Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Ungehaltene ^ Reden eines Nichtgewählten. vom gestrigen Tage kann natürlich niemand besser lösen, als der diplomatische Was sagen Sie min, meine Herren Konservativen und Nationallibcralen? Ungehaltene ^ Reden eines Nichtgewählten. vom gestrigen Tage kann natürlich niemand besser lösen, als der diplomatische Was sagen Sie min, meine Herren Konservativen und Nationallibcralen? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200203"/> <fw type="header" place="top"> Ungehaltene ^ Reden eines Nichtgewählten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_280" prev="#ID_279"> vom gestrigen Tage kann natürlich niemand besser lösen, als der diplomatische<lb/> Korrespondent der Freisinnigen, der Nvssischen, des Berliner Tageblattes und<lb/> andrer Organe, welche ihre Feder nur in die Milch der frommen Wahrheits¬<lb/> liebe tauchen. Erfahren Sie denn, daß das Schwert noch keineswegs im Hinter¬<lb/> grunde der Wagschale schlummert. Angesichts Ihres Werten begab ich mich<lb/> zu meinem Freunde Boulanger, schlug ihn nach französischer Manier auf den<lb/> Bauch und sagte: Ohne Umstände, General, bergen Sie Krieg oder Frieden in<lb/> den Falten Ihres Paletots? Sie begreisen, daß ich für den erster» Fall Mund¬<lb/> vorrat einkaufen und meinen Revolver putzen lassen müßte. Er lächelte fein<lb/> und sagte: Kommen Sie, alter Schwede (visux LuväoiL). Darauf führte er<lb/> mich in das Arsenal, öffnete eine große Kiste mit der Aufschrift »Munition«<lb/> und ließ mich hineinsehen. Was sah ich? Nichts als Cigaretten. Ich hielt<lb/> sie zuerst für eine neue Art von Patronen, aber er sagte: Greifen Sie unbesorgt<lb/> zu (MouÄM Ä 8S.N8 xsur, t"v.ro.on8 1-i vigu-rötto no Mix). Und richtig, es war<lb/> Laferme. Denn trat er an eine Mitrailleuse, drehte die Kurbel und fragte:<lb/> Riechen Sie nichts? Ich schnupperte und sagte erstaunt: Ich wittere eher<lb/> Cichorien als Pulver. Ganz recht, antwortete der Minister, wir haben durch<lb/> einen einfachen Mechanismus die Geschütze in Kaffeemühlen verwandelt und<lb/> malen täglich den Vorrat für ganz Paris. Das giebt eine ganz nette kleine<lb/> Einnahme, besonders da wir tüchtig Fichtenrinde darunter mischen. — Also<lb/> ist es garnichts mit der Kriegsbereitschaft? — Garnichts (a«8W «uit, ron). —<lb/> O, brechen Sie dies rätselhafte Reden, bat ich, alle Welt behauptet doch,<lb/> Sie wollten des Kanonenballs fürchterlichen Pfad entfesseln. — Alter Freund,<lb/> ich möchte wohl, aber es geht nicht. Eure Generale sind uns über (8ur).<lb/> Wenn es lvsginge, würde Mr. Nicktere bei seinem glühenden Patriotismus<lb/> nicht umhinkönnen, den Oberbefehl zu übernehmen; dazu Mr. Virechcmd (er<lb/> meinte Virchow) als Generalstabs-Chef, Mr. Vindvrst an der spitze der<lb/> schweren Kavallerie, Mr. Grilleberger mit der Artillerie. ... ^it, nron -rrui,<lb/> wenn die anfangen zu rede», sind wir geliefert (lournis). Was Sie hier ge¬<lb/> sehen haben, dürfen Sie nicht weiter erzählen, denn wenn Rochefort erführe,<lb/> wie es in unsern Zeughäusern steht, gäbe es wieder einen Mordspektakel (8pocz-<lb/> t-rois et'Ä8L!r88und)). Doch gehe ich jetzt auch offiziell mit der Abrüstung vor.<lb/> Ich hatte ein Paar neue Reitstiefel bestellt, weil meine alten etwas drücken,<lb/> habe aber die Bestellung rückgängig gemacht. Morgen kommt eS in die Zeitungen.<lb/> Will nun Bismarck nicht als Friedensstörer dastehen, so muß er unserm Bei¬<lb/> spiele folgen. — Und was erwarten Sie in diesem Falle von Deutschland,<lb/> General? — Daß es seine halbe Armee entläßt und die andre Hülste nach<lb/> Kamerun schickt; wir sind bereit, Transportschiffe dazu zu leihen. Sind diese<lb/> beiden Maßregeln ausgeführt, so können Rußland und Frankreich auch ihre Ver¬<lb/> fügungen treffen, aber bis dahin sehen sie sich fortwährend von Deutschland be¬<lb/> droht. — Ich dankte tief bewegt dem Minister für seine Aufklärungen und empfahl<lb/> mich. Sie sehen also: noch rast nicht der See, das Strahlende zu schwärzen,<lb/> womit ich die Ehre habe u. s. w."</p><lb/> <p xml:id="ID_281"> Was sagen Sie min, meine Herren Konservativen und Nationallibcralen?<lb/> Jetzt müssen Sie zugestehen, daß unsre Quellen besser waren als die Ihren,<lb/> und mit der nationalen Entrüstung ist es nichts, dafür kommt die Abrüstung.<lb/> Wenn sie sich überhaupt nur nicht damit befassen wollten, öffentliche Meinung<lb/> zu machen, das verstehen wir besser.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
Ungehaltene ^ Reden eines Nichtgewählten.
vom gestrigen Tage kann natürlich niemand besser lösen, als der diplomatische
Korrespondent der Freisinnigen, der Nvssischen, des Berliner Tageblattes und
andrer Organe, welche ihre Feder nur in die Milch der frommen Wahrheits¬
liebe tauchen. Erfahren Sie denn, daß das Schwert noch keineswegs im Hinter¬
grunde der Wagschale schlummert. Angesichts Ihres Werten begab ich mich
zu meinem Freunde Boulanger, schlug ihn nach französischer Manier auf den
Bauch und sagte: Ohne Umstände, General, bergen Sie Krieg oder Frieden in
den Falten Ihres Paletots? Sie begreisen, daß ich für den erster» Fall Mund¬
vorrat einkaufen und meinen Revolver putzen lassen müßte. Er lächelte fein
und sagte: Kommen Sie, alter Schwede (visux LuväoiL). Darauf führte er
mich in das Arsenal, öffnete eine große Kiste mit der Aufschrift »Munition«
und ließ mich hineinsehen. Was sah ich? Nichts als Cigaretten. Ich hielt
sie zuerst für eine neue Art von Patronen, aber er sagte: Greifen Sie unbesorgt
zu (MouÄM Ä 8S.N8 xsur, t"v.ro.on8 1-i vigu-rötto no Mix). Und richtig, es war
Laferme. Denn trat er an eine Mitrailleuse, drehte die Kurbel und fragte:
Riechen Sie nichts? Ich schnupperte und sagte erstaunt: Ich wittere eher
Cichorien als Pulver. Ganz recht, antwortete der Minister, wir haben durch
einen einfachen Mechanismus die Geschütze in Kaffeemühlen verwandelt und
malen täglich den Vorrat für ganz Paris. Das giebt eine ganz nette kleine
Einnahme, besonders da wir tüchtig Fichtenrinde darunter mischen. — Also
ist es garnichts mit der Kriegsbereitschaft? — Garnichts (a«8W «uit, ron). —
O, brechen Sie dies rätselhafte Reden, bat ich, alle Welt behauptet doch,
Sie wollten des Kanonenballs fürchterlichen Pfad entfesseln. — Alter Freund,
ich möchte wohl, aber es geht nicht. Eure Generale sind uns über (8ur).
Wenn es lvsginge, würde Mr. Nicktere bei seinem glühenden Patriotismus
nicht umhinkönnen, den Oberbefehl zu übernehmen; dazu Mr. Virechcmd (er
meinte Virchow) als Generalstabs-Chef, Mr. Vindvrst an der spitze der
schweren Kavallerie, Mr. Grilleberger mit der Artillerie. ... ^it, nron -rrui,
wenn die anfangen zu rede», sind wir geliefert (lournis). Was Sie hier ge¬
sehen haben, dürfen Sie nicht weiter erzählen, denn wenn Rochefort erführe,
wie es in unsern Zeughäusern steht, gäbe es wieder einen Mordspektakel (8pocz-
t-rois et'Ä8L!r88und)). Doch gehe ich jetzt auch offiziell mit der Abrüstung vor.
Ich hatte ein Paar neue Reitstiefel bestellt, weil meine alten etwas drücken,
habe aber die Bestellung rückgängig gemacht. Morgen kommt eS in die Zeitungen.
Will nun Bismarck nicht als Friedensstörer dastehen, so muß er unserm Bei¬
spiele folgen. — Und was erwarten Sie in diesem Falle von Deutschland,
General? — Daß es seine halbe Armee entläßt und die andre Hülste nach
Kamerun schickt; wir sind bereit, Transportschiffe dazu zu leihen. Sind diese
beiden Maßregeln ausgeführt, so können Rußland und Frankreich auch ihre Ver¬
fügungen treffen, aber bis dahin sehen sie sich fortwährend von Deutschland be¬
droht. — Ich dankte tief bewegt dem Minister für seine Aufklärungen und empfahl
mich. Sie sehen also: noch rast nicht der See, das Strahlende zu schwärzen,
womit ich die Ehre habe u. s. w."
Was sagen Sie min, meine Herren Konservativen und Nationallibcralen?
Jetzt müssen Sie zugestehen, daß unsre Quellen besser waren als die Ihren,
und mit der nationalen Entrüstung ist es nichts, dafür kommt die Abrüstung.
Wenn sie sich überhaupt nur nicht damit befassen wollten, öffentliche Meinung
zu machen, das verstehen wir besser.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |