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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Dichterfreundinnen.

seine Kraft, ließ sich mehrmals zum Präsidenten des Klubs wühlen, trat in
die französische Negierung ein, nahm an der Gründung der rheinischen Republik
thätigen Anteil und beantragte in Paris vor dem Konvente die Einverleibung
des Mainzer Landes in die französische Republik, Er kehrte nicht wieder zurück,
entging dadurch der Rache der deutschen Sieger, starb aber enttäuscht, verlassen,
verarmt in der Stadt, die ihm keine Heimat geworden war, schon am 12. Januar
1794. Dieser Anteil beruht auf dem wahrhaft tragischen Konflikt, zu dem
sein Charakter und sein Schicksal ihn hinführten. Er, der ruhige, stetige Natur¬
forscher, der in viel umfassender Geschäftigkeit die ganze Erde zu seinem Studir-
zimmer machte, mußte ein politischer Parteiführer, der echt deutsche Man" ein
Verräter an seinem Vaterlande werden. Wie konnte er, dessen Absichten die
reinsten, dessen Bestrebungen die idealsten waren, sich mit unlösbaren Fesseln
an einen Jakobinerklub binden lassen? Weil die Schwäche und Weichheit seines
Herzens sich mit den höchsten Ideen von Freiheit und Menschenwürde, deren
sein Geist fähig war, verknüpften und ihn zu Handlungen hinrissen, die ihn
von seinem Vaterlande und seinen anstrebenden Freunden trennten. In Paris,
im wilden Wirbel der Revolution, erkannte er seinen Irrtum, er sah die heilige
Sache der Freiheit, der er ein reiches Leben, sein Vaterland, seine Freunde
geopfert hatte, von unreinen Händen beschmutzt, aber er mußte ausharren, für
ihn gab es keine Rückkehr. An Genossen geschmiedet, die ihm fremd blieben,
die er verabscheute, verkümmerte er, und der baldige Tod war für ihn eine
Erlösung. In dieser Abweichung von dem geraden Wege seiner natürlichen
Entwicklung lag schon eine schwere Sühne, aber das Schicksal traf den unvor¬
sichtigen Mann noch mit einem zweiten harten Schlage, und zwar in das
innerste Herz. Während er selbst einer politischen Trnggestalt nachjagte, ver¬
drängte ihn sein Hausfreund, der Dichter und sächsische GesandtschaftsSekretär
Huber, aus dem Herzen seiner Frau. Huber war von der geistvollen Therese,
die selbst deu Beruf der Schriftstellerin in sich fühlte, ganz eingenommen; um
ihretwillen verließ er seine Verlobte Dora Stock, Friedrich Körners Schwägerin,
und alle Zeit, die sein Amt nicht unbedingt in Anspruch nahm, widmete er der
Sorge für ihre geistigen und wirtschaftlichen Bedürfnisse. Therese hatte noch
weniger Liebe in die Ehe mitgebracht als Karoline, sie hatte nur den berühmten
Weltumsegler geheiratet, nicht den Mann, der ihr Herz für alle Zeiten erfüllen
sollte, und ihr Freund Meder wußte recht gut, daß sie nicht glücklich war,
obgleich sie sich einredete, es zu sein. Forster war außerdem kein guter Wirt.
So anspruchslos und mäßig er für seine Person war, so liebte er doch in
allen äußeren und inneren Verhältnissen des Lebens den großen Zuschnitt;
Bedienung, Reisen, Bücher kosteten viel Geld. Die Klage über unzureichendes
Einkommen ist infolge dessen eine oft wiederkehrende Stelle in seinen Briefen.
Der schlichte Gelehrte verbreitete fortwährend Unrnhe um sich. So hatte er
von Wilna aus mit Katharina von Rußland über die Mittel zu einer zweiten


Grenzboten IV. 1837. 18
Dichterfreundinnen.

seine Kraft, ließ sich mehrmals zum Präsidenten des Klubs wühlen, trat in
die französische Negierung ein, nahm an der Gründung der rheinischen Republik
thätigen Anteil und beantragte in Paris vor dem Konvente die Einverleibung
des Mainzer Landes in die französische Republik, Er kehrte nicht wieder zurück,
entging dadurch der Rache der deutschen Sieger, starb aber enttäuscht, verlassen,
verarmt in der Stadt, die ihm keine Heimat geworden war, schon am 12. Januar
1794. Dieser Anteil beruht auf dem wahrhaft tragischen Konflikt, zu dem
sein Charakter und sein Schicksal ihn hinführten. Er, der ruhige, stetige Natur¬
forscher, der in viel umfassender Geschäftigkeit die ganze Erde zu seinem Studir-
zimmer machte, mußte ein politischer Parteiführer, der echt deutsche Man» ein
Verräter an seinem Vaterlande werden. Wie konnte er, dessen Absichten die
reinsten, dessen Bestrebungen die idealsten waren, sich mit unlösbaren Fesseln
an einen Jakobinerklub binden lassen? Weil die Schwäche und Weichheit seines
Herzens sich mit den höchsten Ideen von Freiheit und Menschenwürde, deren
sein Geist fähig war, verknüpften und ihn zu Handlungen hinrissen, die ihn
von seinem Vaterlande und seinen anstrebenden Freunden trennten. In Paris,
im wilden Wirbel der Revolution, erkannte er seinen Irrtum, er sah die heilige
Sache der Freiheit, der er ein reiches Leben, sein Vaterland, seine Freunde
geopfert hatte, von unreinen Händen beschmutzt, aber er mußte ausharren, für
ihn gab es keine Rückkehr. An Genossen geschmiedet, die ihm fremd blieben,
die er verabscheute, verkümmerte er, und der baldige Tod war für ihn eine
Erlösung. In dieser Abweichung von dem geraden Wege seiner natürlichen
Entwicklung lag schon eine schwere Sühne, aber das Schicksal traf den unvor¬
sichtigen Mann noch mit einem zweiten harten Schlage, und zwar in das
innerste Herz. Während er selbst einer politischen Trnggestalt nachjagte, ver¬
drängte ihn sein Hausfreund, der Dichter und sächsische GesandtschaftsSekretär
Huber, aus dem Herzen seiner Frau. Huber war von der geistvollen Therese,
die selbst deu Beruf der Schriftstellerin in sich fühlte, ganz eingenommen; um
ihretwillen verließ er seine Verlobte Dora Stock, Friedrich Körners Schwägerin,
und alle Zeit, die sein Amt nicht unbedingt in Anspruch nahm, widmete er der
Sorge für ihre geistigen und wirtschaftlichen Bedürfnisse. Therese hatte noch
weniger Liebe in die Ehe mitgebracht als Karoline, sie hatte nur den berühmten
Weltumsegler geheiratet, nicht den Mann, der ihr Herz für alle Zeiten erfüllen
sollte, und ihr Freund Meder wußte recht gut, daß sie nicht glücklich war,
obgleich sie sich einredete, es zu sein. Forster war außerdem kein guter Wirt.
So anspruchslos und mäßig er für seine Person war, so liebte er doch in
allen äußeren und inneren Verhältnissen des Lebens den großen Zuschnitt;
Bedienung, Reisen, Bücher kosteten viel Geld. Die Klage über unzureichendes
Einkommen ist infolge dessen eine oft wiederkehrende Stelle in seinen Briefen.
Der schlichte Gelehrte verbreitete fortwährend Unrnhe um sich. So hatte er
von Wilna aus mit Katharina von Rußland über die Mittel zu einer zweiten


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[0145] Dichterfreundinnen. seine Kraft, ließ sich mehrmals zum Präsidenten des Klubs wühlen, trat in die französische Negierung ein, nahm an der Gründung der rheinischen Republik thätigen Anteil und beantragte in Paris vor dem Konvente die Einverleibung des Mainzer Landes in die französische Republik, Er kehrte nicht wieder zurück, entging dadurch der Rache der deutschen Sieger, starb aber enttäuscht, verlassen, verarmt in der Stadt, die ihm keine Heimat geworden war, schon am 12. Januar 1794. Dieser Anteil beruht auf dem wahrhaft tragischen Konflikt, zu dem sein Charakter und sein Schicksal ihn hinführten. Er, der ruhige, stetige Natur¬ forscher, der in viel umfassender Geschäftigkeit die ganze Erde zu seinem Studir- zimmer machte, mußte ein politischer Parteiführer, der echt deutsche Man» ein Verräter an seinem Vaterlande werden. Wie konnte er, dessen Absichten die reinsten, dessen Bestrebungen die idealsten waren, sich mit unlösbaren Fesseln an einen Jakobinerklub binden lassen? Weil die Schwäche und Weichheit seines Herzens sich mit den höchsten Ideen von Freiheit und Menschenwürde, deren sein Geist fähig war, verknüpften und ihn zu Handlungen hinrissen, die ihn von seinem Vaterlande und seinen anstrebenden Freunden trennten. In Paris, im wilden Wirbel der Revolution, erkannte er seinen Irrtum, er sah die heilige Sache der Freiheit, der er ein reiches Leben, sein Vaterland, seine Freunde geopfert hatte, von unreinen Händen beschmutzt, aber er mußte ausharren, für ihn gab es keine Rückkehr. An Genossen geschmiedet, die ihm fremd blieben, die er verabscheute, verkümmerte er, und der baldige Tod war für ihn eine Erlösung. In dieser Abweichung von dem geraden Wege seiner natürlichen Entwicklung lag schon eine schwere Sühne, aber das Schicksal traf den unvor¬ sichtigen Mann noch mit einem zweiten harten Schlage, und zwar in das innerste Herz. Während er selbst einer politischen Trnggestalt nachjagte, ver¬ drängte ihn sein Hausfreund, der Dichter und sächsische GesandtschaftsSekretär Huber, aus dem Herzen seiner Frau. Huber war von der geistvollen Therese, die selbst deu Beruf der Schriftstellerin in sich fühlte, ganz eingenommen; um ihretwillen verließ er seine Verlobte Dora Stock, Friedrich Körners Schwägerin, und alle Zeit, die sein Amt nicht unbedingt in Anspruch nahm, widmete er der Sorge für ihre geistigen und wirtschaftlichen Bedürfnisse. Therese hatte noch weniger Liebe in die Ehe mitgebracht als Karoline, sie hatte nur den berühmten Weltumsegler geheiratet, nicht den Mann, der ihr Herz für alle Zeiten erfüllen sollte, und ihr Freund Meder wußte recht gut, daß sie nicht glücklich war, obgleich sie sich einredete, es zu sein. Forster war außerdem kein guter Wirt. So anspruchslos und mäßig er für seine Person war, so liebte er doch in allen äußeren und inneren Verhältnissen des Lebens den großen Zuschnitt; Bedienung, Reisen, Bücher kosteten viel Geld. Die Klage über unzureichendes Einkommen ist infolge dessen eine oft wiederkehrende Stelle in seinen Briefen. Der schlichte Gelehrte verbreitete fortwährend Unrnhe um sich. So hatte er von Wilna aus mit Katharina von Rußland über die Mittel zu einer zweiten Grenzboten IV. 1837. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/145>, abgerufen am 22.07.2024.