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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Französische Liebenswürdigkeiten.

und betrügt sich schließlich selbst; man lügt und wird zuletzt zum Gimpel, der
an seine eignen Lügen glaubt.

Besonders widerlich ist die Heuchelei, mit welcher selbst von den Gelehrten
der Rsvus clss clsux morals8 Frankreich immer als das unschuldige, friedfertige
Lamm hingestellt wird, das sich Tag und Nacht vor einem plötzlichen Überfall
des raubgierigen deutschen Wolfes zu hüten habe. Deutschland hat in einer
nunmehr siebzehnjährigen Fricdensperiode hinlänglich bewiesen, daß es keine
Lust hat, sich nach Art eines Ludwig XIV. oder eines Napoleon I. von einem
Raub- und Eroberungskriege in den andern zu stürzen, daß es einen Krieg, wie
er ihm 1870 von Frankreich so frevelhaft aufgezwungen wurde, den es dann
aber, wie sichs gehört, so mannhaft und, wie es die Gerechtigkeit verlangte,
siegreich durchgefochten hat, nicht will, sondern es vorzieht, in Frieden und
Freundschaft mit allen seinen Nachbarn zu leben. Allein: Es kann der Beste
nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt, und daß
Frankreich für uns ein solcher böser Nachbar ist, das hat es durch seine zahl¬
reichen Raubkriege gegen Deutschland, durch seine barbarischen Verwüstungen
der Pfalz und der Rheinlande, durch seine ruchlosen Schändungen unsrer alt¬
ehrwürdigen Kaiserdome und Kaisergräber zur Genüge bewiesen. Also Deutsch¬
land als den blutgierigen Kriegswolf hinzustellen, das ist eine freche Fälschung
der Geschichte; wenn deren Bücher nicht deutlich genug redeten, so würden die
Steine, die Ruinen des Heidelberger Schlosses, der alten, ehrwürdigen Stifts¬
kirche zu Hersfeld in Kurhessen und so vieler von den Franzosen während der
letzten zwei Jahrhunderte in Deutschland frevelhaft zerstörten Schlösser, Burgen
und Kirchen zum Himmel schreien. Als im vorigen Jahre das vierhundert¬
jährige Jubiläum der Universität Heidelberg gefeiert wurde, zu dem fast alle
Universitäten Europas ihre Vertreter gesandt hatten, da mußte den Abge¬
ordneten der Pariser Universität von selbst ein Gefühl tiefer Scham bei dem
Anblick der in bengalischen Lichte erstrahlenden Schlvßruinen überkommen;
denn sie gedachten des unmenschlichen Befehles des französischen Kriegsministers
Louvois, die Pfalz mit Feuer und Schwert zu verwüsten (as öl-ülsr 1s ?a1g.-
klug,t), sie gedachten der Greuelthaten ihrer mordbrennerischen Generale Duras,
Melac und Monetär, sie gedachten der schmachvollen Denkmünze, welche
Ludwig XIV. auf das brennende Heidelberg mit der Inschrift prägen ließ:
HsiäsldörM äslöw! Rsx äixit <ze Kokun, est (Der König befahl's und Heidel¬
berg wurde zerstört). Und dieses mordbrennerische Volk, das seine Helden- oder
vielmehr Schandthaten im ganzen westlichen Deutschland mit scheußlichen Schrift¬
zügen eingegraben hat, das in den Bildern seiner Ruhmesgalerie zu Versailles
in Blut und Brand förmlich schwelgte, das durch die Schreckenszeit von 1793
und die Scheußlichkeiten des Kommuneaufstandes von 1871 den Ausspruch
seines größten und eigensten Schriftstellers, Voltaire, der Charakter des fran¬
zösischen Volkes sei eine Mischung von Affe und Tiger, leider nur allzusehr


Französische Liebenswürdigkeiten.

und betrügt sich schließlich selbst; man lügt und wird zuletzt zum Gimpel, der
an seine eignen Lügen glaubt.

Besonders widerlich ist die Heuchelei, mit welcher selbst von den Gelehrten
der Rsvus clss clsux morals8 Frankreich immer als das unschuldige, friedfertige
Lamm hingestellt wird, das sich Tag und Nacht vor einem plötzlichen Überfall
des raubgierigen deutschen Wolfes zu hüten habe. Deutschland hat in einer
nunmehr siebzehnjährigen Fricdensperiode hinlänglich bewiesen, daß es keine
Lust hat, sich nach Art eines Ludwig XIV. oder eines Napoleon I. von einem
Raub- und Eroberungskriege in den andern zu stürzen, daß es einen Krieg, wie
er ihm 1870 von Frankreich so frevelhaft aufgezwungen wurde, den es dann
aber, wie sichs gehört, so mannhaft und, wie es die Gerechtigkeit verlangte,
siegreich durchgefochten hat, nicht will, sondern es vorzieht, in Frieden und
Freundschaft mit allen seinen Nachbarn zu leben. Allein: Es kann der Beste
nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt, und daß
Frankreich für uns ein solcher böser Nachbar ist, das hat es durch seine zahl¬
reichen Raubkriege gegen Deutschland, durch seine barbarischen Verwüstungen
der Pfalz und der Rheinlande, durch seine ruchlosen Schändungen unsrer alt¬
ehrwürdigen Kaiserdome und Kaisergräber zur Genüge bewiesen. Also Deutsch¬
land als den blutgierigen Kriegswolf hinzustellen, das ist eine freche Fälschung
der Geschichte; wenn deren Bücher nicht deutlich genug redeten, so würden die
Steine, die Ruinen des Heidelberger Schlosses, der alten, ehrwürdigen Stifts¬
kirche zu Hersfeld in Kurhessen und so vieler von den Franzosen während der
letzten zwei Jahrhunderte in Deutschland frevelhaft zerstörten Schlösser, Burgen
und Kirchen zum Himmel schreien. Als im vorigen Jahre das vierhundert¬
jährige Jubiläum der Universität Heidelberg gefeiert wurde, zu dem fast alle
Universitäten Europas ihre Vertreter gesandt hatten, da mußte den Abge¬
ordneten der Pariser Universität von selbst ein Gefühl tiefer Scham bei dem
Anblick der in bengalischen Lichte erstrahlenden Schlvßruinen überkommen;
denn sie gedachten des unmenschlichen Befehles des französischen Kriegsministers
Louvois, die Pfalz mit Feuer und Schwert zu verwüsten (as öl-ülsr 1s ?a1g.-
klug,t), sie gedachten der Greuelthaten ihrer mordbrennerischen Generale Duras,
Melac und Monetär, sie gedachten der schmachvollen Denkmünze, welche
Ludwig XIV. auf das brennende Heidelberg mit der Inschrift prägen ließ:
HsiäsldörM äslöw! Rsx äixit <ze Kokun, est (Der König befahl's und Heidel¬
berg wurde zerstört). Und dieses mordbrennerische Volk, das seine Helden- oder
vielmehr Schandthaten im ganzen westlichen Deutschland mit scheußlichen Schrift¬
zügen eingegraben hat, das in den Bildern seiner Ruhmesgalerie zu Versailles
in Blut und Brand förmlich schwelgte, das durch die Schreckenszeit von 1793
und die Scheußlichkeiten des Kommuneaufstandes von 1871 den Ausspruch
seines größten und eigensten Schriftstellers, Voltaire, der Charakter des fran¬
zösischen Volkes sei eine Mischung von Affe und Tiger, leider nur allzusehr


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[0212] Französische Liebenswürdigkeiten. und betrügt sich schließlich selbst; man lügt und wird zuletzt zum Gimpel, der an seine eignen Lügen glaubt. Besonders widerlich ist die Heuchelei, mit welcher selbst von den Gelehrten der Rsvus clss clsux morals8 Frankreich immer als das unschuldige, friedfertige Lamm hingestellt wird, das sich Tag und Nacht vor einem plötzlichen Überfall des raubgierigen deutschen Wolfes zu hüten habe. Deutschland hat in einer nunmehr siebzehnjährigen Fricdensperiode hinlänglich bewiesen, daß es keine Lust hat, sich nach Art eines Ludwig XIV. oder eines Napoleon I. von einem Raub- und Eroberungskriege in den andern zu stürzen, daß es einen Krieg, wie er ihm 1870 von Frankreich so frevelhaft aufgezwungen wurde, den es dann aber, wie sichs gehört, so mannhaft und, wie es die Gerechtigkeit verlangte, siegreich durchgefochten hat, nicht will, sondern es vorzieht, in Frieden und Freundschaft mit allen seinen Nachbarn zu leben. Allein: Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt, und daß Frankreich für uns ein solcher böser Nachbar ist, das hat es durch seine zahl¬ reichen Raubkriege gegen Deutschland, durch seine barbarischen Verwüstungen der Pfalz und der Rheinlande, durch seine ruchlosen Schändungen unsrer alt¬ ehrwürdigen Kaiserdome und Kaisergräber zur Genüge bewiesen. Also Deutsch¬ land als den blutgierigen Kriegswolf hinzustellen, das ist eine freche Fälschung der Geschichte; wenn deren Bücher nicht deutlich genug redeten, so würden die Steine, die Ruinen des Heidelberger Schlosses, der alten, ehrwürdigen Stifts¬ kirche zu Hersfeld in Kurhessen und so vieler von den Franzosen während der letzten zwei Jahrhunderte in Deutschland frevelhaft zerstörten Schlösser, Burgen und Kirchen zum Himmel schreien. Als im vorigen Jahre das vierhundert¬ jährige Jubiläum der Universität Heidelberg gefeiert wurde, zu dem fast alle Universitäten Europas ihre Vertreter gesandt hatten, da mußte den Abge¬ ordneten der Pariser Universität von selbst ein Gefühl tiefer Scham bei dem Anblick der in bengalischen Lichte erstrahlenden Schlvßruinen überkommen; denn sie gedachten des unmenschlichen Befehles des französischen Kriegsministers Louvois, die Pfalz mit Feuer und Schwert zu verwüsten (as öl-ülsr 1s ?a1g.- klug,t), sie gedachten der Greuelthaten ihrer mordbrennerischen Generale Duras, Melac und Monetär, sie gedachten der schmachvollen Denkmünze, welche Ludwig XIV. auf das brennende Heidelberg mit der Inschrift prägen ließ: HsiäsldörM äslöw! Rsx äixit <ze Kokun, est (Der König befahl's und Heidel¬ berg wurde zerstört). Und dieses mordbrennerische Volk, das seine Helden- oder vielmehr Schandthaten im ganzen westlichen Deutschland mit scheußlichen Schrift¬ zügen eingegraben hat, das in den Bildern seiner Ruhmesgalerie zu Versailles in Blut und Brand förmlich schwelgte, das durch die Schreckenszeit von 1793 und die Scheußlichkeiten des Kommuneaufstandes von 1871 den Ausspruch seines größten und eigensten Schriftstellers, Voltaire, der Charakter des fran¬ zösischen Volkes sei eine Mischung von Affe und Tiger, leider nur allzusehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/212>, abgerufen am 22.07.2024.