Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Kleinere Mitteilungen. fester denken kann. "Milchende Kuh" aber ist hinreichend erklärt bei Büchmann "Jemandem das Maul stopfen" stammt aus der Bibel. Die Worte bei "Mit dem Kopfe wider die Wand rennen" dürfte sich wohl darauf beziehen, "Ein Auge zudrücken" bezieht sich auch wahrscheinlich auf eine bekannte "Einen hohen Gaul reiten," wohl gebräuchlicher unter der Form "sich aufs "Auf großem Fuße leben" bezieht sich aus die thörichte Mode früherer Jahr¬ "Da stehen die Ochsen am Berge" ist lateinischen Ursprungs (staut bovos Kleinere Mitteilungen. fester denken kann. „Milchende Kuh" aber ist hinreichend erklärt bei Büchmann „Jemandem das Maul stopfen" stammt aus der Bibel. Die Worte bei „Mit dem Kopfe wider die Wand rennen" dürfte sich wohl darauf beziehen, „Ein Auge zudrücken" bezieht sich auch wahrscheinlich auf eine bekannte „Einen hohen Gaul reiten," wohl gebräuchlicher unter der Form „sich aufs „Auf großem Fuße leben" bezieht sich aus die thörichte Mode früherer Jahr¬ „Da stehen die Ochsen am Berge" ist lateinischen Ursprungs (staut bovos <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201587"/> <fw type="header" place="top"> Kleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_365" prev="#ID_364"> fester denken kann. „Milchende Kuh" aber ist hinreichend erklärt bei Büchmann<lb/> S, 13 der mir vorliegenden zehnten Auflage. Die Redensart stammt ans einem<lb/> sehr bekannten Distichon Schillers: „Die Wissenschaft." Der Dichter hat zwar selbst<lb/> „tüchtige Kuh" geschrieben; sie Pflegt aber stets in dieser Form angeführt zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_366"> „Jemandem das Maul stopfen" stammt aus der Bibel. Die Worte bei<lb/> Matth. 22, 34, die im Urtexte lauten-. 8r« s<x//kek,hev vovx ^«Aöovxa/von.',<lb/> sind von Luther übersetzt: „daß er den Sadducäern das Maul gestopft hatte."</p><lb/> <p xml:id="ID_367"> „Mit dem Kopfe wider die Wand rennen" dürfte sich wohl darauf beziehen,<lb/> daß der Kaiser Augustus uach der bekannten Erzählung mit dem Kopfe gegen die<lb/> Wand raunte, als er die Nachricht von der Schlacht im Teutoburger Walde, dem<lb/> Untergänge des Varus und dem Verluste der Legionen empfing. Das auf das<lb/> nämliche Ereignis sich beziehende Wort: 1-oZ'ionos rvÄÄs! ist jetzt meist in der aus<lb/> Scheffels bekanntem Gedichte stammenden Form: Lsclclo le^ionos ebenfalls „ge¬<lb/> flügelt" geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_368"> „Ein Auge zudrücken" bezieht sich auch wahrscheinlich auf eine bekannte<lb/> Anekdote von einem römischen Kaiser, der bei einem Senator zu Gaste war und nach<lb/> dem Mahle in fröhlicher Weinlaune gegen die schöne Gattin desselben etwas zärtlich<lb/> war. Der wohlgezogene Ehemann drückte bei diesen kaiserlichen Gunstbezeugungen<lb/> unterthänigst die Augen zu. Als aber ein Sklave, der glaubte, sein Herr schliefe<lb/> wirklich, die Gelegenheit wahrnehmen wollte, einen Krug hochfeinen Weines zu<lb/> „rollen," rief der Herr drohend: l?nor, mein omnibus clormio. Uebrigens sogen<lb/> auch die Franzosen: l'frau- iss z^ux sur ouslguo oboso. Dem Ausdrucke „rollen"<lb/> (für mitgehen heißen) würde ich eine Stelle unter den „Geflügelten" einräumen.<lb/> Seine Entstehung wird auf folgende Anekdote aus dem letzten großen Kriege, für<lb/> deren Wahrheit ich natürlich nicht einstehen kann, zurückgeführt. Ein General<lb/> erzählt am Ende einer „schweren Sitzung," daß er in einem „verlassenen CHZ-teau"<lb/> herrliche Oelgemälde gefunden und mitgenommen habe. „Aber Exzellenz, wie war<lb/> es möglich, die großen Gemälde fortzuschaffen?" „Sehr einfach! Aus dem Rahmen<lb/> geschnitten, gerollt, nach Hause geschickt." Einige Zeit darauf sieht er einen jüngeren<lb/> Offizier ans einem prachtvollen Pferde, das er früher nicht gehabt hat, und fragt<lb/> streng, wie er dazu gekommen sei. „Exzellenz, gerollt!" antwortet dieser in dienst¬<lb/> lichen Tone. „Exzellenz" sagte kein Wort weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_369"> „Einen hohen Gaul reiten," wohl gebräuchlicher unter der Form „sich aufs<lb/> hohe Pferd setzen," beruht auf einer Sitte der Ritter im Mittelalter. Ein Fran¬<lb/> zose (lug, Lurruz Äo 8t. Nomoiros für 1->, enovalvrio) schreibt darüber fol¬<lb/> gendes: Dos LNvv».ux av vÄ,eg,iIIs, o'ost-a-Airs äos ebovaux et'uno t-Mg slovös,<lb/> vtaiont moros xs,r ctos senior«, gri los tsuaiont u. tour üroits, ä'on on los s, ax-<lb/> volos äostrioi'S; ils los äonuaiont ü tour wlutro, lors^no I'ounowi xg.i'!U8Wit; v'etsit,<lb/> co on'on axpo1s.it, „inontor sur so« Kraucls oluzvkmx," oxprossion izus nous avons<lb/> vonsorvso.</p><lb/> <p xml:id="ID_370"> „Auf großem Fuße leben" bezieht sich aus die thörichte Mode früherer Jahr¬<lb/> hunderte, unsinnig großes Schuhwerk mit langen Schnäbeln oder hohen Buckeln le.<lb/> zu tragen. Diesen Luxus konnten sich nur Reiche und Vornehme gestatten. Den<lb/> Gegensatz bildete „auf kleinen Fuße leben," und als man sich erst an die Redensart<lb/> „auf einem Fuße leben" gewöhnt hatte, fanden sich die andern Ausdrücke von<lb/> selbst. Uebrigens haben die Franzosen folgende Wendungen mit ganz gleichem<lb/> oder ähnlichem Sinne: Vivro (vers) sur un xranä xioä, sur un von xiocl, sur 1o<lb/> xioä av so inottro sur 1o xisä av bot esxrit, ä'un sa-vaut.</p><lb/> <p xml:id="ID_371" next="#ID_372"> „Da stehen die Ochsen am Berge" ist lateinischen Ursprungs (staut bovos</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
Kleinere Mitteilungen.
fester denken kann. „Milchende Kuh" aber ist hinreichend erklärt bei Büchmann
S, 13 der mir vorliegenden zehnten Auflage. Die Redensart stammt ans einem
sehr bekannten Distichon Schillers: „Die Wissenschaft." Der Dichter hat zwar selbst
„tüchtige Kuh" geschrieben; sie Pflegt aber stets in dieser Form angeführt zu werden.
„Jemandem das Maul stopfen" stammt aus der Bibel. Die Worte bei
Matth. 22, 34, die im Urtexte lauten-. 8r« s<x//kek,hev vovx ^«Aöovxa/von.',
sind von Luther übersetzt: „daß er den Sadducäern das Maul gestopft hatte."
„Mit dem Kopfe wider die Wand rennen" dürfte sich wohl darauf beziehen,
daß der Kaiser Augustus uach der bekannten Erzählung mit dem Kopfe gegen die
Wand raunte, als er die Nachricht von der Schlacht im Teutoburger Walde, dem
Untergänge des Varus und dem Verluste der Legionen empfing. Das auf das
nämliche Ereignis sich beziehende Wort: 1-oZ'ionos rvÄÄs! ist jetzt meist in der aus
Scheffels bekanntem Gedichte stammenden Form: Lsclclo le^ionos ebenfalls „ge¬
flügelt" geworden.
„Ein Auge zudrücken" bezieht sich auch wahrscheinlich auf eine bekannte
Anekdote von einem römischen Kaiser, der bei einem Senator zu Gaste war und nach
dem Mahle in fröhlicher Weinlaune gegen die schöne Gattin desselben etwas zärtlich
war. Der wohlgezogene Ehemann drückte bei diesen kaiserlichen Gunstbezeugungen
unterthänigst die Augen zu. Als aber ein Sklave, der glaubte, sein Herr schliefe
wirklich, die Gelegenheit wahrnehmen wollte, einen Krug hochfeinen Weines zu
„rollen," rief der Herr drohend: l?nor, mein omnibus clormio. Uebrigens sogen
auch die Franzosen: l'frau- iss z^ux sur ouslguo oboso. Dem Ausdrucke „rollen"
(für mitgehen heißen) würde ich eine Stelle unter den „Geflügelten" einräumen.
Seine Entstehung wird auf folgende Anekdote aus dem letzten großen Kriege, für
deren Wahrheit ich natürlich nicht einstehen kann, zurückgeführt. Ein General
erzählt am Ende einer „schweren Sitzung," daß er in einem „verlassenen CHZ-teau"
herrliche Oelgemälde gefunden und mitgenommen habe. „Aber Exzellenz, wie war
es möglich, die großen Gemälde fortzuschaffen?" „Sehr einfach! Aus dem Rahmen
geschnitten, gerollt, nach Hause geschickt." Einige Zeit darauf sieht er einen jüngeren
Offizier ans einem prachtvollen Pferde, das er früher nicht gehabt hat, und fragt
streng, wie er dazu gekommen sei. „Exzellenz, gerollt!" antwortet dieser in dienst¬
lichen Tone. „Exzellenz" sagte kein Wort weiter.
„Einen hohen Gaul reiten," wohl gebräuchlicher unter der Form „sich aufs
hohe Pferd setzen," beruht auf einer Sitte der Ritter im Mittelalter. Ein Fran¬
zose (lug, Lurruz Äo 8t. Nomoiros für 1->, enovalvrio) schreibt darüber fol¬
gendes: Dos LNvv».ux av vÄ,eg,iIIs, o'ost-a-Airs äos ebovaux et'uno t-Mg slovös,
vtaiont moros xs,r ctos senior«, gri los tsuaiont u. tour üroits, ä'on on los s, ax-
volos äostrioi'S; ils los äonuaiont ü tour wlutro, lors^no I'ounowi xg.i'!U8Wit; v'etsit,
co on'on axpo1s.it, „inontor sur so« Kraucls oluzvkmx," oxprossion izus nous avons
vonsorvso.
„Auf großem Fuße leben" bezieht sich aus die thörichte Mode früherer Jahr¬
hunderte, unsinnig großes Schuhwerk mit langen Schnäbeln oder hohen Buckeln le.
zu tragen. Diesen Luxus konnten sich nur Reiche und Vornehme gestatten. Den
Gegensatz bildete „auf kleinen Fuße leben," und als man sich erst an die Redensart
„auf einem Fuße leben" gewöhnt hatte, fanden sich die andern Ausdrücke von
selbst. Uebrigens haben die Franzosen folgende Wendungen mit ganz gleichem
oder ähnlichem Sinne: Vivro (vers) sur un xranä xioä, sur un von xiocl, sur 1o
xioä av so inottro sur 1o xisä av bot esxrit, ä'un sa-vaut.
„Da stehen die Ochsen am Berge" ist lateinischen Ursprungs (staut bovos
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