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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

zirkelt andrer Nationalität vereinzelt vorkommenden Gemeinden (unsre Schrift
nennt nur Liebinsdorf an der mährischen, Kößlersdorf um der niederöster-
reichischcn Grenze und die Stadt Vvhmisch-Aicha) eine Ablösung derselben aus
geographischen Gründen unthunlich, bei andern dagegen nicht schwierig. Schon
1865 wollte das Ministerium Belcredi die tschechische Gemeinde Berkan im
Bezirke Kalsching wegen ihrer Nationalität zu Budweis und Inung-Opvtschna
im Bezirke Postelberg zu Laun schlagen. Haid, die einzige deutsche Gemeinde
des Bezirks Schweinitz, grenzt an den Bezirk Grätzer und ließe sich ohne
Schaden diesem angliedern. Die Gemeinden Albrechtsried und Langcndorf
im Bezirke Schiittenhofen sollten schon einmal durch Beschluß des Land¬
tages mit dem Bezirke Hartmanitz vereinigt werden. Um andre Beispiele zu
übergehen, wurde auch über die Zuweisung der Gemeinde Huttendorf im Be¬
zirke Starkenbach zum Bezirke Hohenelbe vom Landtage bereits verhandelt,
wenn mich noch nicht Beschluß gefaßt. Selbst da, wo ein Bezirk viele Ge¬
meinden der andern Nationalität in sich begreift, begegnet die Bildung von
Bezirken, die nur aus Gemeinden mit einer und derselben Sprache bestehen, in
der Regel keiner unüberwindlichen Schwierigkeit. Die acht tschechischen Ge¬
meinden des Bezirks Leitmeritz liegen auf dem linken Ufer der Elbe, gehörten
schon einmal zum Bezirke Raudnitz und sollten nach der "Neuen Gebietsein¬
teilung des Königreichs Böhmen," welche das Ministerium Belcredi 1865 dem
böhmischen Landtage zur Begutachtung vorlegte, wieder mit ihm vereinigt
werden. Ebenso liegen die tschechischen Gemeinden des Bezirks Lobvsitz an der
Grenze des Bezirks Libochowitz, mit dem sie also leicht verbunden werden
könnten. Die nördlichen deutscheu Gemeinden von Wcißwasser sollten nach jener
Vorlage an Niemes, die andern an Danda fallen. Die von Pölitz sind von
den tschechischen geographisch vollständig getrennt und streben schon seit Jahren
die Bildung eines eignen Gcrichtsbezirks für sie mit dem Mittelpunkte Weckels¬
dorf an, ein Streben, das vom Landtage wiederholt als vollkommen berechtigt
anerkannt worden ist. In dem ausgedehnten Bezirke Leitomischl hängen die
zahlreichen und großen deutschen Gemeinden zusammen, und die Errichtung
eines besondern Gerichtsbezirks für dieselben ist so dringend geboten, daß der
Landtag sich vor einigen Jahren bereits mit ihr beschäftigte. Ähnlich steht
es mit den Bezirken Policla und Neuhaus. Ferner wollte die Regierungs¬
vorlage von 1865 die vierzehn tschechischen Gemeinden des Bezirks Krumau
wegen ihrer Nationalität von diesem ablösen und dem Bezirke Budweis einver¬
leiben. Die Größe des letztern aber und die starke Bevölkerung jener Gemeinden
würden eher die Bildung eines eignen Gerichtsbezirks für dieselben empfehlen.
Ganz selbstverständlich erscheint es, daß in solchen Bezirken, die wie Prachatitz,
Winterberg, Bergreichenstein, Bischofteinitz und Manetin von der Sprachgrenze
in zwei national gleichartige Teile zerlegt werden, die Bezirksgrenze der Sprach¬
grenze folgen sollte. Die deutschen Gemeinden der Gerichtsbezirke Neugedein


Deutsch-böhmische Briefe.

zirkelt andrer Nationalität vereinzelt vorkommenden Gemeinden (unsre Schrift
nennt nur Liebinsdorf an der mährischen, Kößlersdorf um der niederöster-
reichischcn Grenze und die Stadt Vvhmisch-Aicha) eine Ablösung derselben aus
geographischen Gründen unthunlich, bei andern dagegen nicht schwierig. Schon
1865 wollte das Ministerium Belcredi die tschechische Gemeinde Berkan im
Bezirke Kalsching wegen ihrer Nationalität zu Budweis und Inung-Opvtschna
im Bezirke Postelberg zu Laun schlagen. Haid, die einzige deutsche Gemeinde
des Bezirks Schweinitz, grenzt an den Bezirk Grätzer und ließe sich ohne
Schaden diesem angliedern. Die Gemeinden Albrechtsried und Langcndorf
im Bezirke Schiittenhofen sollten schon einmal durch Beschluß des Land¬
tages mit dem Bezirke Hartmanitz vereinigt werden. Um andre Beispiele zu
übergehen, wurde auch über die Zuweisung der Gemeinde Huttendorf im Be¬
zirke Starkenbach zum Bezirke Hohenelbe vom Landtage bereits verhandelt,
wenn mich noch nicht Beschluß gefaßt. Selbst da, wo ein Bezirk viele Ge¬
meinden der andern Nationalität in sich begreift, begegnet die Bildung von
Bezirken, die nur aus Gemeinden mit einer und derselben Sprache bestehen, in
der Regel keiner unüberwindlichen Schwierigkeit. Die acht tschechischen Ge¬
meinden des Bezirks Leitmeritz liegen auf dem linken Ufer der Elbe, gehörten
schon einmal zum Bezirke Raudnitz und sollten nach der „Neuen Gebietsein¬
teilung des Königreichs Böhmen," welche das Ministerium Belcredi 1865 dem
böhmischen Landtage zur Begutachtung vorlegte, wieder mit ihm vereinigt
werden. Ebenso liegen die tschechischen Gemeinden des Bezirks Lobvsitz an der
Grenze des Bezirks Libochowitz, mit dem sie also leicht verbunden werden
könnten. Die nördlichen deutscheu Gemeinden von Wcißwasser sollten nach jener
Vorlage an Niemes, die andern an Danda fallen. Die von Pölitz sind von
den tschechischen geographisch vollständig getrennt und streben schon seit Jahren
die Bildung eines eignen Gcrichtsbezirks für sie mit dem Mittelpunkte Weckels¬
dorf an, ein Streben, das vom Landtage wiederholt als vollkommen berechtigt
anerkannt worden ist. In dem ausgedehnten Bezirke Leitomischl hängen die
zahlreichen und großen deutschen Gemeinden zusammen, und die Errichtung
eines besondern Gerichtsbezirks für dieselben ist so dringend geboten, daß der
Landtag sich vor einigen Jahren bereits mit ihr beschäftigte. Ähnlich steht
es mit den Bezirken Policla und Neuhaus. Ferner wollte die Regierungs¬
vorlage von 1865 die vierzehn tschechischen Gemeinden des Bezirks Krumau
wegen ihrer Nationalität von diesem ablösen und dem Bezirke Budweis einver¬
leiben. Die Größe des letztern aber und die starke Bevölkerung jener Gemeinden
würden eher die Bildung eines eignen Gerichtsbezirks für dieselben empfehlen.
Ganz selbstverständlich erscheint es, daß in solchen Bezirken, die wie Prachatitz,
Winterberg, Bergreichenstein, Bischofteinitz und Manetin von der Sprachgrenze
in zwei national gleichartige Teile zerlegt werden, die Bezirksgrenze der Sprach¬
grenze folgen sollte. Die deutschen Gemeinden der Gerichtsbezirke Neugedein


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[0638] Deutsch-böhmische Briefe. zirkelt andrer Nationalität vereinzelt vorkommenden Gemeinden (unsre Schrift nennt nur Liebinsdorf an der mährischen, Kößlersdorf um der niederöster- reichischcn Grenze und die Stadt Vvhmisch-Aicha) eine Ablösung derselben aus geographischen Gründen unthunlich, bei andern dagegen nicht schwierig. Schon 1865 wollte das Ministerium Belcredi die tschechische Gemeinde Berkan im Bezirke Kalsching wegen ihrer Nationalität zu Budweis und Inung-Opvtschna im Bezirke Postelberg zu Laun schlagen. Haid, die einzige deutsche Gemeinde des Bezirks Schweinitz, grenzt an den Bezirk Grätzer und ließe sich ohne Schaden diesem angliedern. Die Gemeinden Albrechtsried und Langcndorf im Bezirke Schiittenhofen sollten schon einmal durch Beschluß des Land¬ tages mit dem Bezirke Hartmanitz vereinigt werden. Um andre Beispiele zu übergehen, wurde auch über die Zuweisung der Gemeinde Huttendorf im Be¬ zirke Starkenbach zum Bezirke Hohenelbe vom Landtage bereits verhandelt, wenn mich noch nicht Beschluß gefaßt. Selbst da, wo ein Bezirk viele Ge¬ meinden der andern Nationalität in sich begreift, begegnet die Bildung von Bezirken, die nur aus Gemeinden mit einer und derselben Sprache bestehen, in der Regel keiner unüberwindlichen Schwierigkeit. Die acht tschechischen Ge¬ meinden des Bezirks Leitmeritz liegen auf dem linken Ufer der Elbe, gehörten schon einmal zum Bezirke Raudnitz und sollten nach der „Neuen Gebietsein¬ teilung des Königreichs Böhmen," welche das Ministerium Belcredi 1865 dem böhmischen Landtage zur Begutachtung vorlegte, wieder mit ihm vereinigt werden. Ebenso liegen die tschechischen Gemeinden des Bezirks Lobvsitz an der Grenze des Bezirks Libochowitz, mit dem sie also leicht verbunden werden könnten. Die nördlichen deutscheu Gemeinden von Wcißwasser sollten nach jener Vorlage an Niemes, die andern an Danda fallen. Die von Pölitz sind von den tschechischen geographisch vollständig getrennt und streben schon seit Jahren die Bildung eines eignen Gcrichtsbezirks für sie mit dem Mittelpunkte Weckels¬ dorf an, ein Streben, das vom Landtage wiederholt als vollkommen berechtigt anerkannt worden ist. In dem ausgedehnten Bezirke Leitomischl hängen die zahlreichen und großen deutschen Gemeinden zusammen, und die Errichtung eines besondern Gerichtsbezirks für dieselben ist so dringend geboten, daß der Landtag sich vor einigen Jahren bereits mit ihr beschäftigte. Ähnlich steht es mit den Bezirken Policla und Neuhaus. Ferner wollte die Regierungs¬ vorlage von 1865 die vierzehn tschechischen Gemeinden des Bezirks Krumau wegen ihrer Nationalität von diesem ablösen und dem Bezirke Budweis einver¬ leiben. Die Größe des letztern aber und die starke Bevölkerung jener Gemeinden würden eher die Bildung eines eignen Gerichtsbezirks für dieselben empfehlen. Ganz selbstverständlich erscheint es, daß in solchen Bezirken, die wie Prachatitz, Winterberg, Bergreichenstein, Bischofteinitz und Manetin von der Sprachgrenze in zwei national gleichartige Teile zerlegt werden, die Bezirksgrenze der Sprach¬ grenze folgen sollte. Die deutschen Gemeinden der Gerichtsbezirke Neugedein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/638>, abgerufen am 22.07.2024.