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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Das Schulgeld.

dann meist ohne Rücksicht auf die Grundsätze der Finanzwissenschaft und ohne
an die Erhaltung eines dieser entsprechenden Systems zu denken, willkürlich
entweder neue Steuern eingeführt oder die bestehenden erhöht. Es ist aber klar,
daß weder ein -- diesen Namen nicht verdienendes -- System von Zuschlägen,
noch ein solches besondrer Gemeindesteuern, selbst wenn es früher passend war,
dieses bleibt, wenn sich die Gemeindebedürfnisse so bedeutend steigern, wie dies
in der neuesten Zeit bei den meisten Gemeinden der Fall gewesen ist. Es ent¬
stehen dann notwendigerweise Härten bei gewissen Steuern, die bei fortgesetzter
Erhöhung bis zur Unerträglichkeit gehen. Namentlich wird dies dann geschehen,
wenn die Neubelastnngen für Zwecke eintreten, die bisher noch nicht verfolgt
wurden, wie z. B. wenn eine Gemeinde große Aufwendungen für Straßenbauten
macht und diese durch Erhöhungen innerhalb des bestehenden, ausschließlich oder
vorherrschend Personalsteuern umfassenden Gemeindesteuersystems deckt. In ganz
hervorragendem Maße muß dies der Fall sein, wenn die Gemeinden die bisher
eine Sozietätslast bildenden, in ihrer Höhe vielleicht alle bisherigen Gemeinde¬
ausgaben übersteigenden Schulunterhaltungskosten übernehmen müssen. Vielfach,
sogar wohl meistenteils wird es ja möglich sein, diese innerhalb des Rahmens der
bestehenden Gemeindesteuern durch angemessene Verteilung auf diese ohne Un¬
gerechtigkeiten, welche die Nachteile des Schulgeldes überwiegen, aufzubringen;
aber in vielen Fällen wird sich dies auch nicht durchführen lassen, würde es
vielmehr einer gänzlichen Umgestaltung des bestehenden Gemeindesteucrsystems
bedürfen. Eine solche aber ohne eine einheitliche gesetzliche Regelung der Ge¬
meindesteuerfrage, die alle verschiednen in Betracht kommenden Gesichtspunkte
berücksichtigt, von Fall zu Fall vorzunehmen, dürfte äußerst bedenklich sein:
einmal würde dadurch die längst angestrebte einheitliche Gemeindestenergcsetzgebuug
sehr erschwert, sodann aber würde dies in der betroffenen Gemeinde einen Wider¬
stand hervorrufen, der vielleicht die Durchführung des ganzen Unterrichtsgesctzes
in Frage stellen oder doch, wenn dieser Widerstand rücksichtslos gebrochen
würde, eine nachhaltige, den Zwecken des Staates und insbesondre der Schule
gefährliche Unzufriedenheit zurücklassen würde. Außerdem könnte eine derartige
Maßregel manchen Gemeinden durch Vertreibung und Fernhaltung bestimmter
Eiuwohnerklassen schwere finanzielle Schäden zufügen.

Vielleicht noch schwerer, weil meist in natürlichen Umständen liegend,
dürften bei einzelnen Gemeinden die Vevölkcrungsverhältnisse ins Gewicht fallen,
und zwar entweder die Zusammensetzung der Einwohnerschaft oder der schnelle
Wechsel derselben. So giebt es sehr zahlreiche Gemeinden, in denen die Zahl der
nur ein geringes Einkommen beziehenden Bewohner unverhältnismäßig überwiegt.
Diese zu alle" Gemeindebedürfnissen heranzuziehen, kann einerseits unbillig sein,
weil sie von den Gemcindeeinrichtungcn zum großen Teile gar keinen Nutzen
haben -- und in beschränktem Umfange wird man bei der Gemeindebesteuerung
doch den Grundsatz von Leistung und Gegenleistung anerkennen müssen --,


Das Schulgeld.

dann meist ohne Rücksicht auf die Grundsätze der Finanzwissenschaft und ohne
an die Erhaltung eines dieser entsprechenden Systems zu denken, willkürlich
entweder neue Steuern eingeführt oder die bestehenden erhöht. Es ist aber klar,
daß weder ein — diesen Namen nicht verdienendes — System von Zuschlägen,
noch ein solches besondrer Gemeindesteuern, selbst wenn es früher passend war,
dieses bleibt, wenn sich die Gemeindebedürfnisse so bedeutend steigern, wie dies
in der neuesten Zeit bei den meisten Gemeinden der Fall gewesen ist. Es ent¬
stehen dann notwendigerweise Härten bei gewissen Steuern, die bei fortgesetzter
Erhöhung bis zur Unerträglichkeit gehen. Namentlich wird dies dann geschehen,
wenn die Neubelastnngen für Zwecke eintreten, die bisher noch nicht verfolgt
wurden, wie z. B. wenn eine Gemeinde große Aufwendungen für Straßenbauten
macht und diese durch Erhöhungen innerhalb des bestehenden, ausschließlich oder
vorherrschend Personalsteuern umfassenden Gemeindesteuersystems deckt. In ganz
hervorragendem Maße muß dies der Fall sein, wenn die Gemeinden die bisher
eine Sozietätslast bildenden, in ihrer Höhe vielleicht alle bisherigen Gemeinde¬
ausgaben übersteigenden Schulunterhaltungskosten übernehmen müssen. Vielfach,
sogar wohl meistenteils wird es ja möglich sein, diese innerhalb des Rahmens der
bestehenden Gemeindesteuern durch angemessene Verteilung auf diese ohne Un¬
gerechtigkeiten, welche die Nachteile des Schulgeldes überwiegen, aufzubringen;
aber in vielen Fällen wird sich dies auch nicht durchführen lassen, würde es
vielmehr einer gänzlichen Umgestaltung des bestehenden Gemeindesteucrsystems
bedürfen. Eine solche aber ohne eine einheitliche gesetzliche Regelung der Ge¬
meindesteuerfrage, die alle verschiednen in Betracht kommenden Gesichtspunkte
berücksichtigt, von Fall zu Fall vorzunehmen, dürfte äußerst bedenklich sein:
einmal würde dadurch die längst angestrebte einheitliche Gemeindestenergcsetzgebuug
sehr erschwert, sodann aber würde dies in der betroffenen Gemeinde einen Wider¬
stand hervorrufen, der vielleicht die Durchführung des ganzen Unterrichtsgesctzes
in Frage stellen oder doch, wenn dieser Widerstand rücksichtslos gebrochen
würde, eine nachhaltige, den Zwecken des Staates und insbesondre der Schule
gefährliche Unzufriedenheit zurücklassen würde. Außerdem könnte eine derartige
Maßregel manchen Gemeinden durch Vertreibung und Fernhaltung bestimmter
Eiuwohnerklassen schwere finanzielle Schäden zufügen.

Vielleicht noch schwerer, weil meist in natürlichen Umständen liegend,
dürften bei einzelnen Gemeinden die Vevölkcrungsverhältnisse ins Gewicht fallen,
und zwar entweder die Zusammensetzung der Einwohnerschaft oder der schnelle
Wechsel derselben. So giebt es sehr zahlreiche Gemeinden, in denen die Zahl der
nur ein geringes Einkommen beziehenden Bewohner unverhältnismäßig überwiegt.
Diese zu alle» Gemeindebedürfnissen heranzuziehen, kann einerseits unbillig sein,
weil sie von den Gemcindeeinrichtungcn zum großen Teile gar keinen Nutzen
haben — und in beschränktem Umfange wird man bei der Gemeindebesteuerung
doch den Grundsatz von Leistung und Gegenleistung anerkennen müssen —,


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[0576] Das Schulgeld. dann meist ohne Rücksicht auf die Grundsätze der Finanzwissenschaft und ohne an die Erhaltung eines dieser entsprechenden Systems zu denken, willkürlich entweder neue Steuern eingeführt oder die bestehenden erhöht. Es ist aber klar, daß weder ein — diesen Namen nicht verdienendes — System von Zuschlägen, noch ein solches besondrer Gemeindesteuern, selbst wenn es früher passend war, dieses bleibt, wenn sich die Gemeindebedürfnisse so bedeutend steigern, wie dies in der neuesten Zeit bei den meisten Gemeinden der Fall gewesen ist. Es ent¬ stehen dann notwendigerweise Härten bei gewissen Steuern, die bei fortgesetzter Erhöhung bis zur Unerträglichkeit gehen. Namentlich wird dies dann geschehen, wenn die Neubelastnngen für Zwecke eintreten, die bisher noch nicht verfolgt wurden, wie z. B. wenn eine Gemeinde große Aufwendungen für Straßenbauten macht und diese durch Erhöhungen innerhalb des bestehenden, ausschließlich oder vorherrschend Personalsteuern umfassenden Gemeindesteuersystems deckt. In ganz hervorragendem Maße muß dies der Fall sein, wenn die Gemeinden die bisher eine Sozietätslast bildenden, in ihrer Höhe vielleicht alle bisherigen Gemeinde¬ ausgaben übersteigenden Schulunterhaltungskosten übernehmen müssen. Vielfach, sogar wohl meistenteils wird es ja möglich sein, diese innerhalb des Rahmens der bestehenden Gemeindesteuern durch angemessene Verteilung auf diese ohne Un¬ gerechtigkeiten, welche die Nachteile des Schulgeldes überwiegen, aufzubringen; aber in vielen Fällen wird sich dies auch nicht durchführen lassen, würde es vielmehr einer gänzlichen Umgestaltung des bestehenden Gemeindesteucrsystems bedürfen. Eine solche aber ohne eine einheitliche gesetzliche Regelung der Ge¬ meindesteuerfrage, die alle verschiednen in Betracht kommenden Gesichtspunkte berücksichtigt, von Fall zu Fall vorzunehmen, dürfte äußerst bedenklich sein: einmal würde dadurch die längst angestrebte einheitliche Gemeindestenergcsetzgebuug sehr erschwert, sodann aber würde dies in der betroffenen Gemeinde einen Wider¬ stand hervorrufen, der vielleicht die Durchführung des ganzen Unterrichtsgesctzes in Frage stellen oder doch, wenn dieser Widerstand rücksichtslos gebrochen würde, eine nachhaltige, den Zwecken des Staates und insbesondre der Schule gefährliche Unzufriedenheit zurücklassen würde. Außerdem könnte eine derartige Maßregel manchen Gemeinden durch Vertreibung und Fernhaltung bestimmter Eiuwohnerklassen schwere finanzielle Schäden zufügen. Vielleicht noch schwerer, weil meist in natürlichen Umständen liegend, dürften bei einzelnen Gemeinden die Vevölkcrungsverhältnisse ins Gewicht fallen, und zwar entweder die Zusammensetzung der Einwohnerschaft oder der schnelle Wechsel derselben. So giebt es sehr zahlreiche Gemeinden, in denen die Zahl der nur ein geringes Einkommen beziehenden Bewohner unverhältnismäßig überwiegt. Diese zu alle» Gemeindebedürfnissen heranzuziehen, kann einerseits unbillig sein, weil sie von den Gemcindeeinrichtungcn zum großen Teile gar keinen Nutzen haben — und in beschränktem Umfange wird man bei der Gemeindebesteuerung doch den Grundsatz von Leistung und Gegenleistung anerkennen müssen —,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/576>, abgerufen am 23.07.2024.