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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Überproduktion.

dürfnis hinausgeht. Aber auch diejenige Produktion ist nutzlos, welche über
die Kanfkraft hinausgeht. Ein Bedürfnis, welches nicht befriedigt werden kann,
hat für die Produktion keinen Wert.

Das Bestreben aller Produzenten ist darauf gerichtet, möglichst viel und
möglichst billig, d. h. mit dem geringsten Kostenciufwande, Gebrauchsgegcnstcinde
zu erzeugen. Es hat sich gezeigt, daß die Anwendung der Naturkräfte, ins¬
besondre des Dampfes, die teurere Arbeit der Menschenhände ersetzen kann.
Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, das Kapital an die Stelle der Arbeit
treten zu lassen: die Maschine arbeitet statt der Menschenhand. Dadurch ist
ein Wettbewerb entstanden, bei dem die menschliche Arbeitskraft immer mehr
zurückgedrängt wird. Sie kann sich nur zu immer schlechteren Bedingungen
noch bei der Produktion beteiligen, das Kapital schreibt ihr diese Bedingungen
vor, weil der Wettbewerb unter den ihre Arbeit anbietenden Arbeitern es ihm
ermöglicht. Auf diese Weise ist der Anteil des Kapitals an der Produktion
seit einem Jahrhundert stetig gewachsen, der Anteil der Arbeit vermindert
worden, und dem entsprechend ist denn eines die Kanfkraft der Arbeiter stetig
gesunken, die Kanfkraft der Kapitalisten aber weit über das Bedürfnis gestiegen.

Nun ist aber der Endzweck aller Produktion das menschliche Bedürfnis.
Das Prvduzirte soll von den Menschen verbraucht werden. Wird mehr produzirt,
als die Menschen verbrauchen können, so wird der Preis des Prodnzirten fallen.
Denn der Preis muß heruntergehen, sobald die Konsumtion hinter der Pro¬
duktion zurückbleibt, das Angebot die Nachfrage übersteigt. Wenn nun bei der
jetzigen Produktionsweise das Bedürfnis herrscht, menschliche Arbeitskraft über¬
flüssig zu machen, Maschinenkraft um die Stelle zu setzen, und wenn dieses Be¬
streben vou dem Erfolge begleitet ist, daß menschliche Arbeitskraft aus der
Produktion hinausgedrängt wird, so muß notwendig gleichzeitig die Konsumtions-
fühigkeit der Menschen, welche auf ihre Arbeitskraft zu ihrem Lebensunterhalte
angewiesen sind, fort und fort sinken. Das Kapital macht sich von den In¬
habern menschlicher Arbeitskraft immer mehr uuabhnugig, indem es unter Ver¬
vollkommnung der Technik die Natnrkrüfte an die Stelle treten läßt. Gewaltige
Ergebnisse sind in dieser Richtung gewonnen worden. Die Produktion ist er¬
weitert, vereinfacht und vervollkommnet worden, wie es früher nicht für möglich
gehalten worden ist, ihre Leistungsfähigkeit ist unbegrenzt. Indem sie sich aber
von den mitarbeitenden Menschen immer mehr losgemacht hat, ist die fernere
Folge eingetreten, daß die Konsumtion mit der Produktion nicht gleichen Schritt
gehalten hat, vielmehr weit hinter derselben zurückgeblieben ist. Sofern dieses
aber eine Erscheinung auf dem ganzen wirtschaftlichen Gebiete ist, kann man
wohl sagen, daß eine allgemeine Überproduktion stattfinde.

Man hatte und hat noch immer viel Bewunderung für die ungeheure Ent¬
wickelung der Produktion (welche man die kapitalistische nennt, weil das Kapital
die Arbeitskraft aus ihrer Stellung verdrängt); man vergaß dabei nur, daß die


Überproduktion.

dürfnis hinausgeht. Aber auch diejenige Produktion ist nutzlos, welche über
die Kanfkraft hinausgeht. Ein Bedürfnis, welches nicht befriedigt werden kann,
hat für die Produktion keinen Wert.

Das Bestreben aller Produzenten ist darauf gerichtet, möglichst viel und
möglichst billig, d. h. mit dem geringsten Kostenciufwande, Gebrauchsgegcnstcinde
zu erzeugen. Es hat sich gezeigt, daß die Anwendung der Naturkräfte, ins¬
besondre des Dampfes, die teurere Arbeit der Menschenhände ersetzen kann.
Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, das Kapital an die Stelle der Arbeit
treten zu lassen: die Maschine arbeitet statt der Menschenhand. Dadurch ist
ein Wettbewerb entstanden, bei dem die menschliche Arbeitskraft immer mehr
zurückgedrängt wird. Sie kann sich nur zu immer schlechteren Bedingungen
noch bei der Produktion beteiligen, das Kapital schreibt ihr diese Bedingungen
vor, weil der Wettbewerb unter den ihre Arbeit anbietenden Arbeitern es ihm
ermöglicht. Auf diese Weise ist der Anteil des Kapitals an der Produktion
seit einem Jahrhundert stetig gewachsen, der Anteil der Arbeit vermindert
worden, und dem entsprechend ist denn eines die Kanfkraft der Arbeiter stetig
gesunken, die Kanfkraft der Kapitalisten aber weit über das Bedürfnis gestiegen.

Nun ist aber der Endzweck aller Produktion das menschliche Bedürfnis.
Das Prvduzirte soll von den Menschen verbraucht werden. Wird mehr produzirt,
als die Menschen verbrauchen können, so wird der Preis des Prodnzirten fallen.
Denn der Preis muß heruntergehen, sobald die Konsumtion hinter der Pro¬
duktion zurückbleibt, das Angebot die Nachfrage übersteigt. Wenn nun bei der
jetzigen Produktionsweise das Bedürfnis herrscht, menschliche Arbeitskraft über¬
flüssig zu machen, Maschinenkraft um die Stelle zu setzen, und wenn dieses Be¬
streben vou dem Erfolge begleitet ist, daß menschliche Arbeitskraft aus der
Produktion hinausgedrängt wird, so muß notwendig gleichzeitig die Konsumtions-
fühigkeit der Menschen, welche auf ihre Arbeitskraft zu ihrem Lebensunterhalte
angewiesen sind, fort und fort sinken. Das Kapital macht sich von den In¬
habern menschlicher Arbeitskraft immer mehr uuabhnugig, indem es unter Ver¬
vollkommnung der Technik die Natnrkrüfte an die Stelle treten läßt. Gewaltige
Ergebnisse sind in dieser Richtung gewonnen worden. Die Produktion ist er¬
weitert, vereinfacht und vervollkommnet worden, wie es früher nicht für möglich
gehalten worden ist, ihre Leistungsfähigkeit ist unbegrenzt. Indem sie sich aber
von den mitarbeitenden Menschen immer mehr losgemacht hat, ist die fernere
Folge eingetreten, daß die Konsumtion mit der Produktion nicht gleichen Schritt
gehalten hat, vielmehr weit hinter derselben zurückgeblieben ist. Sofern dieses
aber eine Erscheinung auf dem ganzen wirtschaftlichen Gebiete ist, kann man
wohl sagen, daß eine allgemeine Überproduktion stattfinde.

Man hatte und hat noch immer viel Bewunderung für die ungeheure Ent¬
wickelung der Produktion (welche man die kapitalistische nennt, weil das Kapital
die Arbeitskraft aus ihrer Stellung verdrängt); man vergaß dabei nur, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/20>, abgerufen am 25.07.2024.