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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Gberschlesien und seine Germanisirung.

lischer Seite noch keine nennenswerten Änderungen wahrgenommen. Hie und
da haben einige wenige Geistliche den Anfang gemacht, den Beicht- und Kom-
munionunterricht nur in deutscher Sprache zu erteilen. Im allgemeinen ist es
jedoch beim Alten geblieben. Soll es aber mit der Förderung der deutschen
Sprache und des deutschen Wesens unter den Oberschlesicrn, die trotz ihrer
polnischen Sprache keine Polen sein wollen, vorwärts gehen, so ist es dringend
notwendig, daß auch von der katholischen Geistlichkeit das gleiche Entgegen¬
kommen gezeigt werde, wie von der evangelischen. Die Staatsregierung wird
sich daher der Verpflichtung nicht entziehen können, sobald der erledigte fürst-
bischöfliche Stuhl in Breslau wieder besetzt sein wird, mit allem Nachdruck auf
die Änderung der bisherigen Zustände zu dringen. Dadurch daß die Staats-
regierung im Nachtragsetat für 1886/87, um die deutschen Minderheiten in
gemischtsprachigen Bezirken zu erhalten, zur Gründung neuer, wie zur besseren
Ausstattung der bestehenden deutschen und gemischtsprachigen Volksschulen auch
für Oberschlesien eine nicht unbedeutende Summe ausgeworfen und mit aner¬
kennenswerter Beschleunigung diese Summe hierfür verwendet hat, ist dem
geschilderten Mißstände nicht abgeholfen worden. Es bleibt noch immer zu
erstreben, daß die Geistlichkeit der Weiterverbreitung der deutschen Sprache kein
Hindernis mehr in den Weg legt, sondern auch in dieser Beziehung die Absichten
der Staatsregierung, die ja lediglich im eigensten Interesse der gesamten Be¬
völkerung Oberschlesiens liegen, loyal unterstützt und fördert.

Aber auch in noch andrer Weise als durch die Volksschule wird die
Weiterverbreitung und Befestigung der deutschen Sprache in Oberschlesien zu
erstreben sein. Als eine sehr wichtige Hilfe wird dabei das Fortbildungsschul-
wcseu in Betracht kommen müssen.

Die Kenntnis der deutschen Sprache ist nämlich den mit vollendetem vier¬
zehnten Lebensjahre aus der Schule entlassenen Kindern nichtdeutscher Sprache
noch viel zu wenig in Fleisch und Blut übergegangen. Und zwar gilt dies
in der Regel noch mehr von den Kindern auf dem Lande, als von denen in
der Stadt, weil jene außerhalb der Schule oft kein deutsches Wort hören.
Bleiben nun solche Kinder in einer Gegend, in der die polnische Sprache die
ausschließliche Umgangssprache ist, so werden sie, da sie dort auch in der
Kirche selten Deutsch hören werden, bald ihre Kenntnis des Deutschen wieder
verlieren. Hier müssen die Fortbildungsschulen eintreten, und zwar sind die
ländlichen Fortbildungsschulen dazu eher nötig als die städtischen. Über die Not¬
wendigkeit der Fortbildungsschulen im allgemeinen noch etwas anzuführen ist
wohl überflüssig, wir wollen nur darauf hinweisen, daß erst auf der diesjährigen
allgemeinen deutscheu Leserversammlung in Gotha die Notwendigkeit der
Gründung städtischer Fortbildungsschulen einen^der Hauptgegenstände der Ver¬
handlungen gebildet hat. Was dort im allgemeinen über die Notwendigkeit der
Befestigung und Ergänzung der Schulkenntnisse durch die Fortbildungsschulen


Gberschlesien und seine Germanisirung.

lischer Seite noch keine nennenswerten Änderungen wahrgenommen. Hie und
da haben einige wenige Geistliche den Anfang gemacht, den Beicht- und Kom-
munionunterricht nur in deutscher Sprache zu erteilen. Im allgemeinen ist es
jedoch beim Alten geblieben. Soll es aber mit der Förderung der deutschen
Sprache und des deutschen Wesens unter den Oberschlesicrn, die trotz ihrer
polnischen Sprache keine Polen sein wollen, vorwärts gehen, so ist es dringend
notwendig, daß auch von der katholischen Geistlichkeit das gleiche Entgegen¬
kommen gezeigt werde, wie von der evangelischen. Die Staatsregierung wird
sich daher der Verpflichtung nicht entziehen können, sobald der erledigte fürst-
bischöfliche Stuhl in Breslau wieder besetzt sein wird, mit allem Nachdruck auf
die Änderung der bisherigen Zustände zu dringen. Dadurch daß die Staats-
regierung im Nachtragsetat für 1886/87, um die deutschen Minderheiten in
gemischtsprachigen Bezirken zu erhalten, zur Gründung neuer, wie zur besseren
Ausstattung der bestehenden deutschen und gemischtsprachigen Volksschulen auch
für Oberschlesien eine nicht unbedeutende Summe ausgeworfen und mit aner¬
kennenswerter Beschleunigung diese Summe hierfür verwendet hat, ist dem
geschilderten Mißstände nicht abgeholfen worden. Es bleibt noch immer zu
erstreben, daß die Geistlichkeit der Weiterverbreitung der deutschen Sprache kein
Hindernis mehr in den Weg legt, sondern auch in dieser Beziehung die Absichten
der Staatsregierung, die ja lediglich im eigensten Interesse der gesamten Be¬
völkerung Oberschlesiens liegen, loyal unterstützt und fördert.

Aber auch in noch andrer Weise als durch die Volksschule wird die
Weiterverbreitung und Befestigung der deutschen Sprache in Oberschlesien zu
erstreben sein. Als eine sehr wichtige Hilfe wird dabei das Fortbildungsschul-
wcseu in Betracht kommen müssen.

Die Kenntnis der deutschen Sprache ist nämlich den mit vollendetem vier¬
zehnten Lebensjahre aus der Schule entlassenen Kindern nichtdeutscher Sprache
noch viel zu wenig in Fleisch und Blut übergegangen. Und zwar gilt dies
in der Regel noch mehr von den Kindern auf dem Lande, als von denen in
der Stadt, weil jene außerhalb der Schule oft kein deutsches Wort hören.
Bleiben nun solche Kinder in einer Gegend, in der die polnische Sprache die
ausschließliche Umgangssprache ist, so werden sie, da sie dort auch in der
Kirche selten Deutsch hören werden, bald ihre Kenntnis des Deutschen wieder
verlieren. Hier müssen die Fortbildungsschulen eintreten, und zwar sind die
ländlichen Fortbildungsschulen dazu eher nötig als die städtischen. Über die Not¬
wendigkeit der Fortbildungsschulen im allgemeinen noch etwas anzuführen ist
wohl überflüssig, wir wollen nur darauf hinweisen, daß erst auf der diesjährigen
allgemeinen deutscheu Leserversammlung in Gotha die Notwendigkeit der
Gründung städtischer Fortbildungsschulen einen^der Hauptgegenstände der Ver¬
handlungen gebildet hat. Was dort im allgemeinen über die Notwendigkeit der
Befestigung und Ergänzung der Schulkenntnisse durch die Fortbildungsschulen


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[0270] Gberschlesien und seine Germanisirung. lischer Seite noch keine nennenswerten Änderungen wahrgenommen. Hie und da haben einige wenige Geistliche den Anfang gemacht, den Beicht- und Kom- munionunterricht nur in deutscher Sprache zu erteilen. Im allgemeinen ist es jedoch beim Alten geblieben. Soll es aber mit der Förderung der deutschen Sprache und des deutschen Wesens unter den Oberschlesicrn, die trotz ihrer polnischen Sprache keine Polen sein wollen, vorwärts gehen, so ist es dringend notwendig, daß auch von der katholischen Geistlichkeit das gleiche Entgegen¬ kommen gezeigt werde, wie von der evangelischen. Die Staatsregierung wird sich daher der Verpflichtung nicht entziehen können, sobald der erledigte fürst- bischöfliche Stuhl in Breslau wieder besetzt sein wird, mit allem Nachdruck auf die Änderung der bisherigen Zustände zu dringen. Dadurch daß die Staats- regierung im Nachtragsetat für 1886/87, um die deutschen Minderheiten in gemischtsprachigen Bezirken zu erhalten, zur Gründung neuer, wie zur besseren Ausstattung der bestehenden deutschen und gemischtsprachigen Volksschulen auch für Oberschlesien eine nicht unbedeutende Summe ausgeworfen und mit aner¬ kennenswerter Beschleunigung diese Summe hierfür verwendet hat, ist dem geschilderten Mißstände nicht abgeholfen worden. Es bleibt noch immer zu erstreben, daß die Geistlichkeit der Weiterverbreitung der deutschen Sprache kein Hindernis mehr in den Weg legt, sondern auch in dieser Beziehung die Absichten der Staatsregierung, die ja lediglich im eigensten Interesse der gesamten Be¬ völkerung Oberschlesiens liegen, loyal unterstützt und fördert. Aber auch in noch andrer Weise als durch die Volksschule wird die Weiterverbreitung und Befestigung der deutschen Sprache in Oberschlesien zu erstreben sein. Als eine sehr wichtige Hilfe wird dabei das Fortbildungsschul- wcseu in Betracht kommen müssen. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist nämlich den mit vollendetem vier¬ zehnten Lebensjahre aus der Schule entlassenen Kindern nichtdeutscher Sprache noch viel zu wenig in Fleisch und Blut übergegangen. Und zwar gilt dies in der Regel noch mehr von den Kindern auf dem Lande, als von denen in der Stadt, weil jene außerhalb der Schule oft kein deutsches Wort hören. Bleiben nun solche Kinder in einer Gegend, in der die polnische Sprache die ausschließliche Umgangssprache ist, so werden sie, da sie dort auch in der Kirche selten Deutsch hören werden, bald ihre Kenntnis des Deutschen wieder verlieren. Hier müssen die Fortbildungsschulen eintreten, und zwar sind die ländlichen Fortbildungsschulen dazu eher nötig als die städtischen. Über die Not¬ wendigkeit der Fortbildungsschulen im allgemeinen noch etwas anzuführen ist wohl überflüssig, wir wollen nur darauf hinweisen, daß erst auf der diesjährigen allgemeinen deutscheu Leserversammlung in Gotha die Notwendigkeit der Gründung städtischer Fortbildungsschulen einen^der Hauptgegenstände der Ver¬ handlungen gebildet hat. Was dort im allgemeinen über die Notwendigkeit der Befestigung und Ergänzung der Schulkenntnisse durch die Fortbildungsschulen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/270>, abgerufen am 23.07.2024.