Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Alchemie.

man müsse sie nur zu suchen und zu finden wissen. In vielen alchemistischen
Schriften wurde auf sie hingewiesen, in Rätseln und allegorischen Umschreibungen
wurde sie angedeutet, aber glattweg genannt wurde sie von einer alchemistischen
Autorität nie. Die offene Mitteilung eines solchen Geheimnisses, dessen Er¬
kenntnis den von Gott dafür besonders auserwählten vorbehalten bleiben müsse,
galt eben als sündhaft. Natürlich suchte man auch vergebens nach einem soge¬
nannten Partikular, d. h. einem Präparate, welches wenigstens einen Teil des
bearbeiteten Metalls zu veredeln imstande sei. Als wenn es an Verlockung
noch gefehlt hätte, kam der Stein der Weisen mich noch in den Ruf, eine
Universalmedizin zu sein, eine Panacee, ein Lebenselixir, dessen Besitzer beliebig
lange gesund und kräftig zu leben das Mittel besaß. Der gänzlichen Erfolg¬
losigkeit alchemistischer Bestrebungen standen viele Jahrhunderte hindurch die
ermutigenden und ermunternden Äußerungen gerade derjenigen gegenüber, welche
als die hauptsächlichsten Vertreter der Naturkenntnis ihrer Zeit auch als die
zuverlässigsten Beurteiler alchemistischer Dinge galten. Indem der Verfasser
uns in die Arbeitsstätten, die Schriften und die Lebensschicksale der hervor¬
ragendsten Alchemisten führt, erfahren wir, wie man mit allen möglichen Stoffen
und auf alle erdenkliche Weise immer demselben blendenden Ziele zustrebte.
Bald klammerte man sich ängstlich an die Vorschriften der Vorgänger, bald
ging man hoffnungsvoll auf eignen, noch unbetretener Wegen voran, und das
Leben unzähliger Menschen ging auf in dem heißen Bemühen, selbst zu erreichen,
was andre vordem erreicht haben wollten. Alchemisten von Ruf finden wir
an den Höfen von weltlichen und Kirchenfürsten; um deren persönliche auri
tAniss oder die Bedürfnisse des Staates zu befriedigen, wurden sie durch
Geschenke und hohe Gunst angelockt und gefesselt, auch wohl zu bedeutenden
Ämtern und Würden berufen. In den biographischen Mitteilungen über ein¬
zelne solche Persönlichkeiten ist Kopp außerordentlich gründlich. Man muß
den Fleiß und die Ausdauer bewundern, welche er an das Studium dieses
Teiles der Geschichte der Alchemie gewendet hat. Das ganze Werk hat dadurch
freilich einen Umfang gewonnen, welcher nicht ganz im Verhältnis zu dem für
weitere Kreise wissenswerten steht. Die Behaglichkeit des Lesens wäre gewiß
vermehrt worden, wenn die weniger wichtigen Abschnitte schon durch den Druck
als solche gekennzeichnet worden wären; sie wird auch durch eine gewisse Breite
der Darstellung, durch öftere Wiederholungen und durch einen stellenweise schwer¬
fälligen Satzbau beeinträchtigt. So heißt es z. B. im ersten Teile auf Seite 30:
"Nach solchem, von was als sür seine Zeit neu oder bekannt in diesen Schriften
die Rede ist, wäre der Verfasser in die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahr¬
hunderts, eher gegen das Ende desselben hin, zu setzen."

Die zahllosen Schriften der Alchemisten bieten ein trauriges Bib der Ver¬
wirrung in jeder Hinsicht. Aus andern Büchern oder aus unsicherer Über¬
lieferung geschöpftes wurde kritiklos wiederholt, Neues unter Anwendung einer


Die Alchemie.

man müsse sie nur zu suchen und zu finden wissen. In vielen alchemistischen
Schriften wurde auf sie hingewiesen, in Rätseln und allegorischen Umschreibungen
wurde sie angedeutet, aber glattweg genannt wurde sie von einer alchemistischen
Autorität nie. Die offene Mitteilung eines solchen Geheimnisses, dessen Er¬
kenntnis den von Gott dafür besonders auserwählten vorbehalten bleiben müsse,
galt eben als sündhaft. Natürlich suchte man auch vergebens nach einem soge¬
nannten Partikular, d. h. einem Präparate, welches wenigstens einen Teil des
bearbeiteten Metalls zu veredeln imstande sei. Als wenn es an Verlockung
noch gefehlt hätte, kam der Stein der Weisen mich noch in den Ruf, eine
Universalmedizin zu sein, eine Panacee, ein Lebenselixir, dessen Besitzer beliebig
lange gesund und kräftig zu leben das Mittel besaß. Der gänzlichen Erfolg¬
losigkeit alchemistischer Bestrebungen standen viele Jahrhunderte hindurch die
ermutigenden und ermunternden Äußerungen gerade derjenigen gegenüber, welche
als die hauptsächlichsten Vertreter der Naturkenntnis ihrer Zeit auch als die
zuverlässigsten Beurteiler alchemistischer Dinge galten. Indem der Verfasser
uns in die Arbeitsstätten, die Schriften und die Lebensschicksale der hervor¬
ragendsten Alchemisten führt, erfahren wir, wie man mit allen möglichen Stoffen
und auf alle erdenkliche Weise immer demselben blendenden Ziele zustrebte.
Bald klammerte man sich ängstlich an die Vorschriften der Vorgänger, bald
ging man hoffnungsvoll auf eignen, noch unbetretener Wegen voran, und das
Leben unzähliger Menschen ging auf in dem heißen Bemühen, selbst zu erreichen,
was andre vordem erreicht haben wollten. Alchemisten von Ruf finden wir
an den Höfen von weltlichen und Kirchenfürsten; um deren persönliche auri
tAniss oder die Bedürfnisse des Staates zu befriedigen, wurden sie durch
Geschenke und hohe Gunst angelockt und gefesselt, auch wohl zu bedeutenden
Ämtern und Würden berufen. In den biographischen Mitteilungen über ein¬
zelne solche Persönlichkeiten ist Kopp außerordentlich gründlich. Man muß
den Fleiß und die Ausdauer bewundern, welche er an das Studium dieses
Teiles der Geschichte der Alchemie gewendet hat. Das ganze Werk hat dadurch
freilich einen Umfang gewonnen, welcher nicht ganz im Verhältnis zu dem für
weitere Kreise wissenswerten steht. Die Behaglichkeit des Lesens wäre gewiß
vermehrt worden, wenn die weniger wichtigen Abschnitte schon durch den Druck
als solche gekennzeichnet worden wären; sie wird auch durch eine gewisse Breite
der Darstellung, durch öftere Wiederholungen und durch einen stellenweise schwer¬
fälligen Satzbau beeinträchtigt. So heißt es z. B. im ersten Teile auf Seite 30:
„Nach solchem, von was als sür seine Zeit neu oder bekannt in diesen Schriften
die Rede ist, wäre der Verfasser in die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahr¬
hunderts, eher gegen das Ende desselben hin, zu setzen."

Die zahllosen Schriften der Alchemisten bieten ein trauriges Bib der Ver¬
wirrung in jeder Hinsicht. Aus andern Büchern oder aus unsicherer Über¬
lieferung geschöpftes wurde kritiklos wiederholt, Neues unter Anwendung einer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201652"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Alchemie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_520" prev="#ID_519"> man müsse sie nur zu suchen und zu finden wissen. In vielen alchemistischen<lb/>
Schriften wurde auf sie hingewiesen, in Rätseln und allegorischen Umschreibungen<lb/>
wurde sie angedeutet, aber glattweg genannt wurde sie von einer alchemistischen<lb/>
Autorität nie. Die offene Mitteilung eines solchen Geheimnisses, dessen Er¬<lb/>
kenntnis den von Gott dafür besonders auserwählten vorbehalten bleiben müsse,<lb/>
galt eben als sündhaft. Natürlich suchte man auch vergebens nach einem soge¬<lb/>
nannten Partikular, d. h. einem Präparate, welches wenigstens einen Teil des<lb/>
bearbeiteten Metalls zu veredeln imstande sei. Als wenn es an Verlockung<lb/>
noch gefehlt hätte, kam der Stein der Weisen mich noch in den Ruf, eine<lb/>
Universalmedizin zu sein, eine Panacee, ein Lebenselixir, dessen Besitzer beliebig<lb/>
lange gesund und kräftig zu leben das Mittel besaß. Der gänzlichen Erfolg¬<lb/>
losigkeit alchemistischer Bestrebungen standen viele Jahrhunderte hindurch die<lb/>
ermutigenden und ermunternden Äußerungen gerade derjenigen gegenüber, welche<lb/>
als die hauptsächlichsten Vertreter der Naturkenntnis ihrer Zeit auch als die<lb/>
zuverlässigsten Beurteiler alchemistischer Dinge galten. Indem der Verfasser<lb/>
uns in die Arbeitsstätten, die Schriften und die Lebensschicksale der hervor¬<lb/>
ragendsten Alchemisten führt, erfahren wir, wie man mit allen möglichen Stoffen<lb/>
und auf alle erdenkliche Weise immer demselben blendenden Ziele zustrebte.<lb/>
Bald klammerte man sich ängstlich an die Vorschriften der Vorgänger, bald<lb/>
ging man hoffnungsvoll auf eignen, noch unbetretener Wegen voran, und das<lb/>
Leben unzähliger Menschen ging auf in dem heißen Bemühen, selbst zu erreichen,<lb/>
was andre vordem erreicht haben wollten. Alchemisten von Ruf finden wir<lb/>
an den Höfen von weltlichen und Kirchenfürsten; um deren persönliche auri<lb/>
tAniss oder die Bedürfnisse des Staates zu befriedigen, wurden sie durch<lb/>
Geschenke und hohe Gunst angelockt und gefesselt, auch wohl zu bedeutenden<lb/>
Ämtern und Würden berufen. In den biographischen Mitteilungen über ein¬<lb/>
zelne solche Persönlichkeiten ist Kopp außerordentlich gründlich. Man muß<lb/>
den Fleiß und die Ausdauer bewundern, welche er an das Studium dieses<lb/>
Teiles der Geschichte der Alchemie gewendet hat. Das ganze Werk hat dadurch<lb/>
freilich einen Umfang gewonnen, welcher nicht ganz im Verhältnis zu dem für<lb/>
weitere Kreise wissenswerten steht. Die Behaglichkeit des Lesens wäre gewiß<lb/>
vermehrt worden, wenn die weniger wichtigen Abschnitte schon durch den Druck<lb/>
als solche gekennzeichnet worden wären; sie wird auch durch eine gewisse Breite<lb/>
der Darstellung, durch öftere Wiederholungen und durch einen stellenweise schwer¬<lb/>
fälligen Satzbau beeinträchtigt. So heißt es z. B. im ersten Teile auf Seite 30:<lb/>
&#x201E;Nach solchem, von was als sür seine Zeit neu oder bekannt in diesen Schriften<lb/>
die Rede ist, wäre der Verfasser in die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahr¬<lb/>
hunderts, eher gegen das Ende desselben hin, zu setzen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_521" next="#ID_522"> Die zahllosen Schriften der Alchemisten bieten ein trauriges Bib der Ver¬<lb/>
wirrung in jeder Hinsicht. Aus andern Büchern oder aus unsicherer Über¬<lb/>
lieferung geschöpftes wurde kritiklos wiederholt, Neues unter Anwendung einer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0223] Die Alchemie. man müsse sie nur zu suchen und zu finden wissen. In vielen alchemistischen Schriften wurde auf sie hingewiesen, in Rätseln und allegorischen Umschreibungen wurde sie angedeutet, aber glattweg genannt wurde sie von einer alchemistischen Autorität nie. Die offene Mitteilung eines solchen Geheimnisses, dessen Er¬ kenntnis den von Gott dafür besonders auserwählten vorbehalten bleiben müsse, galt eben als sündhaft. Natürlich suchte man auch vergebens nach einem soge¬ nannten Partikular, d. h. einem Präparate, welches wenigstens einen Teil des bearbeiteten Metalls zu veredeln imstande sei. Als wenn es an Verlockung noch gefehlt hätte, kam der Stein der Weisen mich noch in den Ruf, eine Universalmedizin zu sein, eine Panacee, ein Lebenselixir, dessen Besitzer beliebig lange gesund und kräftig zu leben das Mittel besaß. Der gänzlichen Erfolg¬ losigkeit alchemistischer Bestrebungen standen viele Jahrhunderte hindurch die ermutigenden und ermunternden Äußerungen gerade derjenigen gegenüber, welche als die hauptsächlichsten Vertreter der Naturkenntnis ihrer Zeit auch als die zuverlässigsten Beurteiler alchemistischer Dinge galten. Indem der Verfasser uns in die Arbeitsstätten, die Schriften und die Lebensschicksale der hervor¬ ragendsten Alchemisten führt, erfahren wir, wie man mit allen möglichen Stoffen und auf alle erdenkliche Weise immer demselben blendenden Ziele zustrebte. Bald klammerte man sich ängstlich an die Vorschriften der Vorgänger, bald ging man hoffnungsvoll auf eignen, noch unbetretener Wegen voran, und das Leben unzähliger Menschen ging auf in dem heißen Bemühen, selbst zu erreichen, was andre vordem erreicht haben wollten. Alchemisten von Ruf finden wir an den Höfen von weltlichen und Kirchenfürsten; um deren persönliche auri tAniss oder die Bedürfnisse des Staates zu befriedigen, wurden sie durch Geschenke und hohe Gunst angelockt und gefesselt, auch wohl zu bedeutenden Ämtern und Würden berufen. In den biographischen Mitteilungen über ein¬ zelne solche Persönlichkeiten ist Kopp außerordentlich gründlich. Man muß den Fleiß und die Ausdauer bewundern, welche er an das Studium dieses Teiles der Geschichte der Alchemie gewendet hat. Das ganze Werk hat dadurch freilich einen Umfang gewonnen, welcher nicht ganz im Verhältnis zu dem für weitere Kreise wissenswerten steht. Die Behaglichkeit des Lesens wäre gewiß vermehrt worden, wenn die weniger wichtigen Abschnitte schon durch den Druck als solche gekennzeichnet worden wären; sie wird auch durch eine gewisse Breite der Darstellung, durch öftere Wiederholungen und durch einen stellenweise schwer¬ fälligen Satzbau beeinträchtigt. So heißt es z. B. im ersten Teile auf Seite 30: „Nach solchem, von was als sür seine Zeit neu oder bekannt in diesen Schriften die Rede ist, wäre der Verfasser in die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahr¬ hunderts, eher gegen das Ende desselben hin, zu setzen." Die zahllosen Schriften der Alchemisten bieten ein trauriges Bib der Ver¬ wirrung in jeder Hinsicht. Aus andern Büchern oder aus unsicherer Über¬ lieferung geschöpftes wurde kritiklos wiederholt, Neues unter Anwendung einer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/223
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/223>, abgerufen am 22.07.2024.