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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Verfassung des deutschen Reiches im vorigen Jahrhundert.

treibung in gewissen Orten des Reiches, den "Legestädten," Reichs-Pfeuuig-
meister angestellt waren. Der wunderliche Name rührte von dem unter
Karl V. beabsichtigten Römerzuge her, und die Steuer wurde berechnet nach
der Wormser Matrikel von 1521, in welcher die Kosten für einen Reiter auf
zwölf Gulden, für einen Fußknecht auf vier Gulden monatlich festgestellt waren.
Diese Stimmen mußten für jeden Kopf des Kontingents eines Neichsstandes
so oft gezahlt werden, wie der Reichstag Römer-Monate bewilligt hatte.

Nach dem Staatsrechte von Schmalz belief sich der ganze Römer-Monat
auf 88 464 Gulden, eine erbärmliche Summe, die überdies niemals vollständig
einging. Hieraus bildete man dann die Reichs-Operationskasse, aus der die
gauzeu Kohle" eines Neichskrieges bestritten werden sollten, während die Kosten
für Aufstellung und Ausrüstung der einzelnen Truppenteile von den Kreisen
getragen wurden. Wie es also mit dem, was nach dem bekannten Ausspruche
von Montecuceoli zum Kriegführen am nötigsten ist, bei einem Reichskriege
aussah, kann man sich leicht vorstellet". Noch in den zwanziger Jahren dieses
Jahrhunderts mußte der Bundestag zu Frankfurt sich mit Forderungen an die
Reichs-Operationslasse aus dem Jahre 1793 befassen.

Von unregelmäßigen Rcichsstcueru hatte in früheren Jahrzehnten die
Türkensteuer eine große Rolle gespielt; im vorigen Jahrhundert sind jedoch
solche Steuern nicht mehr vorgekommen.

Im engsten Zusammenhange mit den Reichs-Finanzen stand das Neichs-
Heerweseu, und es befand sich selbstverständlich in einem ebenso verrotteten und
verwahrlosten Zustande wie jene.

Durch einen Reichstagsbeschluß vom Jahre 1681 war das ganze Reichs-
heer auf 12 000 Reiter und 28 000 Fußgänger, also auf rund 40 000 Maun.
festgestellt worden. Hierzu mußte jeder der zehn Reichskreise eine bestimmte
Anzahl stellen, welche dann wieder auf die einzelnen Stände des Kreises ver¬
teilt wurde. Die Mannschaft, welche einem Kreise zufiel, nannte man sein
Kontingent.

Um ein Bild von der wunderlichen Verteilung jener 40 000 Mann ans
die Kreise zu geben, seien folgende Ziffern angeführt. Der österreichische Kreis
stellte 8028 Mann, der baierische 800 Mann zu Roß, 1494 Mann zu Fuß,
der schwäbische 1231 Reiter, 2707 Fußgänger, der fränkische 980 zu Pferde,
1902 zu Fuß. Im Jahre 1733 stellte der oberrheinische Kreis an dreifacher
Anzahl 200 Reiter, 6023 Fußgänger; der niederrheinische oder Kurkreis wurde
dem oberrheinischen gleich gerechnet. Das Kontingent des westfälischen, des bur-
gundischen, des ober- und uiedersüchsischeu sollte dem des schwäbischen gleich
sein und etwas weniger als ein Neuntel und mehr als ein Zehntel der gesamten
Streitmacht betragen. Wurde nun der Anteil eines Kreises auf die einzelnen
Stände desselben verteilt, so führte das dazu, daß einzelne unter ihnen einen,
drei oder fünf Manu stellen mußten, oder daß gar z. B. ein hochwürdiger


Die Verfassung des deutschen Reiches im vorigen Jahrhundert.

treibung in gewissen Orten des Reiches, den „Legestädten," Reichs-Pfeuuig-
meister angestellt waren. Der wunderliche Name rührte von dem unter
Karl V. beabsichtigten Römerzuge her, und die Steuer wurde berechnet nach
der Wormser Matrikel von 1521, in welcher die Kosten für einen Reiter auf
zwölf Gulden, für einen Fußknecht auf vier Gulden monatlich festgestellt waren.
Diese Stimmen mußten für jeden Kopf des Kontingents eines Neichsstandes
so oft gezahlt werden, wie der Reichstag Römer-Monate bewilligt hatte.

Nach dem Staatsrechte von Schmalz belief sich der ganze Römer-Monat
auf 88 464 Gulden, eine erbärmliche Summe, die überdies niemals vollständig
einging. Hieraus bildete man dann die Reichs-Operationskasse, aus der die
gauzeu Kohle» eines Neichskrieges bestritten werden sollten, während die Kosten
für Aufstellung und Ausrüstung der einzelnen Truppenteile von den Kreisen
getragen wurden. Wie es also mit dem, was nach dem bekannten Ausspruche
von Montecuceoli zum Kriegführen am nötigsten ist, bei einem Reichskriege
aussah, kann man sich leicht vorstellet«. Noch in den zwanziger Jahren dieses
Jahrhunderts mußte der Bundestag zu Frankfurt sich mit Forderungen an die
Reichs-Operationslasse aus dem Jahre 1793 befassen.

Von unregelmäßigen Rcichsstcueru hatte in früheren Jahrzehnten die
Türkensteuer eine große Rolle gespielt; im vorigen Jahrhundert sind jedoch
solche Steuern nicht mehr vorgekommen.

Im engsten Zusammenhange mit den Reichs-Finanzen stand das Neichs-
Heerweseu, und es befand sich selbstverständlich in einem ebenso verrotteten und
verwahrlosten Zustande wie jene.

Durch einen Reichstagsbeschluß vom Jahre 1681 war das ganze Reichs-
heer auf 12 000 Reiter und 28 000 Fußgänger, also auf rund 40 000 Maun.
festgestellt worden. Hierzu mußte jeder der zehn Reichskreise eine bestimmte
Anzahl stellen, welche dann wieder auf die einzelnen Stände des Kreises ver¬
teilt wurde. Die Mannschaft, welche einem Kreise zufiel, nannte man sein
Kontingent.

Um ein Bild von der wunderlichen Verteilung jener 40 000 Mann ans
die Kreise zu geben, seien folgende Ziffern angeführt. Der österreichische Kreis
stellte 8028 Mann, der baierische 800 Mann zu Roß, 1494 Mann zu Fuß,
der schwäbische 1231 Reiter, 2707 Fußgänger, der fränkische 980 zu Pferde,
1902 zu Fuß. Im Jahre 1733 stellte der oberrheinische Kreis an dreifacher
Anzahl 200 Reiter, 6023 Fußgänger; der niederrheinische oder Kurkreis wurde
dem oberrheinischen gleich gerechnet. Das Kontingent des westfälischen, des bur-
gundischen, des ober- und uiedersüchsischeu sollte dem des schwäbischen gleich
sein und etwas weniger als ein Neuntel und mehr als ein Zehntel der gesamten
Streitmacht betragen. Wurde nun der Anteil eines Kreises auf die einzelnen
Stände desselben verteilt, so führte das dazu, daß einzelne unter ihnen einen,
drei oder fünf Manu stellen mußten, oder daß gar z. B. ein hochwürdiger


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[0366] Die Verfassung des deutschen Reiches im vorigen Jahrhundert. treibung in gewissen Orten des Reiches, den „Legestädten," Reichs-Pfeuuig- meister angestellt waren. Der wunderliche Name rührte von dem unter Karl V. beabsichtigten Römerzuge her, und die Steuer wurde berechnet nach der Wormser Matrikel von 1521, in welcher die Kosten für einen Reiter auf zwölf Gulden, für einen Fußknecht auf vier Gulden monatlich festgestellt waren. Diese Stimmen mußten für jeden Kopf des Kontingents eines Neichsstandes so oft gezahlt werden, wie der Reichstag Römer-Monate bewilligt hatte. Nach dem Staatsrechte von Schmalz belief sich der ganze Römer-Monat auf 88 464 Gulden, eine erbärmliche Summe, die überdies niemals vollständig einging. Hieraus bildete man dann die Reichs-Operationskasse, aus der die gauzeu Kohle» eines Neichskrieges bestritten werden sollten, während die Kosten für Aufstellung und Ausrüstung der einzelnen Truppenteile von den Kreisen getragen wurden. Wie es also mit dem, was nach dem bekannten Ausspruche von Montecuceoli zum Kriegführen am nötigsten ist, bei einem Reichskriege aussah, kann man sich leicht vorstellet«. Noch in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts mußte der Bundestag zu Frankfurt sich mit Forderungen an die Reichs-Operationslasse aus dem Jahre 1793 befassen. Von unregelmäßigen Rcichsstcueru hatte in früheren Jahrzehnten die Türkensteuer eine große Rolle gespielt; im vorigen Jahrhundert sind jedoch solche Steuern nicht mehr vorgekommen. Im engsten Zusammenhange mit den Reichs-Finanzen stand das Neichs- Heerweseu, und es befand sich selbstverständlich in einem ebenso verrotteten und verwahrlosten Zustande wie jene. Durch einen Reichstagsbeschluß vom Jahre 1681 war das ganze Reichs- heer auf 12 000 Reiter und 28 000 Fußgänger, also auf rund 40 000 Maun. festgestellt worden. Hierzu mußte jeder der zehn Reichskreise eine bestimmte Anzahl stellen, welche dann wieder auf die einzelnen Stände des Kreises ver¬ teilt wurde. Die Mannschaft, welche einem Kreise zufiel, nannte man sein Kontingent. Um ein Bild von der wunderlichen Verteilung jener 40 000 Mann ans die Kreise zu geben, seien folgende Ziffern angeführt. Der österreichische Kreis stellte 8028 Mann, der baierische 800 Mann zu Roß, 1494 Mann zu Fuß, der schwäbische 1231 Reiter, 2707 Fußgänger, der fränkische 980 zu Pferde, 1902 zu Fuß. Im Jahre 1733 stellte der oberrheinische Kreis an dreifacher Anzahl 200 Reiter, 6023 Fußgänger; der niederrheinische oder Kurkreis wurde dem oberrheinischen gleich gerechnet. Das Kontingent des westfälischen, des bur- gundischen, des ober- und uiedersüchsischeu sollte dem des schwäbischen gleich sein und etwas weniger als ein Neuntel und mehr als ein Zehntel der gesamten Streitmacht betragen. Wurde nun der Anteil eines Kreises auf die einzelnen Stände desselben verteilt, so führte das dazu, daß einzelne unter ihnen einen, drei oder fünf Manu stellen mußten, oder daß gar z. B. ein hochwürdiger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/366>, abgerufen am 23.07.2024.