Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Kleinere Mitteilungen. halten darf. Wir haben ihn den andern der Weimarischen Diosknrcnfeinde genannt, Geflügeltes. Die Besprechung der neuen Auflage von Bttchmanu in Ur. 3V Kleinere Mitteilungen. halten darf. Wir haben ihn den andern der Weimarischen Diosknrcnfeinde genannt, Geflügeltes. Die Besprechung der neuen Auflage von Bttchmanu in Ur. 3V <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201087"/> <fw type="header" place="top"> Kleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_880" prev="#ID_879"> halten darf. Wir haben ihn den andern der Weimarischen Diosknrcnfeinde genannt,<lb/> und er ist wirklich der zweite Führer jener literarischen Partei im damaligen<lb/> Weimar und Deutschland, die gegen die Doppelherrschaft Goethes und Schillers<lb/> „frvndirte" und die in diesen Blättern unter dem Titel „Die Unzufriedenen in der<lb/> Schiller-Goethe-Zeit" schon einmal ihr literarisches Denkmal gefunden hat. Der<lb/> eine und zugleich der erste von ihnen hieß August vou Kotzebue. Er verlangt<lb/> schon deshalb den Vortritt, weil man ihn doch wenigstens dem Namen nach noch<lb/> sehr gut kennt, während man den „charmanter kleinen Merkel" (Goethe) so gründlich<lb/> vergessen hat, daß selbst der Literaturforscher sich erst auf den Namen besinnen muß.<lb/> Wieder ein Beweis, daß mau etwas ganz sein muß im Guten wie im Schlimmen,<lb/> um auf die Nachwelt zu kommen. Und ganz so schlimm war der hübsche, kleine<lb/> Livländer gar nicht, der mit der unbefangenen Absicht, ein Stück Voltaire zu spielen,<lb/> sicherlich mit einer derartigen Ansicht Von sich selbst zu Ende des vorigen Jahr¬<lb/> hunderts nach Deutschland kam und nun anfangs sehr erstaunt, später erklärlicher¬<lb/> weise sehr erbost war, eine andre Zeit, ein andres Land und darin ganz andre<lb/> Geister zu finden als Voltaire. Ja die aus den schlimmen Seiten seiner Natur<lb/> entsprungenen Einwirkungen auf unsre Geistesgeschichte (sogar die literarischen<lb/> Flegeleien gegen Schiller in seiner verbreiteten Berliner Zeitung „Der Freimütige")<lb/> sind bei ihrer Erfolglosigkeit lange nicht so schlimm, als der offenbar durch seine<lb/> guten erlangte Einfluß ans Herder, welcher ohne Frage sehr viel zu dem un-<lb/> erfreulichen und für den großen Mann selbst allcrpeinlichsten Verhalten Herders in<lb/> der Schiller-Goethe-Zeit beitrug. Vergessen aber wollen wir gerade deshalb nicht,<lb/> daß dieser Freund und böse Engel Herders, gleichviel auf welche Weise und aus<lb/> welchen Beweggründen, mit unter den ersten zu einer entschlossenen Erkenntnis der<lb/> einseitigen Lebcnsentwicklung des damaligen Deutschlands gelaugte, und daß eben<lb/> jene Berliner Zeitung, welche die Dramen Schillers mit ebenso leichtfertigen als<lb/> gemeinen Kritiken empfing, derselbe „Freimütige" ist, der in der Vorgeschichte der großen<lb/> nationalen Erhebung von 1813 einen so wichtigen und ehrenvollen Platz einnimmt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Geflügeltes.</head> <p xml:id="ID_881"> Die Besprechung der neuen Auflage von Bttchmanu in Ur. 3V<lb/> d. Bl. nennt unter den vermißten Redensarten auch „Hand vou der Butter!" Da<lb/> haben wir ein köstliches Beispiel für die Wanderungen und Wandlungen des Ge¬<lb/> flügelten. Das Wort stammt aus Süddeutschland und kündet in Oesterreich richtig und<lb/> vollständig „Hand von der Butten, 's sind Weinbeerln drin!" Butte ist das Holzgefäß,<lb/> in welchem Trauben, Gemüse u. dergl. auf den Markt gebracht werden; die Warnung<lb/> richtet sich also gegen Näscher im weitesten Sinne. Aus dem im Norden unver¬<lb/> ständlichen Butte, das als Bütte eine etwas andre Bedeutung hat, ist nun, wie<lb/> wir sehen, Butter geworden, und damit anch der Sinn des Wortes verändert.<lb/> Bei diesem Anlaß sei noch eins erwähnt. In den ersten Auflagen des genannten<lb/> Buches war angegeben, das Wort viltomniei!, v^vario/. werde dem Basilio im<lb/> „Barbier von Sevilla" in den Mund gelegt, komme aber dort nicht vor. Jetzt ist<lb/> es weggelassen worden. Das Zitat ist aber wirklich dem „Barbier" entnommen,<lb/> freilich nicht Beaumarchais' Kombdie, sondern dem Texte zu Rossinis Oper.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0308]
Kleinere Mitteilungen.
halten darf. Wir haben ihn den andern der Weimarischen Diosknrcnfeinde genannt,
und er ist wirklich der zweite Führer jener literarischen Partei im damaligen
Weimar und Deutschland, die gegen die Doppelherrschaft Goethes und Schillers
„frvndirte" und die in diesen Blättern unter dem Titel „Die Unzufriedenen in der
Schiller-Goethe-Zeit" schon einmal ihr literarisches Denkmal gefunden hat. Der
eine und zugleich der erste von ihnen hieß August vou Kotzebue. Er verlangt
schon deshalb den Vortritt, weil man ihn doch wenigstens dem Namen nach noch
sehr gut kennt, während man den „charmanter kleinen Merkel" (Goethe) so gründlich
vergessen hat, daß selbst der Literaturforscher sich erst auf den Namen besinnen muß.
Wieder ein Beweis, daß mau etwas ganz sein muß im Guten wie im Schlimmen,
um auf die Nachwelt zu kommen. Und ganz so schlimm war der hübsche, kleine
Livländer gar nicht, der mit der unbefangenen Absicht, ein Stück Voltaire zu spielen,
sicherlich mit einer derartigen Ansicht Von sich selbst zu Ende des vorigen Jahr¬
hunderts nach Deutschland kam und nun anfangs sehr erstaunt, später erklärlicher¬
weise sehr erbost war, eine andre Zeit, ein andres Land und darin ganz andre
Geister zu finden als Voltaire. Ja die aus den schlimmen Seiten seiner Natur
entsprungenen Einwirkungen auf unsre Geistesgeschichte (sogar die literarischen
Flegeleien gegen Schiller in seiner verbreiteten Berliner Zeitung „Der Freimütige")
sind bei ihrer Erfolglosigkeit lange nicht so schlimm, als der offenbar durch seine
guten erlangte Einfluß ans Herder, welcher ohne Frage sehr viel zu dem un-
erfreulichen und für den großen Mann selbst allcrpeinlichsten Verhalten Herders in
der Schiller-Goethe-Zeit beitrug. Vergessen aber wollen wir gerade deshalb nicht,
daß dieser Freund und böse Engel Herders, gleichviel auf welche Weise und aus
welchen Beweggründen, mit unter den ersten zu einer entschlossenen Erkenntnis der
einseitigen Lebcnsentwicklung des damaligen Deutschlands gelaugte, und daß eben
jene Berliner Zeitung, welche die Dramen Schillers mit ebenso leichtfertigen als
gemeinen Kritiken empfing, derselbe „Freimütige" ist, der in der Vorgeschichte der großen
nationalen Erhebung von 1813 einen so wichtigen und ehrenvollen Platz einnimmt.
Geflügeltes. Die Besprechung der neuen Auflage von Bttchmanu in Ur. 3V
d. Bl. nennt unter den vermißten Redensarten auch „Hand vou der Butter!" Da
haben wir ein köstliches Beispiel für die Wanderungen und Wandlungen des Ge¬
flügelten. Das Wort stammt aus Süddeutschland und kündet in Oesterreich richtig und
vollständig „Hand von der Butten, 's sind Weinbeerln drin!" Butte ist das Holzgefäß,
in welchem Trauben, Gemüse u. dergl. auf den Markt gebracht werden; die Warnung
richtet sich also gegen Näscher im weitesten Sinne. Aus dem im Norden unver¬
ständlichen Butte, das als Bütte eine etwas andre Bedeutung hat, ist nun, wie
wir sehen, Butter geworden, und damit anch der Sinn des Wortes verändert.
Bei diesem Anlaß sei noch eins erwähnt. In den ersten Auflagen des genannten
Buches war angegeben, das Wort viltomniei!, v^vario/. werde dem Basilio im
„Barbier von Sevilla" in den Mund gelegt, komme aber dort nicht vor. Jetzt ist
es weggelassen worden. Das Zitat ist aber wirklich dem „Barbier" entnommen,
freilich nicht Beaumarchais' Kombdie, sondern dem Texte zu Rossinis Oper.
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