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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Iweikampf und Strafgesetz.

klar, daß der Versuch, durch ein Verbrechen einen an sich nicht strafbaren, son¬
dern nur bei seinem Eintritt infolge des Verbrechens strafschärfender Erfolg zu
erzielen, nicht an sich bestraft werden kann, sondern seine Strafe in der Strafe
für jenes Verbrechen finden muß, welches den Erfolg nach sich ziehen sollte.
Man braucht also nur im Auge zu behalten, daß jede im Zweikampf gegen den
Gegner gerichtete Handlung straflos ist, um zu erkennen, daß, wer in § 206
nur eine schwerere Form des bereits im K 206 bezeichneten Verbrechens sieht, den¬
jenigen, welcher seinen Gegner im Zweikampfe zu töten sucht, nicht wegen Versuchs
aus Z 206, sondern nur wegen vollendeten Verbrechens aus Z 205 bestrafen kann.

Wir fassen zusammen: Der Zweikampf ist kein Verbrechen gegen die Person,
sondern ein Verbrechen gegen den Staat; strafbar sind nicht die Angriffe der
Parteien aufeinander und die durch diese Augriffe erfolgten Verletzungen, sondern
die Ausschließung der Staatsgewalt aus einem Gebiet, auf dem sie allein zu¬
ständig ist. Haben nun diejenigen Recht, welche die Behandlung des Zwei-
knmpfes durch das Neichsstrafgesetzbuch in einem besondern Abschnitt als jeg¬
licher rechtlichen Begründung entbehrend bezeichnen? Ist es richtig, daß die
in diesen, Abschnitt unter Strafe gestellten Handlungen auch nach andern Para¬
graphen des Reichsstrafgesctzbnches abgeurteilt werden könnten? Nein, gerade
das Gegenteil ist der Fall. Die in dem in Rede stehenden Abschnitte aufge¬
führten Staatsverbrechen würden nach Aufhebung desselben straffrei sein, während
die in jenen Handlungen enthaltenen, nach geltendem Rechte straffreien, gegen
die Person gerichteten Thätigkeiten anderweitigen Strafbestimmungen unterliegen,
mithin strafbar sein würden. Das Durchbrechen der Rechte der Staatsgewalten
wäre gestattet, und nur gewisse mögliche Erfolge dieses Durchbruches wären ver¬
boten! Man wird zugeben müssen: Die rechtliche Natur des Zweikampfes erheischt
auf das gebieterischste die Behandlung desselben als eines besondern Verbrechens.

Aber schon wiederholt -- sagt man -- ist ans Billigkeitsgründen von der
strengen juristischen Folgerung abgewichen worden. Billigkeitsgrüude erfordern
die Aufhebung der Duellparagraphen. Zwischen einem Mörder und dem, welcher
in leichtfertiger Weise ein Duell heraufbeschwört und daun seinen unschuldigen,
friedliebenden Gegnc-r tötet, besteht kein Unterschied der Strafwürdigkeit.
Ebensowenig besteht ein Unterschied der Straflosigkeit zwischen dem, welcher
einen rohe", ihn mit dem Knotenstock überfallenden Gesellen niederschlägt, und
demjenigen, welcher sein durch ein leichtfertiges Duell angegriffenes Leben da- '
durch verteidigt, daß er seinen Gegner tötet. Wenn der Mörder mit dem Tode be¬
straft wird, warum nicht auch jener leichtfertige Duellant? Wenn jener Überfallene
wegen Notwehr freigesprochen wird, warum nicht auch jeuer schuldlose Duellant?*)

Wer so spricht, hat einen wenig geläuterten Gerechtigkeitssinn. Nicht nur
die strengen Regeln des Zweikampfes, sondern vor allem die vor einem solchen



*) Ich habe mich hier möglichst eng an den Gednnkengang und den Wortlaut einer von
einem Gegner meiner Anschauungen gemachten Ausführung angeschlossen.
Iweikampf und Strafgesetz.

klar, daß der Versuch, durch ein Verbrechen einen an sich nicht strafbaren, son¬
dern nur bei seinem Eintritt infolge des Verbrechens strafschärfender Erfolg zu
erzielen, nicht an sich bestraft werden kann, sondern seine Strafe in der Strafe
für jenes Verbrechen finden muß, welches den Erfolg nach sich ziehen sollte.
Man braucht also nur im Auge zu behalten, daß jede im Zweikampf gegen den
Gegner gerichtete Handlung straflos ist, um zu erkennen, daß, wer in § 206
nur eine schwerere Form des bereits im K 206 bezeichneten Verbrechens sieht, den¬
jenigen, welcher seinen Gegner im Zweikampfe zu töten sucht, nicht wegen Versuchs
aus Z 206, sondern nur wegen vollendeten Verbrechens aus Z 205 bestrafen kann.

Wir fassen zusammen: Der Zweikampf ist kein Verbrechen gegen die Person,
sondern ein Verbrechen gegen den Staat; strafbar sind nicht die Angriffe der
Parteien aufeinander und die durch diese Augriffe erfolgten Verletzungen, sondern
die Ausschließung der Staatsgewalt aus einem Gebiet, auf dem sie allein zu¬
ständig ist. Haben nun diejenigen Recht, welche die Behandlung des Zwei-
knmpfes durch das Neichsstrafgesetzbuch in einem besondern Abschnitt als jeg¬
licher rechtlichen Begründung entbehrend bezeichnen? Ist es richtig, daß die
in diesen, Abschnitt unter Strafe gestellten Handlungen auch nach andern Para¬
graphen des Reichsstrafgesctzbnches abgeurteilt werden könnten? Nein, gerade
das Gegenteil ist der Fall. Die in dem in Rede stehenden Abschnitte aufge¬
führten Staatsverbrechen würden nach Aufhebung desselben straffrei sein, während
die in jenen Handlungen enthaltenen, nach geltendem Rechte straffreien, gegen
die Person gerichteten Thätigkeiten anderweitigen Strafbestimmungen unterliegen,
mithin strafbar sein würden. Das Durchbrechen der Rechte der Staatsgewalten
wäre gestattet, und nur gewisse mögliche Erfolge dieses Durchbruches wären ver¬
boten! Man wird zugeben müssen: Die rechtliche Natur des Zweikampfes erheischt
auf das gebieterischste die Behandlung desselben als eines besondern Verbrechens.

Aber schon wiederholt — sagt man — ist ans Billigkeitsgründen von der
strengen juristischen Folgerung abgewichen worden. Billigkeitsgrüude erfordern
die Aufhebung der Duellparagraphen. Zwischen einem Mörder und dem, welcher
in leichtfertiger Weise ein Duell heraufbeschwört und daun seinen unschuldigen,
friedliebenden Gegnc-r tötet, besteht kein Unterschied der Strafwürdigkeit.
Ebensowenig besteht ein Unterschied der Straflosigkeit zwischen dem, welcher
einen rohe», ihn mit dem Knotenstock überfallenden Gesellen niederschlägt, und
demjenigen, welcher sein durch ein leichtfertiges Duell angegriffenes Leben da- '
durch verteidigt, daß er seinen Gegner tötet. Wenn der Mörder mit dem Tode be¬
straft wird, warum nicht auch jener leichtfertige Duellant? Wenn jener Überfallene
wegen Notwehr freigesprochen wird, warum nicht auch jeuer schuldlose Duellant?*)

Wer so spricht, hat einen wenig geläuterten Gerechtigkeitssinn. Nicht nur
die strengen Regeln des Zweikampfes, sondern vor allem die vor einem solchen



*) Ich habe mich hier möglichst eng an den Gednnkengang und den Wortlaut einer von
einem Gegner meiner Anschauungen gemachten Ausführung angeschlossen.
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[0468] Iweikampf und Strafgesetz. klar, daß der Versuch, durch ein Verbrechen einen an sich nicht strafbaren, son¬ dern nur bei seinem Eintritt infolge des Verbrechens strafschärfender Erfolg zu erzielen, nicht an sich bestraft werden kann, sondern seine Strafe in der Strafe für jenes Verbrechen finden muß, welches den Erfolg nach sich ziehen sollte. Man braucht also nur im Auge zu behalten, daß jede im Zweikampf gegen den Gegner gerichtete Handlung straflos ist, um zu erkennen, daß, wer in § 206 nur eine schwerere Form des bereits im K 206 bezeichneten Verbrechens sieht, den¬ jenigen, welcher seinen Gegner im Zweikampfe zu töten sucht, nicht wegen Versuchs aus Z 206, sondern nur wegen vollendeten Verbrechens aus Z 205 bestrafen kann. Wir fassen zusammen: Der Zweikampf ist kein Verbrechen gegen die Person, sondern ein Verbrechen gegen den Staat; strafbar sind nicht die Angriffe der Parteien aufeinander und die durch diese Augriffe erfolgten Verletzungen, sondern die Ausschließung der Staatsgewalt aus einem Gebiet, auf dem sie allein zu¬ ständig ist. Haben nun diejenigen Recht, welche die Behandlung des Zwei- knmpfes durch das Neichsstrafgesetzbuch in einem besondern Abschnitt als jeg¬ licher rechtlichen Begründung entbehrend bezeichnen? Ist es richtig, daß die in diesen, Abschnitt unter Strafe gestellten Handlungen auch nach andern Para¬ graphen des Reichsstrafgesctzbnches abgeurteilt werden könnten? Nein, gerade das Gegenteil ist der Fall. Die in dem in Rede stehenden Abschnitte aufge¬ führten Staatsverbrechen würden nach Aufhebung desselben straffrei sein, während die in jenen Handlungen enthaltenen, nach geltendem Rechte straffreien, gegen die Person gerichteten Thätigkeiten anderweitigen Strafbestimmungen unterliegen, mithin strafbar sein würden. Das Durchbrechen der Rechte der Staatsgewalten wäre gestattet, und nur gewisse mögliche Erfolge dieses Durchbruches wären ver¬ boten! Man wird zugeben müssen: Die rechtliche Natur des Zweikampfes erheischt auf das gebieterischste die Behandlung desselben als eines besondern Verbrechens. Aber schon wiederholt — sagt man — ist ans Billigkeitsgründen von der strengen juristischen Folgerung abgewichen worden. Billigkeitsgrüude erfordern die Aufhebung der Duellparagraphen. Zwischen einem Mörder und dem, welcher in leichtfertiger Weise ein Duell heraufbeschwört und daun seinen unschuldigen, friedliebenden Gegnc-r tötet, besteht kein Unterschied der Strafwürdigkeit. Ebensowenig besteht ein Unterschied der Straflosigkeit zwischen dem, welcher einen rohe», ihn mit dem Knotenstock überfallenden Gesellen niederschlägt, und demjenigen, welcher sein durch ein leichtfertiges Duell angegriffenes Leben da- ' durch verteidigt, daß er seinen Gegner tötet. Wenn der Mörder mit dem Tode be¬ straft wird, warum nicht auch jener leichtfertige Duellant? Wenn jener Überfallene wegen Notwehr freigesprochen wird, warum nicht auch jeuer schuldlose Duellant?*) Wer so spricht, hat einen wenig geläuterten Gerechtigkeitssinn. Nicht nur die strengen Regeln des Zweikampfes, sondern vor allem die vor einem solchen *) Ich habe mich hier möglichst eng an den Gednnkengang und den Wortlaut einer von einem Gegner meiner Anschauungen gemachten Ausführung angeschlossen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/468>, abgerufen am 23.07.2024.