Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.Theodor Fontanes Roman Lenne. gesucht, sie war darin geboren, sie kennt es nicht anders, und als der lauge Theodor Fontanes Roman Lenne. gesucht, sie war darin geboren, sie kennt es nicht anders, und als der lauge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200920"/> <fw type="header" place="top"> Theodor Fontanes Roman Lenne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_465" prev="#ID_464" next="#ID_466"> gesucht, sie war darin geboren, sie kennt es nicht anders, und als der lauge<lb/> erwartete kam, nach dem man vielleicht schon bei Lebzeiten des Vaters aus¬<lb/> geschaut hatte, da hat sie nicht nein gesagt. Woher sollte sie dies „nein" auch<lb/> nehmen? Ich wette, sie hat nicht einmal an die Möglichkeit gedacht, daß man<lb/> auch „nein" sagen könne; die Mutter hätte sie für närrisch gehalten und sie<lb/> sich selber auch." Gordon setzt also seine Besuche bei den Se. Arnauds fort,<lb/> oder vielmehr er macht eiuen Besuch, bei dem er Canna leidend antrifft. Und<lb/> die Dinge, die er inzwischen erfahren hat, äußern seinem besten Willen zum Trotz<lb/> eine geheime Wirkung, er schlägt einen Ton gegen die schöne Frau an, der sie<lb/> zu der Beschwörung veranlaßt: „Nein, Herr von Gordon, uicht so. Bleiben<lb/> Sie mir, was sie waren. Machen Sie mir mein Leben leicht, statt es mir<lb/> schwer zu mache», stehen Sie mir bei, helfen Sie mir in allem, was ich soll<lb/> und muß, und täuschen Sie nicht das Vertrauen, oder wozu soll ich es ver¬<lb/> schweige», das herzliche Gefühl, das ich Ihnen von Anfang an entgegenbrachte."<lb/> Und sie sagt ihm weiter, daß sie Schuld genug gesehen und bei einer bestimmten<lb/> Gelegenheit sich geschworen habe, keine Schuld weiter auf sich zu laden. Gordon<lb/> fühlt, daß sie Recht hat, und er fühlt es noch mehr, als ihm ein Brief der<lb/> schönen Fran die Pflicht der Trennung nahe legt. Er entschließt sich auch,<lb/> auf der Stelle abzureisen. Er hofft wieder nach Indien geschickt zu werde»<lb/> und auf de» Schuecpässeu des Himalaha ohne Schuld und Vorwurf an die<lb/> schöne Frau deuten zu können; statt dessen reist er kaum eiuen Monat später<lb/> abermals nach Berlin zurück. Er besticht eine Vorstellung des „Tannhäuser"<lb/> im Opernhause, und gewahrt hier zu seinemund ihrem Verhängnis Cccile, die<lb/> mit einem Geheimrat Hedemeyer (den er in Se. Arnauds Hause kennen gelernt<lb/> hat und der ohne Frage die widerwärtigste der dort verkehrenden bedenklichen<lb/> Persönlichkeiten ist) in einer Loge sitzt. Bei diesen? Anblick vergißt Herr von<lb/> Gordon, wie die Dinge liege«, daß Frau vou Se. Arnaud die Huldigungen<lb/> des Geheimrates, der ihrl gleichgiltig und unsympathisch ist, leicht nehmen und<lb/> hinnehmen kaun, während sie seine, Gordons Huldigungen, wie sie ja ehrlich<lb/> eingestanden hat, fürchten muß. Eine Art Schwindel, ein Gefühl tollster<lb/> Eifersucht überkommt ihn, er wirft hinter sich, was er von dieser Frau weiß,<lb/> und hat nur die eine wahnsinnige Furcht, der Betrogene zu sein, der ritterlich<lb/> und ehrlich resignirt hat, während der hämische, spitze, frivole Geheimrat der<lb/> Beglückte ist. So thut er nnverantworliche Dinge, er sucht Frau vou<lb/> Se. Arnaud in ihrer Loge, dann noch am späten Abend in ihrer Wohnung ans<lb/> und beleidigt sie, obschon sie noch einmal aus ihrer innersten Seele heraus zu<lb/> ihm spricht. Er hat eben den Glauben und das Vertrauen zu ihrer bessern<lb/> Natur, ihre» edleren Vorsätzen verloren, welche er vorher besesse». Die Strafe<lb/> für sei» unritterliches Verhalten ereilt ihn auf dem Fuße. Herr von Se. Ar¬<lb/> naud, welcher vou dem Auftreten seines Bekannten Kenntnis erhält, hat, wie<lb/> bei dieser Gelegenheit zu Tage tritt, Herrn von Gordo» schon längst gehaßt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
Theodor Fontanes Roman Lenne.
gesucht, sie war darin geboren, sie kennt es nicht anders, und als der lauge
erwartete kam, nach dem man vielleicht schon bei Lebzeiten des Vaters aus¬
geschaut hatte, da hat sie nicht nein gesagt. Woher sollte sie dies „nein" auch
nehmen? Ich wette, sie hat nicht einmal an die Möglichkeit gedacht, daß man
auch „nein" sagen könne; die Mutter hätte sie für närrisch gehalten und sie
sich selber auch." Gordon setzt also seine Besuche bei den Se. Arnauds fort,
oder vielmehr er macht eiuen Besuch, bei dem er Canna leidend antrifft. Und
die Dinge, die er inzwischen erfahren hat, äußern seinem besten Willen zum Trotz
eine geheime Wirkung, er schlägt einen Ton gegen die schöne Frau an, der sie
zu der Beschwörung veranlaßt: „Nein, Herr von Gordon, uicht so. Bleiben
Sie mir, was sie waren. Machen Sie mir mein Leben leicht, statt es mir
schwer zu mache», stehen Sie mir bei, helfen Sie mir in allem, was ich soll
und muß, und täuschen Sie nicht das Vertrauen, oder wozu soll ich es ver¬
schweige», das herzliche Gefühl, das ich Ihnen von Anfang an entgegenbrachte."
Und sie sagt ihm weiter, daß sie Schuld genug gesehen und bei einer bestimmten
Gelegenheit sich geschworen habe, keine Schuld weiter auf sich zu laden. Gordon
fühlt, daß sie Recht hat, und er fühlt es noch mehr, als ihm ein Brief der
schönen Fran die Pflicht der Trennung nahe legt. Er entschließt sich auch,
auf der Stelle abzureisen. Er hofft wieder nach Indien geschickt zu werde»
und auf de» Schuecpässeu des Himalaha ohne Schuld und Vorwurf an die
schöne Frau deuten zu können; statt dessen reist er kaum eiuen Monat später
abermals nach Berlin zurück. Er besticht eine Vorstellung des „Tannhäuser"
im Opernhause, und gewahrt hier zu seinemund ihrem Verhängnis Cccile, die
mit einem Geheimrat Hedemeyer (den er in Se. Arnauds Hause kennen gelernt
hat und der ohne Frage die widerwärtigste der dort verkehrenden bedenklichen
Persönlichkeiten ist) in einer Loge sitzt. Bei diesen? Anblick vergißt Herr von
Gordon, wie die Dinge liege«, daß Frau vou Se. Arnaud die Huldigungen
des Geheimrates, der ihrl gleichgiltig und unsympathisch ist, leicht nehmen und
hinnehmen kaun, während sie seine, Gordons Huldigungen, wie sie ja ehrlich
eingestanden hat, fürchten muß. Eine Art Schwindel, ein Gefühl tollster
Eifersucht überkommt ihn, er wirft hinter sich, was er von dieser Frau weiß,
und hat nur die eine wahnsinnige Furcht, der Betrogene zu sein, der ritterlich
und ehrlich resignirt hat, während der hämische, spitze, frivole Geheimrat der
Beglückte ist. So thut er nnverantworliche Dinge, er sucht Frau vou
Se. Arnaud in ihrer Loge, dann noch am späten Abend in ihrer Wohnung ans
und beleidigt sie, obschon sie noch einmal aus ihrer innersten Seele heraus zu
ihm spricht. Er hat eben den Glauben und das Vertrauen zu ihrer bessern
Natur, ihre» edleren Vorsätzen verloren, welche er vorher besesse». Die Strafe
für sei» unritterliches Verhalten ereilt ihn auf dem Fuße. Herr von Se. Ar¬
naud, welcher vou dem Auftreten seines Bekannten Kenntnis erhält, hat, wie
bei dieser Gelegenheit zu Tage tritt, Herrn von Gordo» schon längst gehaßt,
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