie der Anatom Sömmering und der
Weltumsegler Forster an der Betreibung der Alchemie thätigen Anteil, anch
Knigge ist in diesen Kreisen zu finden. Aber noch ehe das vorige Jahrhundert
zu Ende ging, begann das Ansehen des Gold- und Nvsenkreuzervrdens zu
Warten, es regte sich die Anschauung, daß der herrschende Einfluß desselben
für die wahren Zwecke der Freimaurerei verderblich sei. So machte sich auch
die Loge zu den drei Weltkugeln, in welcher der Orden eine Hauptstätte seines
Treibens gefunden hatte, von ihm los, und schließlich fanden es am Anfang


zur Aufgabe habe. Obgleich Andreae in spätern Schriften seine Mitteilungen
über das Vorhandensein eines Nosenkrenzerbnndcs selbst für erdichtet erklärte,
und obgleich niemals ein sicherer Beweis für das damalige wirkliche Bestehen
eines solchen erbracht worden war, so glaubten dennoch viele daran, viele
wurden Mitglieder dieses vermeintlichen Bundes, und so entstand schließlich in
der That eine Art von geheimem Bund, der bis dahin uur in der Einbildung
gelebt hatte, und dem eine eigentliche Organisation auch jetzt noch fehlte. Unter
den der Roseukreuzerbruderschaft zur Verfügung stehenden geheimen Kenntnissen
wurde Ende des vorigen Jahrhunderts die schon verfallende Alchemie von neuem
genannt und ging unter dem Schutze der rosenkreuzerischen Flagge auf frische
Eroberungen aus. Auf der andern Seite gewannen alle diejenigen, welche sich
als Mitglieder des Nvscukreuzerbuudes betrachteten, engern Anschluß unter
einander, gemeinsame Erkennungszeichen und einen gemeinsamen Anhalts-- und
Ausgangspunkt durch Anschluß an den Freimaurerbund, der Ende des zweiten
Jahrzehntes des vorigen Jahrhunderts in England zu der jetzt uoch von ihm
festgehaltenen Gestaltung gekommen mar. Und daß man die Freimaurerei als
eine» Geheimbund betrachtete, dessen höhern Graden sich die Geheimnisse der
Magie, der Theosophie und Alchemie offenbaren, kam namentlich wieder der
letztern zu statten. Die Freimaurerei galt aber nur als der Vorhof des Tempels,
dessen verborgener Eingang nur den würdigen Freimaurern sich entdeckte, und
so war für jeden erst einmal in den Freimaurerbund eingetretenen die Gefahr
groß, dafür gewonnen zu werden, daß er ans der Freimaurerloge in einen
Nvseukreuzcrzirkcl und von der harmlosen Beschäftigung mit Freimaurerei, an
welcher sich zu beteiligen er zuerst nur gedacht hatte, zu der aufreibenden und
nie befriedigenden Erwartung der Einweihung in höheres Gehcimwissen und oft
zu materiellem und moralischem Ruin überging. Zwei hervorragende Männer
dieser Art waren der Graf Se. Germain, welcher stark verschuldet, und der
Graf Cagliostro, welcher in lebenslänglicher Haft endete (Schillers „Geisterseher"
erinnert an das Treiben des letztern). In Berlin erreichte die Nosenkrenzerei
die höchsten Kreise. Es ist bekannt, wie die von Bischoffswerder und Wöllner
den König Friedrich Wilhelm II. zu fesseln, in den Bund aufzunehmen und in
jeder Art, auch durch Geisterbeschwörung, auf ihn einzuwirken wußten. Vielfach
wurde hier auch praktisch in Alchemie gearbeitet (Generalchirurgns Theden).
In Kassel nahmen bedeutende Männer wie der Anatom Sömmering und der
Weltumsegler Forster an der Betreibung der Alchemie thätigen Anteil, anch
Knigge ist in diesen Kreisen zu finden. Aber noch ehe das vorige Jahrhundert
zu Ende ging, begann das Ansehen des Gold- und Nvsenkreuzervrdens zu
Warten, es regte sich die Anschauung, daß der herrschende Einfluß desselben
für die wahren Zwecke der Freimaurerei verderblich sei. So machte sich auch
die Loge zu den drei Weltkugeln, in welcher der Orden eine Hauptstätte seines
Treibens gefunden hatte, von ihm los, und schließlich fanden es am Anfang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/229>, abgerufen am 22.07.2024.