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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Weisheit Salomos.

Murrend muß er sich endlich dazu verstehen, fünf Körbe für die Tafel zu füllen.
Bei dieser Arbeit nnn ist Saphat von dem Feldhauptmann der Königin von
Saba, Ben Jsbah, gestört worden. Der stolze, in der Gunst seiner Herrin sich
horrende Soldat hat einfach in die vollen Körbe gegriffen und nach Belieben
die süßesten Früchte weggenascht. Vergebens bat, mahnte, warnte der treue
Gärtner den rücksichtslosen Gast, Ben Jsbah warf ihm in trotzigem Übermute
die mühsam gefüllten Körbe um, Saphat wurde wild und schlug mit seinem
Stäbe nach Ben Jsbah. Darauf zog dieser sei" Schwert, und es wäre dem
alten Manne übel ergangen, wenn nicht noch rechtzeitig der Hofmeister dazwischen
getreten wäre und die Streitenden vor den höchsten Richter, den König selbst,
geführt hätte. Diese Gruppe unterbricht nun das philosophische Zwiegespräch
Salomos mit der Bailis, indem sie nicht ohne Lärm unangemeldet hereinstürzt.
Halb verborgen hinter den Dienern, die Saphat führen, schleicht sich dessen
siebzehnjähriges Töchterlein Sulamith, besorgt um das Schicksal ihres Vaters,
mit herein. Zornig verlangt der beleidigte Feldhauptmann Genugthuung und
nicht weniger als den Kopf des Sklaven, der sich ihn zu schlagen erfrechte.
Allein der König läßt beide Parteien zu Worte kommen, fährt auch dem
schimpfenden Fremden gelegentlich übers Maul, und entscheidet schließlich:


Jedes Land hat eigne Sitt' und Brauch.
Wir lassen nicht sofort das Haupt entgelten,
Was eine allzurasche Hand gefehlt,
Eh' noch der Kopf sich recht besinnen konnte.
Drum stelle deine Fort'rung mäßiger,
Und was du heischest, soll dir werden.

Ben Jsbah fordert demnach die Hand des Gärtners, sie soll vom Rumpf ge¬
trennt und den Hunden vorgeworfen werden. Dcirob stößt die halb verborgene
Sulamith einen Angstschrei aus. Da die Königin die Forderung Jsbcchs als
in ihrem Lande Rechtens erklärt, so stimmt Salomo dem Urteil zu. Da schreit
Sulamith ein zweites mal auf und erregt damit die Aufmerksamkeit des könig¬
lichen Richters. Nun stürzt das schöne Mädchen vor ihm auf die Kniee und
fleht um Gnade für ihren alten Vater.


Herr, ich bin
Ein armes Ding, nie hätt' ich mir getraut,
Den Mund zu öffnen hier im Königssaal,
Ja wenn du nur von fern vorübcrschrittst,
Da stockte mir der Atem in der Brust,
Und kaum das Auge wagte dir zu folgen.
O schilt mich nun nicht dreist und ehrfurchtslos,
Daß ich die Knie dir zu umfassen wage
Und flehend suche deines Auges Strahl
Und stammte: Gnade! Gnade!

Das Flehen des schönen Kindes verfehlt seine Wirkung nicht: Salomo nimmt
die Schuld ganz auf sich. Der Diener Saphat habe unfreien Willens, als


Die Weisheit Salomos.

Murrend muß er sich endlich dazu verstehen, fünf Körbe für die Tafel zu füllen.
Bei dieser Arbeit nnn ist Saphat von dem Feldhauptmann der Königin von
Saba, Ben Jsbah, gestört worden. Der stolze, in der Gunst seiner Herrin sich
horrende Soldat hat einfach in die vollen Körbe gegriffen und nach Belieben
die süßesten Früchte weggenascht. Vergebens bat, mahnte, warnte der treue
Gärtner den rücksichtslosen Gast, Ben Jsbah warf ihm in trotzigem Übermute
die mühsam gefüllten Körbe um, Saphat wurde wild und schlug mit seinem
Stäbe nach Ben Jsbah. Darauf zog dieser sei» Schwert, und es wäre dem
alten Manne übel ergangen, wenn nicht noch rechtzeitig der Hofmeister dazwischen
getreten wäre und die Streitenden vor den höchsten Richter, den König selbst,
geführt hätte. Diese Gruppe unterbricht nun das philosophische Zwiegespräch
Salomos mit der Bailis, indem sie nicht ohne Lärm unangemeldet hereinstürzt.
Halb verborgen hinter den Dienern, die Saphat führen, schleicht sich dessen
siebzehnjähriges Töchterlein Sulamith, besorgt um das Schicksal ihres Vaters,
mit herein. Zornig verlangt der beleidigte Feldhauptmann Genugthuung und
nicht weniger als den Kopf des Sklaven, der sich ihn zu schlagen erfrechte.
Allein der König läßt beide Parteien zu Worte kommen, fährt auch dem
schimpfenden Fremden gelegentlich übers Maul, und entscheidet schließlich:


Jedes Land hat eigne Sitt' und Brauch.
Wir lassen nicht sofort das Haupt entgelten,
Was eine allzurasche Hand gefehlt,
Eh' noch der Kopf sich recht besinnen konnte.
Drum stelle deine Fort'rung mäßiger,
Und was du heischest, soll dir werden.

Ben Jsbah fordert demnach die Hand des Gärtners, sie soll vom Rumpf ge¬
trennt und den Hunden vorgeworfen werden. Dcirob stößt die halb verborgene
Sulamith einen Angstschrei aus. Da die Königin die Forderung Jsbcchs als
in ihrem Lande Rechtens erklärt, so stimmt Salomo dem Urteil zu. Da schreit
Sulamith ein zweites mal auf und erregt damit die Aufmerksamkeit des könig¬
lichen Richters. Nun stürzt das schöne Mädchen vor ihm auf die Kniee und
fleht um Gnade für ihren alten Vater.


Herr, ich bin
Ein armes Ding, nie hätt' ich mir getraut,
Den Mund zu öffnen hier im Königssaal,
Ja wenn du nur von fern vorübcrschrittst,
Da stockte mir der Atem in der Brust,
Und kaum das Auge wagte dir zu folgen.
O schilt mich nun nicht dreist und ehrfurchtslos,
Daß ich die Knie dir zu umfassen wage
Und flehend suche deines Auges Strahl
Und stammte: Gnade! Gnade!

Das Flehen des schönen Kindes verfehlt seine Wirkung nicht: Salomo nimmt
die Schuld ganz auf sich. Der Diener Saphat habe unfreien Willens, als


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[0479] Die Weisheit Salomos. Murrend muß er sich endlich dazu verstehen, fünf Körbe für die Tafel zu füllen. Bei dieser Arbeit nnn ist Saphat von dem Feldhauptmann der Königin von Saba, Ben Jsbah, gestört worden. Der stolze, in der Gunst seiner Herrin sich horrende Soldat hat einfach in die vollen Körbe gegriffen und nach Belieben die süßesten Früchte weggenascht. Vergebens bat, mahnte, warnte der treue Gärtner den rücksichtslosen Gast, Ben Jsbah warf ihm in trotzigem Übermute die mühsam gefüllten Körbe um, Saphat wurde wild und schlug mit seinem Stäbe nach Ben Jsbah. Darauf zog dieser sei» Schwert, und es wäre dem alten Manne übel ergangen, wenn nicht noch rechtzeitig der Hofmeister dazwischen getreten wäre und die Streitenden vor den höchsten Richter, den König selbst, geführt hätte. Diese Gruppe unterbricht nun das philosophische Zwiegespräch Salomos mit der Bailis, indem sie nicht ohne Lärm unangemeldet hereinstürzt. Halb verborgen hinter den Dienern, die Saphat führen, schleicht sich dessen siebzehnjähriges Töchterlein Sulamith, besorgt um das Schicksal ihres Vaters, mit herein. Zornig verlangt der beleidigte Feldhauptmann Genugthuung und nicht weniger als den Kopf des Sklaven, der sich ihn zu schlagen erfrechte. Allein der König läßt beide Parteien zu Worte kommen, fährt auch dem schimpfenden Fremden gelegentlich übers Maul, und entscheidet schließlich: Jedes Land hat eigne Sitt' und Brauch. Wir lassen nicht sofort das Haupt entgelten, Was eine allzurasche Hand gefehlt, Eh' noch der Kopf sich recht besinnen konnte. Drum stelle deine Fort'rung mäßiger, Und was du heischest, soll dir werden. Ben Jsbah fordert demnach die Hand des Gärtners, sie soll vom Rumpf ge¬ trennt und den Hunden vorgeworfen werden. Dcirob stößt die halb verborgene Sulamith einen Angstschrei aus. Da die Königin die Forderung Jsbcchs als in ihrem Lande Rechtens erklärt, so stimmt Salomo dem Urteil zu. Da schreit Sulamith ein zweites mal auf und erregt damit die Aufmerksamkeit des könig¬ lichen Richters. Nun stürzt das schöne Mädchen vor ihm auf die Kniee und fleht um Gnade für ihren alten Vater. Herr, ich bin Ein armes Ding, nie hätt' ich mir getraut, Den Mund zu öffnen hier im Königssaal, Ja wenn du nur von fern vorübcrschrittst, Da stockte mir der Atem in der Brust, Und kaum das Auge wagte dir zu folgen. O schilt mich nun nicht dreist und ehrfurchtslos, Daß ich die Knie dir zu umfassen wage Und flehend suche deines Auges Strahl Und stammte: Gnade! Gnade! Das Flehen des schönen Kindes verfehlt seine Wirkung nicht: Salomo nimmt die Schuld ganz auf sich. Der Diener Saphat habe unfreien Willens, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/479>, abgerufen am 23.07.2024.