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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Englische Feldherren.

schützen zählend, wurde auf etwa 40 000 Mann mit 166 Geschützen gebracht.
War dieser Anfang zu loben, so entsprach die Ausführung dieses Planes durch¬
aus nicht der Erwartung, daß ein Feldzug von der Dauer einer Woche genügen
würde, Arabis Heer zu zerstreuen und bis Kairo vorzudringen. Sie war eine
Kette von Unterlassungssünden und Mißgriffen, und wenn man schließlich doch
zum Ziele kam, so war es nur die Unfähigkeit der ägyptischen Heerführer und
die Erbärmlichkeit ihrer Truppen gegenüber der Tüchtigkeit der englischen Sol¬
daten, welche dies ermöglichte. Die Verlegung der Operationslinie hatte nur
dann Sinn, wenn alles für ein rasches Vordringen bereit gestellt war. Ein
kluger Feldherr hätte das Eintreffen der indischen Truppen abgewartet und in
der Zwischenzeit für die Einschiffung von Lokomotiven und Waggons, für Last¬
tiere und für die Ordnung des Train- und Verpflcgewesens Sorge getragen.
So hinreichend vorbereitet, hätte sich die Offensive mit Blitzesschnelle voll¬
ziehen lassen. Beständige Demonstrationen bei Alexandria Hütten Arabi die
Meinung beigebracht, daß ein Angriff auf Kafr Ed Danar beabsichtigt sei, und
er wäre hier mit dem größten Teile seiner Armee geblieben. Auf die Nachricht
vom Eintreffen der Inder wäre der englische General mit dem Gros seiner
Streitkräfte nach Jsmailia gefahren, um sich mit jenen zu vereinigen, während
10 000 Mann vor Kafr Ed Danar weiter demonstrirt hätten. Mittels der mit¬
gebrachten Lokomotiven und der in Jsmailia befindlichen Waggons konnte man
einige tausend Mann sofort nach Tel El Kebir werfen und die wenigen hundert
Ägypter, die hier Schanzen zu bauen begonnen hatten, verjagen, worauf die
Bahn bis Kairo frei gewesen wäre, sodaß man in dieser Stadt, ehe Arabi von
der Sache erfahren hätte, 12- bis 15 000 Mann Hütte versammeln können.
Wolseley machte, statt rasch von Jsmailia nach Tel El Kebir vorzurücken,
mehrere Tage in Jsmailia Halt, und als er dann aufbrach, war er nicht ge¬
nügend vorbereitet. Dadurch gewann Arabi Zeit, sich von seiner Verblüffung
über die Umgehung zu erholen, mit seiner Hauptmacht nach Tel El Kebir zu
wenden und dort mächtige Verschanzungen anzulegen, die Wolseley, wenn sie
von tüchtigen Soldaten verteidigt worden wären, nicht oder nur mit großen
Verlusten hätte nehmen können. Als die Engländer in Jsmailia landeten, die
Infanterie volle vier Tage vor der Artillerie und Kavallerie, hatte ihr Ober¬
general unterlassen, Lokomotiven für die Eisenbahn, Lasttiere für den Train,
Zelte gegen die ungeheure Sonnenhitze und genügende Lebensmittel mitzunehmen.
Man mußte also Lokomotiven von Alexandrien nachkommen lassen und Kameele
ankaufen. Die Soldaten mußten sich mit halben Nationen begnügen und über¬
dies Wassermangel leiden, da die Ägypter bei Tel El Mahnta den Süßwasscr-
kanal abgedämmt hatten. Der Versuch, diese Sperre zu beseitigen, wurde nur
mit 1500 Mann unternommen und gelang, da die Ägypter hier sechsmal so
stark waren, erst als jene 1300 durch die Gardebrigade verstärkt worden waren.
Wäre der Feind entschlossener und geschickter gewesen, so würden jene in der


Englische Feldherren.

schützen zählend, wurde auf etwa 40 000 Mann mit 166 Geschützen gebracht.
War dieser Anfang zu loben, so entsprach die Ausführung dieses Planes durch¬
aus nicht der Erwartung, daß ein Feldzug von der Dauer einer Woche genügen
würde, Arabis Heer zu zerstreuen und bis Kairo vorzudringen. Sie war eine
Kette von Unterlassungssünden und Mißgriffen, und wenn man schließlich doch
zum Ziele kam, so war es nur die Unfähigkeit der ägyptischen Heerführer und
die Erbärmlichkeit ihrer Truppen gegenüber der Tüchtigkeit der englischen Sol¬
daten, welche dies ermöglichte. Die Verlegung der Operationslinie hatte nur
dann Sinn, wenn alles für ein rasches Vordringen bereit gestellt war. Ein
kluger Feldherr hätte das Eintreffen der indischen Truppen abgewartet und in
der Zwischenzeit für die Einschiffung von Lokomotiven und Waggons, für Last¬
tiere und für die Ordnung des Train- und Verpflcgewesens Sorge getragen.
So hinreichend vorbereitet, hätte sich die Offensive mit Blitzesschnelle voll¬
ziehen lassen. Beständige Demonstrationen bei Alexandria Hütten Arabi die
Meinung beigebracht, daß ein Angriff auf Kafr Ed Danar beabsichtigt sei, und
er wäre hier mit dem größten Teile seiner Armee geblieben. Auf die Nachricht
vom Eintreffen der Inder wäre der englische General mit dem Gros seiner
Streitkräfte nach Jsmailia gefahren, um sich mit jenen zu vereinigen, während
10 000 Mann vor Kafr Ed Danar weiter demonstrirt hätten. Mittels der mit¬
gebrachten Lokomotiven und der in Jsmailia befindlichen Waggons konnte man
einige tausend Mann sofort nach Tel El Kebir werfen und die wenigen hundert
Ägypter, die hier Schanzen zu bauen begonnen hatten, verjagen, worauf die
Bahn bis Kairo frei gewesen wäre, sodaß man in dieser Stadt, ehe Arabi von
der Sache erfahren hätte, 12- bis 15 000 Mann Hütte versammeln können.
Wolseley machte, statt rasch von Jsmailia nach Tel El Kebir vorzurücken,
mehrere Tage in Jsmailia Halt, und als er dann aufbrach, war er nicht ge¬
nügend vorbereitet. Dadurch gewann Arabi Zeit, sich von seiner Verblüffung
über die Umgehung zu erholen, mit seiner Hauptmacht nach Tel El Kebir zu
wenden und dort mächtige Verschanzungen anzulegen, die Wolseley, wenn sie
von tüchtigen Soldaten verteidigt worden wären, nicht oder nur mit großen
Verlusten hätte nehmen können. Als die Engländer in Jsmailia landeten, die
Infanterie volle vier Tage vor der Artillerie und Kavallerie, hatte ihr Ober¬
general unterlassen, Lokomotiven für die Eisenbahn, Lasttiere für den Train,
Zelte gegen die ungeheure Sonnenhitze und genügende Lebensmittel mitzunehmen.
Man mußte also Lokomotiven von Alexandrien nachkommen lassen und Kameele
ankaufen. Die Soldaten mußten sich mit halben Nationen begnügen und über¬
dies Wassermangel leiden, da die Ägypter bei Tel El Mahnta den Süßwasscr-
kanal abgedämmt hatten. Der Versuch, diese Sperre zu beseitigen, wurde nur
mit 1500 Mann unternommen und gelang, da die Ägypter hier sechsmal so
stark waren, erst als jene 1300 durch die Gardebrigade verstärkt worden waren.
Wäre der Feind entschlossener und geschickter gewesen, so würden jene in der


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[0604] Englische Feldherren. schützen zählend, wurde auf etwa 40 000 Mann mit 166 Geschützen gebracht. War dieser Anfang zu loben, so entsprach die Ausführung dieses Planes durch¬ aus nicht der Erwartung, daß ein Feldzug von der Dauer einer Woche genügen würde, Arabis Heer zu zerstreuen und bis Kairo vorzudringen. Sie war eine Kette von Unterlassungssünden und Mißgriffen, und wenn man schließlich doch zum Ziele kam, so war es nur die Unfähigkeit der ägyptischen Heerführer und die Erbärmlichkeit ihrer Truppen gegenüber der Tüchtigkeit der englischen Sol¬ daten, welche dies ermöglichte. Die Verlegung der Operationslinie hatte nur dann Sinn, wenn alles für ein rasches Vordringen bereit gestellt war. Ein kluger Feldherr hätte das Eintreffen der indischen Truppen abgewartet und in der Zwischenzeit für die Einschiffung von Lokomotiven und Waggons, für Last¬ tiere und für die Ordnung des Train- und Verpflcgewesens Sorge getragen. So hinreichend vorbereitet, hätte sich die Offensive mit Blitzesschnelle voll¬ ziehen lassen. Beständige Demonstrationen bei Alexandria Hütten Arabi die Meinung beigebracht, daß ein Angriff auf Kafr Ed Danar beabsichtigt sei, und er wäre hier mit dem größten Teile seiner Armee geblieben. Auf die Nachricht vom Eintreffen der Inder wäre der englische General mit dem Gros seiner Streitkräfte nach Jsmailia gefahren, um sich mit jenen zu vereinigen, während 10 000 Mann vor Kafr Ed Danar weiter demonstrirt hätten. Mittels der mit¬ gebrachten Lokomotiven und der in Jsmailia befindlichen Waggons konnte man einige tausend Mann sofort nach Tel El Kebir werfen und die wenigen hundert Ägypter, die hier Schanzen zu bauen begonnen hatten, verjagen, worauf die Bahn bis Kairo frei gewesen wäre, sodaß man in dieser Stadt, ehe Arabi von der Sache erfahren hätte, 12- bis 15 000 Mann Hütte versammeln können. Wolseley machte, statt rasch von Jsmailia nach Tel El Kebir vorzurücken, mehrere Tage in Jsmailia Halt, und als er dann aufbrach, war er nicht ge¬ nügend vorbereitet. Dadurch gewann Arabi Zeit, sich von seiner Verblüffung über die Umgehung zu erholen, mit seiner Hauptmacht nach Tel El Kebir zu wenden und dort mächtige Verschanzungen anzulegen, die Wolseley, wenn sie von tüchtigen Soldaten verteidigt worden wären, nicht oder nur mit großen Verlusten hätte nehmen können. Als die Engländer in Jsmailia landeten, die Infanterie volle vier Tage vor der Artillerie und Kavallerie, hatte ihr Ober¬ general unterlassen, Lokomotiven für die Eisenbahn, Lasttiere für den Train, Zelte gegen die ungeheure Sonnenhitze und genügende Lebensmittel mitzunehmen. Man mußte also Lokomotiven von Alexandrien nachkommen lassen und Kameele ankaufen. Die Soldaten mußten sich mit halben Nationen begnügen und über¬ dies Wassermangel leiden, da die Ägypter bei Tel El Mahnta den Süßwasscr- kanal abgedämmt hatten. Der Versuch, diese Sperre zu beseitigen, wurde nur mit 1500 Mann unternommen und gelang, da die Ägypter hier sechsmal so stark waren, erst als jene 1300 durch die Gardebrigade verstärkt worden waren. Wäre der Feind entschlossener und geschickter gewesen, so würden jene in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/604>, abgerufen am 23.07.2024.